Ein Logbuch der RedaktionBetrachtet man die PERRY RHODAN-Serie und den Serienkosmos über die Jahrzehnte hinweg, stellt man fest, dass es immer wieder Entwicklungen gibt, mit denen niemand so richtig rechnete. Eine davon ist das »Revival« des Heftromans – und stark dazu beigetragen hat sicher die ATLAN-Serie, bei dieser vor allem der »Traversan«-Kurzzyklus. Von den Erfahrungen, die in den späten 90er-Jahren mit »Traversan« gesammelt wurden, zehrten die Redaktion und das Autorenteam noch Jahrzehnte danach.
Dabei sah es in der ersten Hälfte der 90er-Jahre nicht besonders gut aus. Der Heftroman steckte in einer starken Krise, die sich schon in den 80er-Jahren abgezeichnet hatte. Einige Verlage gaben auf, zahlreiche Serien wurden eingestellt. Zu den Serien, die das Zeitliche segneten, zählte bereits in den 80er-Jahren die ATLAN-Serie. In den 90er-Jahren folgten bei PERRY RHODAN die Nachauflagen und die Taschenbücher. Die Verlagsunion Pabel-Moewig schien sich vom Heftroman zu verabschieden: Verschiedene Zeitschriften wurden gegründet, der Buchverlag stärker ausgebaut.
In diese Phase fiel die Entscheidung, mit ATLAN einen Neustart zu wagen. Dieser Neustart sollte nur zwölf Romane umfassen, und wir wollten uns an amerikanischen Comics orientieren: eine sogenannte Miniserie, die neben einer Hauptserie läuft. Die klare Auflage der Geschäftsleitung war, dass das Projekt »nebenbei« zu produzieren sei. Die Kosten sollten so niedrig wie möglich bleiben.
Im Nachhinein muss man klar sagen: Dass wir jede Woche einen Roman veröffentlichten, war sehr ambitioniert. Bei späteren Miniserien verlegten wir uns deshalb auf einen Erscheinungsrhythmus von zwei Wochen.
Bei »Traversan« kam alles wie eine Lawine auf meine Kollegin
Sabine Kropp und mich zu: Romane, die übers Wochenende fertiggestellt werden mussten, Lektorate über Nacht und ein mörderischer Zeitdruck vom ersten bis zum letzten Tag. Aber danach waren wir stolz auf das, was wir geleistet hatten.
Die Miniserie bildete in vielerlei Hinsicht eine Premiere: Es war der erste Handlungsabschnitt des größten Science-Fiction-Universums der Welt, den
Robert Feldhoff allein als Exposéautor gestaltete. Zu der Zeit arbeitete er bei PERRY RHODAN noch mit
Ernst Vlcek zusammen, der gewissermaßen sein Mentor war. Darüber hinaus war es der erste Zyklus, für den
Rainer Castor die Datenrecherche übernahm. Später sollte seine gründliche Arbeit für den gesamten PERRY RHODAN-Kosmos von größter Bedeutung sein.
Wir probierten bei »Traversan« vor allem alles Mögliche aus: neue Autoren wie Rainer Castor und
Frank Borsch, bislang unbekannte Titelbildzeichner wie Andreas Adamus, frische Abläufe innerhalb der Redaktion, ganz andere Gestaltungsmuster – wir bauten die Layouts der Heftromanseiten in bislang unbekannter Weise – und vor allem eine neue Art von Geschichte.
Die zwölf Romane waren in sich abgeschlossen, sie boten aber einen Ausweg am Ende: eine Möglichkeit, weitere Geschichten mit Atlan in der spannenden Zeit des großen Arkon-Imperiums zu erzählen. Dies geschah durch den Roman »Fluchtpunkt Schemmenstern« von Frank Borsch.
Bei der Planung der zwölf Romane gingen wir ebenfalls andere Wege. Wir hatten die erste Besprechung zu dieser Serie in eine Pizzeria in Hamburg-Altona, wir setzten zum ersten Mal bewusst auf eine »Emotionalisierung« der Handlung – in dem wir die Liebesgeschichte von Anfang an festlegten –, und wir dachten gleich an eine Lizenzierung in Buchform oder in Form von Hörspielen.
Darüber hinaus wurde die Welt des Arkon-Imperiums zum ersten Mal so richtig plastisch dargestellt. Dazu zählten höfische Sitten und Gebräuche ebenso wie das Karaketta-Rennen mit seiner Action oder der Philosophie des Dagor. Viele der Grundlagen, die Rainer Castor vor allem erarbeitete, wurden in zahlreichen Romanen der folgenden Jahre und Jahrzehnte verarbeitet.
Blicke ich heute auf die zwölf »Traversan«-Romane und den nachgeschobenen »Schemmenstern«-Einzelband, fällt mir auf, wie sehr sie in ihrer Zeit verhaftet sind. Es sind typische Heftromane mit schneller Action und flotten Dialogen, sie enthalten viele Ideen, wie sie in der Science Fiction üblich sind. Vor allem aber sind sie – so finde ich immer noch – packendes Lesefutter: abenteuerliche Science Fiction eben.
Umso mehr freue ich mich darüber, dass im Hirnkost-Verlag nun eine neue »Traversan«-Ausgabe erschienen ist. Ich bin sicher, Robert Feldhoff und Rainer Castor hätten sich darüber sehr gefreut!