28 März 2022

Immer am Rand des Messestands

Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«:

Der Samstagmorgen – der erste richtige Buchmessetag also – begann mit einem gemütlichen Frühstück in der Wohnung. Ich rasierte mich gründlich, kämmte meine Haare so glatt, wie es mir möglich war, zog einen Anzug an und band mir eine Krawatte um den Hals. Hermann musterte mich grinsend: »So kann man dich tatsächlich auf die Messe lassen.«

Mit seinem Auto fuhren wir nach Frankfurt, wo wir in der Nähe des Südbahnhofs einen Parkplatz fanden: ohne Parkgebühren, einfach in einer Nebenstraße. Mit der nur mäßig besetzten S-Bahn ging es weiter, wir erreichten das Messegelände, kamen schnell durch die Kontrollen und waren gegen halb zehn Uhr morgens am Messestand des Pabel-Moewig Verlags.

Emsige Verlagskollegen waren gerade dabei, Prospekte auszulegen oder Getränke für Besucher bereitzustellen. An einigen Tischen führten Vertriebsleute des Verlags, die allesamt Anzüge mit Krawatten trugen, sehr ernsthafte Gespräche mit Buchhändlerinnen und Buchhändlern. Auf Blocks wurde handschriftlich notiert, wer welche Mengen von welchem neuen Buch kaufen wollte; es wurde gescherzt und gelacht, aber unterm Strich auch über Rabatte und Zahlungsziele verhandelt.

Das war nicht meine »Baustelle«, wie ich wusste – also suchte ich nach Anschluss in Sachen PERRY RHODAN. Unser Chefredakteur war anwesend, hielt sich aber meist im Buchbereich auf. Zuletzt war Dr. Florian F. Marzin innerhalb der Verlagsgruppe aufgestiegen, weg von den Heftromanen – die er als Chefredakteur weiterhin betreute – und hin zum allgemeinen Buchprogramm. Er führte Gespräche mit Vertriebsleuten und Verlagskollegen; wir grüßten uns und hatten ansonsten an diesem Tag wenig Berührungspunkte.

Der wichtigste Mann für PERRY RHODAN war an diesem Tag eindeutig Arndt Ellmer. »Der Herr Kehl kümmert sich um die Fans«, sagte mir eine Kollegin des Buchverlags und zeigte mir die Ecke, wo ich Arndt fand. Er saß auf einem Barhocker, der zu einer Gruppe von Stühlen gehörte, die sich um einen hohen Tisch gruppierten.

Dort hielt sich der Autor und Betreuer der Leserkontaktseite einen großen Teil des Tags auf, trank Kaffee oder Wasser und machte das, was er einfach gut konnte: Er war die Person, zu der die PERRY RHODAN-Leser geschickt wurden, wenn sie Fragen hatten – er betreute im Prinzip die Leser.

Recht schnell gestaltete sich eine Arbeitsteilung zwischen Arndt und mir heraus: Er kümmerte sich in erster Linie um die direkten Anfragen der Leser, hörte sich ihre Spekulationen und Ideen an, diskutierte mit ihnen über Romane und Autoren, und ich übernahm das, was darüber hinaus kam. Es gab Leute, die wissen wollte, was »dieses PERRY RHODAN« überhaupt sei, und wo sie die Bücher kaufen könnten. Ärgerlich fand ich, dass wir keinen einzigen Prospekt zu unserer Serie hatten.

In einer Gesprächspause fragte ich Marzin danach. Der Chefredakteur reagierte ungehalten; man merkte, dass er eigentlich keine Zeit hatte. Bisher habe man solche speziellen PERRY RHODAN-Prospekte eben nie benötigt, meinte er dann, bevor er zu seinem nächsten Termin eilte.

Später unternahm ich mit Hermann Ritter einen Bummel durch die Messehallen. Unter anderem besuchten wir den Stand von Fantasy Productions, wo wir auf Werner Fuchs und Hans-Joachim Alpers trafen. Wir kannten die beiden schon länger und tratschten erst einmal eine Weile über allgemeine Dinge. Mit Werner unterhielt ich mich über das geplante PERRY RHODAN-Computerspiel, während Hermann wegen aktueller Rollenspiele ins Fachsimpeln geriet.

Im Verlauf des Gesprächs fiel irgendwann die schöne Frage. »Und wenn du bei uns einsteigen würdest?« Hermann sollte als freier Mitarbeiter für Fantasy Productions tätig werden, er konnte ein Rollenspielbuch aus dem Amerikanischen ins Deutsche übersetzen. So schnell konnte man also zum Mitarbeiter eines Verlags werden – ich staunte gebührend.

Nach dem Rundgang kamen wir an unseren Messestand zurück. Offensichtlich war gerade gefeiert worden. Sektgläser standen herum, Kolleginnen des Verlages hatten schon glasige Augen, es wurde sehr laut gescherzt und gelacht. Die fröhliche Stimmung erstreckte sich nicht auf die PERRY RHODAN-Ecke. Man hatte Arndt Ellmer nichts von dem Sekt angeboten, und auch sonst schien man den Autor und seine Besucher eher zu ignorieren.

Hermann Ritter ging irgendwann auf seinen eigenen Messebummel. Wir verabredeten uns für später auf dem BuchmesseCon. »Spätestens 19 Uhr« machten wir aus, und ich nahm mir fest vor, den Termin auch einzuhalten. Leider wurde es an diesem Nachmittag am Messestand doch noch stressig.

Unter anderem bekam ich Besuch von Elisabeth Blay. Wir hatten den Termin im Vorfeld vereinbart, sie war eine freie Mitarbeiterin des Heyne-Verlages und sollte ein sogenanntes Mini-Taschenbuch zu PERRY RHODAN zusammenstellen. Frau Blay erwies sich als eine Redakteurin, die so gekleidet war und auch so sprach, wie ich mir eine Dame aus Bayern vorstellte: mit einigen sprachlichen Eigenarten, sehr kompetent und zielführend.

Wir verstanden uns gut, und ich konnte ihr recht schnell die Besonderheiten der PERRY RHODAN-Serie vermitteln. Das Manuskript für ihr Büchlein stand schon, es ging um den Abgleich einiger offener Fragen. Zu Beginn des Jahres 1994 sollte das kleine Buch erscheinen.

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