Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Die Trauerfeier für Thomas Ziegler
lief an diesem grauen Tag im September 2004 nicht so, wie ich es
erwartet hatte. Meine Rede fand ich selbst nicht gerade brillant und
angemessen – aber ich war auch nicht darauf vorbereitet. Deshalb war ich
sehr froh, als sich eine Änderung abzeichnete.
Auf einmal ging
die Tür auf, und neben einer ganzen Reihe anderer Gäste tauchte Michael
Görden auf. Der Verlagslektor und Literaturagent hielt als alter Freund
des Verstorbenen seine Rede, in der er vor allem auf den Menschen
einging und die Person würdigte. Sehr ausführlich sprach er allerdings
auch nicht, so dass sich die Verabschiedungszeremonie auf zwei kurze
Reden und viel Orgelmusik beschränkte.
Als PERRY RHODAN-Autor
hatte Rainer in den 80er-Jahren erneut gezeigt, welches Talent er besaß.
Er schaffte es, aus vergleichsweise schlichten Weltraumabenteuern
packende Romane zu erschaffen, in dem er sich auf die Personen
konzentrierte und diese so interessant schilderte, dass man als Leser
auch mit den bizarrsten Außerirdischen mitfieberte.
Der
Weltraumreporter Krohn Meysenhart blieb mir zwanzig Jahre lang im
Gedächtnis. Der Blue, dessen Name ich vergessen habe und der stets
versuchte, einen Muurt-Wurm zu essen, war eine skurrile Figur mit
Tiefgang. Und bereits der Armadaflößer, die Hauptfigur des ersten
Ziegler-Romans bei PERRY RHODAN, hatte eine faszinierende Ausstrahlung,
die man in der Serie zu jener Zeit nicht so oft fand. Beeindruckend war
das stets, und mir hatten alle Ziegler-Romane gefallen. Deshalb war ich
schwer enttäuscht, als die Zusammenarbeit zwischen dem Verlag und dem
Autor Mitte der 80er Jahre plötzlich und ohne Angabe von Gründen beendet
wurde.
Irgendwann hörte das Orgelspiel auf. Die Eltern des
Verstorbenen gingen als erste an den Sarg mit den sterblichen
Überresten, um sich von Rainer Zubeil zu verabschieden, dann folgten die
Familienangehörigen. Zuletzt gingen die Kollegen und ich hin, um einen
letzten Gruß zu geben. Es war ein beklemmendes Gefühl. Obwohl ich den
Verstorbenen kaum gekannt hatte, ging es mir in diesem Moment stark ans
Gemüt; fast hätte ich geheult.
Vor der Tür herrschte grauer
Nieselregen. Die Lebensgefährtin lud uns zu einem Imbiss in eine Kneipe
in der Kölner Südstadt ein. Sie sagte, es sei Rainers Lieblingskneipe
gewesen, und er hätte sich bestimmt darüber gefreut, wenn wir kommen
würden. Horst Pukallus, Achim Mehnert und ich entschlossen uns, mit Uwe
Anton in die Südstadt zu fahren. Diesen letzten Wunsch wollten wir dem
Verstorbenen erfüllen.
Achim Mehnert als Ortskundiger lotste uns
quer durch die Stadt, und nach einer halben Stunde fanden wir einen
Parkplatz. Später saßen wir in einem sehr gemütlich wirkenden, aber für
eine Trauerfeier nicht optimalen Lokal in der Südstadt. Es blieb eine
seltsame Veranstaltung: Wir Science-Fiction-Leute saßen zusammen,
einigermaßen sprachlos und wortkarg, und unterhielten uns in kurzen
Sätzen, die von langen Redepausen unterbrochen wurden. Einige rauchten,
einige tranken Kaffee, einige aßen eine Suppe.
Die Familie
bildete eine eigene Gruppe, ebenso die alten Freunde des Verstorbenen.
Zwischen den Gruppen gab es wenig Kontakt. Immerhin war es warm in dem
Lokal, wenngleich die Stimmung irgendwie seltsam war. Mit den
Science-Fiction-Kollegen tauschte ich Erinnerungen an Rainer Zubeil aus,
wir waren traurig und bedrückt.
Am späten Nachmittag verließ ich
die Gaststätte. Der Himmel über Köln war immer noch grau, es nieselte
leicht, und ich fröstelte. Als ich mit der Bahn die Stadt verließ,
umfing mich erneut die Trauer. Ich schaute aus dem Fenster des Zuges,
der mich in Richtung Süden trug, und dachte an die Romane, die Rainer
Zubeil geschrieben hatte, und an die Romane, die er noch verfassen
wollte.
Es war ein grauer Tag, es war ein grausiger Tag, und ich
wollte den verstorbenen Autor als lebenslustigen Menschen in Erinnerung
behalten. Ein schweres Unterfangen ...
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