Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Eckhard Schwettmann stand in der Tür unseres Büros und strahlte uns an. »Die Presse steigt voll auf unser Thema ein, das ist großartig.« Er hielt einige Ausdrucke in der Hand, die er schwenkte, als seien es Trophäen.
Sabine Bretzinger und ich sahen uns verwirrt an. Wir verstanden nicht gleich, was er meinte. Der neue Kollege, der erst seit einigen Tagen im Verlag war und eine Marketing-Abteilung für PERRY RHODAN aufbauen sollte, war gern bereit, uns zu erläutern, was gerade ablief.
Wir schrieben den Juni 1996, PERRY RHODAN wurde schließlich 35 Jahre alt, und das Jubiläumsjahr lief bereits. Einen WeltCon, den wir vorgeschlagen hatten – etwa in Bad Godesberg –, hatte die »oberste Etage« bereits im Vorjahr abgelehnt; nun stand ein großes Fan-Treffen in Garching bei München bevor.
Eckhard zeigte uns den Artikel, den eine Tageszeitung über PERRY RHODAN gebracht hatte, und eine handschriftliche Notiz aus der Verlagsleitung. »Der Con in Garching wird schon in den Medien vermeldet«, sagte er stolz, »da läuft die Pressearbeit also gut.« Der Verlagsleiter sei sehr mit der bisherigen Arbeit zufrieden.
Sabine und ich waren immer noch verwirrt. Wie es sich herausstellte, hatte der Verlagsleiter die Information aus der Presse erhalten, sie allerdings nicht an uns weitergeleitet, sie dann aber so an Eckhard übermittelt, dass dieser glaubte, die »obere Etage« habe die Presse »im Griff«. Ich schaffte es, die gute Laune zu behalten – immerhin schien die Pressearbeit zu funktionieren, und das war positiv genug.
Tatsächlich war einiges anders gelaufen. Die Verlagsleitung hatte ursprünglich mit einer Gesellschaft für Öffentlichkeitsarbeit zusammenarbeiten wollen. Der »Deal«, den man ausgehandelt hatte, war allerdings nicht positiv für die Redaktion gewesen: Wir hätten den »Input liefern« müssen, sprich, die Texte hätte allesamt ich verfassen müssen, und dann hätten die Kollegen dieser Agentur meine Texte so lange umgeschrieben, bis sie ihnen gefallen hätten. Mit diesen Texten wären sie in der Folge an die Journalisten herangetreten.
»Das können wir doch auch selbst, und das schneller und besser«, hatten Sabine Bretzinger und ich argumentiert. Das Argument, dass wir auf diese Weise viel Geld sparen konnten, überzeugte offensichtlich am schnellsten. Die Zusammenarbeit mit der Agentur wurde damit geschoben, später geriet das Thema ohnehin in Vergessenheit.
Mir war das Recht: Einige der Ideen, die man in der Agentur entwickelt hatte, klangen vernünftig, andere wirkten auf mich vor allem teuer und übertrieben. So wollte man »Walking Acts« damit beauftragen, durch die Fußgängerzonen großer deutscher Städte zu ziehen: Damit waren Schauspieler gemeint, die sich als Serienfiguren verkleiden sollten, um dann das potenzielle Publikum mit Informationen zu versorgen.
»Verkleidet sich dann jemand als Gucky, und wer macht den Icho Tolot?«, hatte ich bei einer Besprechung gespottet, war aber nicht verstanden worden. Das Kostenargument hatte eher gezogen als mein Sarkasmus: Auf der einen Seite stand eine Agentur, deren Kosten sich im sechsstelligen D-Mark-Bereich bewegen würden, auf der anderen Seite zwei Verlagsangestellte, die ihre Arbeit notfalls in unbezahlten Überstunden erledigten.
Im Mai hatten Sabine und ich dann eben unsere Presseaktion organisiert. Wir hatten die Adressen von Zeitungen, Zeitschriften und Radiostationen in München ermittelt, teilweise mithilfe der Fans, die wir in München kannten, und denen dann ein Schreiben zugeschickt. Manche Adresse kannten wir noch aus dem Vorjahr – über den plötzlichen Tod von Johnny Bruck hatten damals viele Medien berichtet. Unser Schreiben hatte einen Brief und einen Text enthalten, mehr nicht, dazu das Angebot, weitere Informationen direkt von uns zu bekommen.
»Alles Weitere kann ja dann die Marketing-Abteilung übernehmen«, schlug Eckhard vor. Damit waren Sabine und ich einverstanden. Wir hatten den Stein ins Rollen gebracht, aber mir war sehr recht, wenn ich mich danach wieder um meine eigentliche Arbeit kümmern konnte: die Romane redigieren, mit den Autoren kommunizieren, Texte für das »Drumherum« schreiben.
Eckhard hatte weitergehende Pläne. »Wir sollten vor allem an das Lokalfernsehen herantreten«, argumentierte er. Zeitungen allein genügten nicht mehr; in den 90er-Jahren seien Fernsehsender als Multiplikatoren sinnvoller. Ich verwies auf den Sender TV München, der sich schon gemeldet hatte – damit hatten wir eine gute Grundlage.
Der neue Kollege erinnerte sich an seine vielen Bekannten. Diese saßen vor allem in Köln bei Funk und Fernsehen sowie bei den in diesen Jahren stark florierenden Stadtmagazinen. »Die kennen aber weitere Leute, auch in München«, versprach er. »Dann werden wir doch sehen, was sich machen lässt.«
Die Presseaktion sei gut angelaufen, lobte er uns, nun müsse man die bisherige Arbeit erweitern. Er wolle selbst nach Garching fahren und auf dem Con sowohl die Fans treffen als auch sehen, wie so eine Veranstaltung ablaufe. Wenn man PERRY RHODAN größer machen wolle, brauche man die Fan-Szene.
Den Ansatz wiederum fand ich gut. In den vergangenen Jahren hatte ich den Eindruck gewonnen, in den »oberen Etagen« halte man die Leser unserer Serie für ein lästiges Übel: Sie schrieben Briefe, die man beantworten musste, sie wollten regelmäßig mit sauber gedruckten Romanen beliefert werden, und sie waren kritisch. Damit kam eine Verlagsleitung, die ihren Schwerpunkt weniger bei Heftromanen und eher bei Frauen- und Rätselzeitschriften sah, nicht unbedingt klar.
Eckhard Schwettmann könnte, so hoffte ich, nicht nur eine Wende für PERRY RHODAN nach außen hin, sondern auch für die Kommunikation nach innen einleiten. Bei der weiteren Pressearbeit konnte er hierfür eine wertvolle Unterstützung leisten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen