13 September 2021

Mein erster Con

Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«

Ich kannte Gunter seit der Grundschule; wir wohnten keine 200 Meter auseinander. Wir wechselten nach der Grundschule auf das Gymnasium, blieben befreundet, und als ich die Schule verließ, hielt unsere Freundschaft an. Deshalb machte er an meinem Fanzine »Sagittarius« mit, unter anderem deshalb, weil wir die Vorliebe für Science Fiction, seltsame Musik und alberne Witze teilten.

Und so radelten wir an diesem Samstag, 21. März 1981, am Vormittag von dem Dorf, in dem wir wohnten, nach Freudenstadt. Wir hatten gut sechs Kilometer zurückzulegen, und am Ende standen wir vor dem Jugendzentrum »Murgtäler Hof«. Nach dem Krieg war es ein kleines Hotel gewesen, seit einigen Jahren erst war es das Jugendzentrum unserer Kleinstadt.

Es sollte an diesem Tag der Schauplatz des ersten Cons sein, den ich veranstaltete: der FreuCon I. Weil ich originell sein wollte, hatte ich vor, die Cons mit lateinischen Zahlen durchzunummerieren.

Am Vortag hatte ich mir den Schlüssel zum Jugendzentrum besorgt. Wir hatten den unteren Bereich gemietet, das sogenannte Kleinkunstforum. Dort fanden sonst Konzerte statt oder es traten Kabarettisten auf, und der große Raum – früher das Restaurant des kleinen Hotels – konnte auch für Geburtstagsfeiern gemietet werden. Wir durften den Nebeneingang benutzen, mussten also nicht zur offiziellen Tür ins Jugendzentrum.

Die ersten Besucher waren schon eingetroffen, wie es aussah. Zwei, drei junge Leute drückten sich vor der Tür herum. Meine Informationen, die ich auf Anfrage per Brief übermittelt hatte, waren offensichtlich eindeutig gewesen: »Gegenüber des Stadtbahnhofs«, so hatte ich geschrieben, befinde sich das Jugendzentrum, und man möge die Tür nehmen, die zum Stadtbahnhof zeige.

Wir begrüßten die Besucher, die meinem Hinweis in den PERRY RHODAN-Clubnachrichten gefolgt waren und die ich noch nicht kannte. Dann steckte ich den Schlüssel ins Schloss – und stellte fest, dass der Schlüssel nicht passte. Ratlos standen Gunter und ich da.

»Gib mir mal!«, forderte er mich auf und versuchte ebenfalls, die Tür zu öffnen. Doch auch bei ihm ließ sich der Schlüssel nicht drehen. Die Tür zum Kleinkunstforum blieb verschlossen, und unser Con geriet ins Stocken, bevor er beginnen konnte.

Wir kamen beide auf die gleiche Idee, überquerten die Straße und steuerten die Telefonzellen vor dem Bahnhof an. Immerhin hatte uns die Sozialarbeiterin, die das Jugendzentrum verwaltete, ihre private Telefonnummer gegeben. »Für Notfälle«, hatte sie gesagt und uns ermahnt, wirklich nur in einem Notfall anzurufen. Aber das war eindeutig ein Notfall.

Die Nummer stimmte, wir erreichten sie, und dann lachte sie erst einmal ziemlich ausgiebig. »Ich habe euch den Schlüssel zur Zwischentür gegeben, und den richtigen Schlüssel für euch, den hat der Jo.« Auf meine Rückfrage, wo ich Jo finden könnte, gab sie zur Antwort, wir sollten zum Haupteingang spazieren, einmal ums halbe Haus herum, und dort klingeln oder klopfen. »Der arbeitet heute morgen.«

Unsere Con-Besucher, die sich ein wenig über unsere Planlosigkeit wunderten, sahen irritiert zu, wir Gunter und ich erneut die Straße überquerten und uns in den Hof begaben. Als wir vor der eigentlichen Eingangstür standen, hörten wir bereits die Arbeitsgeräusche. Jemand hämmerte und sägte.

Wie es sich herausstellte, hatte der Zivildienstleistende – ein junger Mann mit dickem schwarzen Schnauzbart namens Jo – auf uns gewartet. Jo war dabei, einen Zwischenraum mit einer neuen Bretterverschalung auszustatten. Wenn er allerdings mit der Säge zugange war, bekam er nicht mit, was wir ein Dutzend Meter von ihm entfernt machten.

Es klärte sich alles auf. Wir bekamen die richtigen Schlüssel und konnten das Jugendzentrum an der »Con-Seite« aufsperren. Jo hämmerte und sägte nicht mehr lang, räumte seinen Arbeitsbereich auf und verschwand. Und ich sorgte dafür, dass einige Getränke hinter der Theke des Kleinkunstforums standen, auf die wir zugreifen konnten.

Im Verlauf der nächsten zwei Stunden trafen die Con-Besucher ein. Zumeist handelte es sich um Science-Fiction-Fans aus der näheren Umgebung. Nur Udo Popp war aus Bayern angereist, alle anderen kamen aus Baden-Württemberg. Insgesamt waren wir zwischen 15 und 20 Personen, mehr nicht.

Es gibt ein Foto von dieser Veranstaltung: Es ist in Schwarzweiß, und ich habe es offensichtlich verlegt. Wir sitzen alle in einem lockeren Kreis auf den ungemütlichen Holzstühlen des Kleinkunstforums. Wir trinken Cola und Wasser, und wir reden.

Das reichte uns offensichtlich. Zu vorgerückter Stunde gab es einen Dia-Vortrag mit Science-Fiction-Motiven – das war das gesamte Programm. Wir tauschten Fanzines, wir unterhielten uns über Science Fiction im Allgemeinen, neue Filme und Fantasy.

Am frühen Abend löste sich die Veranstaltung auf. Gunter und ich fuhren mit dem Rad in unser Dorf zurück, einige Fans saßen in Udo Popps Auto. In der örtlichen Pizzeria, praktischerweise keine fünfzig Meter vom Haus meiner Eltern entfernt, aßen wir zu Abend. Udo übernachtete bei mir, die anderen reisten am selben Abend ab.

Das war der erste FreuCon. Ich war, obwohl es nur so wenige Besucher gewesen waren, sehr euphorisiert und wollte bereits den nächsten planen. (Dass elf Jahre später 800 Menschen aus 20 Ländern zum EuroCon in die kleine Stadt im Schwarzwald kommen sollten, hätte ich allerdings nicht zu träumen gewagt.)

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