Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Als sich die Türen zur Beisetzungshalle öffneten, traten wir ein. Uwe Anton, Achim Mehnert,
Horst Pukallus und ich blieben als Gruppe im Hintergrund und warteten,
bis die Familie und die Freunde ihre Plätze eingenommen hatten. Dann
erst setzten wir uns, um unserem Freund und Kollegen Rainer Zubeil –
alias Thomas Ziegler – das letzte Geleit zu geben.
Vor
uns stand der Sarg, um ihn herum waren Blumen und Kränze drapiert.
Orgelmusik ertönte, und es entstand die seltsame Stimmung, die es immer
gibt, wenn man bei einer Beerdigung dabei ist.
Und
während die Musik ertönte, versuchte ich mir klarzumachen, was Rainer
Zubeil für mich bedeutet hatte. Er als Mensch war für mich nicht präsent
gewesen, ich hatte ihn früher sowieso nicht gekannt, hatte mich einige
wenige Male mit ihm unterhalten, und diese Gespräche waren immer von
beruflichen Interessen bestimmt gewesen. Der Autor Thomas Ziegler
allerdings hatte mich als Jugendlicher stark geprägt. Ich hatte seine
ersten Texte im Fanzine »Exodus« gelesen, seine ersten Romane – darunter
»Zeit der Stasis« mit Uwe Anton – geradezu verschlungen und dann
begeistert seine Romane für die Serie »Terranauten« gelesen.
Einige
seiner Taschenbücher in den achtziger Jahren beeinflussten mich stark:
»Stimmen der Nacht« war ein dicht erzählter Parallelwelten-Roman. In dem
Roman ist Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg von den Alliierten
besetzt worden, während die Nazis in Südamerika ihr Viertes Reich
gegründet haben – und dann sind auf einmal im Kölner Dom die Stimmen von
Hitler und anderen alten Nazis zu hören. »Alles wird gut« widerum war
eine bitterböse Satire über eine nahe Zukunft, in der es in Köln von
Verrückten nur so wimmelt.
Rainer Zubeil hatte eine großartige
Fantasie, seine Ideenvielfalt überstieg die vieler Kollegen. Das machte
mir unglaublichen Spaß, vielen anderen Lesern sicher auch. Bei den
»Terranauten« waren es die Romane von Robert Quint, die mir besonders
gut gefielen – Robert Quint war ein weiteres Zubeil-Pseudonym –, und ich
las die Serie zeitweise lieber als PERRY RHODAN.
Das erkannten
die Verantwortlichen im Pabel-Verlag in den 80er-Jahren wohl auch, denn
sie verpflichteten Rainer als Autor für PERRY RHODAN, nachdem die
»Terranauten« eingestellt worden waren. Als Thomas Ziegler schrieb
Rainer nicht nur einige großartige Romane, mit denen er die Serie
bereicherte, er verfasste darüber hinaus viele Exposés.
Meine
Gedanken wurden unterbrochen, als die Orgel verstummte. Die
Lebensgefährtin des Verstorbenen wandte den Kopf und blickte zu mir
herüber. Uwe Anton, der neben mir saß, gab mir einen leichten Stoß in
die Seite und nickte mir auffordernd zu.
Erst in diesem
Augenblick wurde mir klar, dass es keinen offiziellen Redner gab, keinen
Prediger oder einen sonstigen Sprecher. Und da Michael Görden nicht
anwesend war, musste ich eine Rede halten. Ich stand auf, froh darüber,
mir im Zug doch einige Sachen ausgedacht und notiert zu haben, und ging
mit wackeligen Beinen nach vorne.
Reden hatte ich in meinem
Berufsleben schon einige gehalten; sogar bei politischen Veranstaltungen
hatte ich gesprochen. Und bei zwei Begräbnissen hatte ich die Grabreden
gehalten, allerdings stets gut vorbereitet und mit einem Manuskript
ausgestattet. Jetzt stand ich vor der Trauergemeinde, zu der in der
Zwischenzeit noch einige Menschen mehr gekommen waren, fühlte die Blicke
vor allem der Lebensgefährtin und der Eltern auf mich ruhen und fühlte
mich sehr unwohl. Meine Finger waren schweißnass und umklammerten das
Stück Papier mit meinen Notizen.
Ich begann meine Rede mit den
Worten, dass ich wahrscheinlich derjenige sei, der den Toten am
wenigstens gekannt hatte. Und dann las ich einen Absatz vor, der aus dem
noch unveröffentlichten PERRY RHODAN-Roman Thomas Zieglers stammte: »Er
hatte selbst erfahren, was der Tod eines geliebten Menschen bedeutete,
hatte die innere Leere gespürt, die einen zu verschlingen drohte, und
den unheilbaren Schmerz, den nicht einmal die Zeit linderte.«
Danach
leitete ich zu einigen allgemeinen Worten über, die den Verstorbenen
für mich auszeichneten. Ich nannte ihn ein »Sprachrohr seiner
Generation«, der auch für uns Jüngere ein wichtiger Mensch gewesen sei.
Und ich endete mit meiner kurzen Rede, in dem ich den folgenden Satz
brachte, der ebenfalls aus seinem letzten Roman stammte: »Wir sind es
den Toten schuldig, dass wir weitermachen, dass wir nicht verzweifeln,
sondern ein glückliches und erfülltes Leben führen.«
Es herrschte Stille im Raum, als ich mich an meinen Platz setzte. Danach setzte wieder das Georgel ein.
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