Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Es war ein grauer Tag im September 2004: Aus einem diesigen
Wolkenhimmel fiel immer wieder feiner Nieselregen, und ein unangenehmer
Wind pfiff zwischen den Bäumen und Grabsteinen auf dem Kölner
Westfriedhof hindurch. Mit raschem Schritt eilte ich auf die Halle zu,
in der in wenigen Minuten die Verabschiedung des Verstorbenen beginnen
sollte. Mein offener Mantel wehte im Wind, die schwarze Krawatte
flatterte seitlich aus der Anzugsjacke, und ich hatte das Gefühl, zu
spät zu kommen.
Verdammter
Taxifahrer!, dachte ich die ganze Zeit, während ich auf die drei Männer
zuhielt, die auf der einen Seite des Eingangs standen, eindeutig
räumlich getrennt von der Gruppe der anderen Trauernden. Der Fahrer
hatte den Eingang zum »richtigen« Friedhof nicht gefunden, hatte mich
zuerst zum Jüdischen Friedhof gebracht, der direkt um die Ecke war,
bevor er das Gelände angesteuert hatte, das ich ihm genannt hatte. Das
alles hatte sehr viel Zeit gekostet.
Es war ein seltsamer Anlass
für einen Besuch in Köln. Das letzte Mal, als ich in der Stadt am Rhein
gewesen war, hatte eine herrliche Wintersonne auf die Straßen und Plätze
heruntergestrahlt. Ich hatte mich mit dem Schriftsteller und Übersetzer
Rainer Zubeil getroffen, um mit ihm eine intensivere Zusammenarbeit zu
besprechen.
Er hatte in den 80er-Jahren unter seinem Pseudonym Thomas Ziegler
einige wesentliche Beiträge für die PERRY RHODAN-Serie geschrieben und
wollte jetzt wieder fest »bei uns« einsteigen. Seine ersten Beiträge in
der »neuen Zeit« fand ich hervorragend, und ich hatte das Gefühl, dass
wir in den kommenden Jahren sehr gut zusammenarbeiten würden. Mein
Empfinden war, dass wir eine gemeinsame Basis hatten, die man für viele
Projekte nutzen könnte.
Und jetzt war ich wieder in Köln, um
genau diesen Menschen zu verabschieden. Nur wenige Monate lagen zwischen
diesen zwei Begegnungen, und vielleicht war es die Kürze dieser Zeit,
die mir diesen Tod als besonders erschütternd erscheinen ließ. Jahre-
und jahrzehntelang hatten sich die Kontakte zwischen dem Autor und der
Redaktion auf das Allernötigste beschränkt, und nun hatte sich eine
positive Zukunft angebahnt.
Ich drückte den drei Männern
nacheinander die Hand; für uns alle war dies nicht die Begegnung, die
wir uns gewünscht hatten. Alle drei Männer wiesen graue Gesichter auf,
und mir war klar, dass ich ebenso grau aus meinem dunklen Anzug schaute.
Der erste war Uwe Anton,
der Mann, mit dem Rainer Zubeil vor gut dreißig Jahren zusammen an
Science-Fiction-Fanzines mitgearbeitet hatte, der Mann, der zusammen mit
ihm die ersten Romane geschrieben und publiziert hatte – seit Jahren
war Uwe Anton einer der Autoren, die für PERRY RHODAN schrieben.
Der
zweite war Horst Pukallus, ein Alters- und Zeitgenosse Uwes und
Rainers; zusammen mit Rainer hatte er vor einem Vierteljahrhundert bei
der hervorragenden SF-Serie »Die Terranauten« mitgearbeitet, zusammen
mit Rainer und Uwe hatte er politische Kurzgeschichten für verschiedene
Verlage und politische Artikel für die »Science Fiction-Times«
geschrieben, zusammen mit Rainer hatte er in den Jahren zuvor viele
»Star Trek«-Romane übersetzt.
Zuletzt Achim Mehnert,
ein Altersgenosse von mir, deutlich jünger als Rainer, Uwe und Horst,
aber ein Kölner Schriftsteller, der seit einigen Jahren für
Science-Fiction-Serien anderer Verlage schrieb, aber auch schon zwei
Romane in den von mir betreuten Reihen veröffentlicht hatte. Er gehörte
mittlerweile zu meinen ältesten Bekannten.
So stand ich mit den
drei Männern da, überlegte kurz, was ich tun sollte. Uwe Anton verwies
mich auf die Lebensgefährtin des Verstorbenen, ich trat hinüber zur
Gruppe der anderen Trauernden, wahrscheinlich die Familie und die
Freunde. Ich drückte der Lebensgefährtin und der schwer erschüttert
wirkenden Mutter mein Beileid aus und wechselte einige wenige Worte mit
ihnen.
Im Vorfeld hatten die Lebensgefährtin und ich ein paar Mal
kommuniziert. Ich sollte keine offizielle »Grabrede« halten, für diese
war Michael Görden vorgesehen. Michael Görden, ein erfahrener
Verlagsredakteur, Übersetzer und Herausgeber, hatte den Verstorbenen
ebenfalls seit Jahrzehnten gekannt, er hatte mit ihm in den 80er-Jahren
zusammengearbeitet. Für eine Rede war er sicher besser geeignet als ich,
und deshalb hatte ich mich nicht im Geringsten vorbereitet.
»Michael
ist noch nicht da«, erzählte mir die Lebensgefährtin. »Es gab
Verzögerungen mit seinem Flug von Berlin nach Köln, und jetzt steckt er
im Stau.« Ob ich nicht doch einige Worte sagen wolle? Ich überlegte
kurz, nickte dann aber; zwei oder drei Sätze würde ich schaffen, vor
allem dann, wenn vor mir ein Prediger oder ein Trauerredner sprechen
würde.
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