23 März 2017

Eckhards erste Tage

Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«

Der Montag, 3. Juni 1996, war ein besonderer Tag für die Entwicklung der PERRY RHODAN-Serie. Wie das oft bei solchen Tagen ist: Niemand merkte es gleich – die Weichenstellungen sollten schließlich erst später kommen. Aber der erste Arbeitstag von Eckhard Schwettmann leitete eine andere Darstellung unserer Serie »nach außen« ein, von der die Autoren und die Redaktion auch in späteren Jahren und Jahrzehnten profitierten.

Für mich selbst war der Tag nicht so locker und einfach. Sabine Bretzinger – damals noch nicht Sabine Kropp – und ich hatten in der vorigen Woche eine Aussendung an die Presse vorgenommen; wir verkündeten darin den Geburtstag der PERRY RHODAN-Serie. 35 Jahre – das klang nicht nach einem besonders runden Feiertag, trotzdem hatten wir es versucht.

Der Erfolg gab uns recht: An diesem Tag trafen die Rückläufe ein. Redakteure von Tageszeitungen aus der ganzen Republik riefen an, um von uns weitere Auskünfte über PERRY RHODAN zu erhalten. Briefe und Faxe mussten beantwortet werden, in manchen Fällen mussten wir auch schnell einen Adressaufkleber schreiben und eine aktuelle Sendung mit Heftromanen eintüten.

Obwohl wir mit den Presse-Themen sehr viel Arbeit hatten, die eigentlich nicht eingeplant war, waren wir ziemlich stolz darauf. Wir hatten »mit Bordmitteln« etwas geschafft, was eine Agentur – die unser neuer Verlagsleiter hatte engagieren wollen – nicht so einfach hinbekommen hätte. Im Sommer 1996, in dem die Lage im Verlag nach wie vor sehr angespannt war, zählten solche Erfolgsmeldungen doppelt, zumindest für uns selbst.

Eckhards erster Arbeitstag bestand erst einmal daraus, dass er ein ausführliches Gespräch mit der Verlagsleitung hatte. Die Redaktion war nicht dabei, als »die obere Etage« den PERRY RHODAN-Marketingmann auf seine neuen Aufgaben einschwor ... Und wir erfuhren nie, welche Geheimnisse Eckhard bei diesem Gespräch vermittelt bekam.

Den Rest des Montags verbrachte der neue Kollege damit, sein Büro einzurichten. Die Möbel standen teilweise schon bereit, andere mussten besorgt werden. Seine Assistentin Ute, die ihm ab dem ersten Tag zur Seite stehen sollte, half dabei; sie organisierte das Büromaterial und sorgte dafür, dass das Telefon und der Computer ebenfalls aufgestellt wurden.
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Eckhard und ich hatten nicht viel Zeit füreinander. Wir sprachen einige Male und tauschten Informationen aus; ich packte ihm einen Stapel mit Romanen und Arbeitspapieren auf den Tisch, und dann verschwand ich wieder in meinem Zimmer. Immerhin würde künftig nur eine dünne Wand zwischen uns sein, so dass einem schnellen Informationsaustausch nichts im Weg stehen würde. Wir gingen gemeinsam in die Kantine, und gelegentlich stellte er eine kurze Frage, auf die ich meist eine schnelle Antwort hatte.

Ich bekam am folgenden Tag mit, wie intensiv Eckhard telefonierte. Er informierte sich über die internen Strukturen im Verlag sowie im gesamten Konzern, dann teilte er seinen zahlreichen Medienpartnern in der ganzen Republik die Neuigkeiten über sein Aufgabengebiet mit. Ich hatte schon mitbekommen, wie viele Leute er kannte, und wenn er es schaffte, seine vielen Bekannten zu »rhodanifizieren«, wie wir es nannten, konnte das alles nur gut für PERRY RHODAN sein.

Das eigentliche Gespräch zwischen uns beiden war erst am Mittwoch. Wir nahmen uns viel Zeit. Eckhard hatte zwar schon viele Einblicke in unsere Tätigkeit erlangt, aber ich berichtete ihm trotzdem, wie wir arbeiteten: der Kontakt zu den Autoren, die Entstehung eines Romans, die Abwicklung innerhalb des Verlags, der Kontakt zu den Lesern. Er stellte viele Rückfragen, und er hatte bereits an dieser Stelle des Gespräches eine Reihe von Ideen, die er immer wieder äußerte.

»PERRY RHODAN ist eine Marke«, betonte er mehrfach, »und diesen Markencharakter müssen wir stärker nach vorne schieben.« Diese Marke sollte sich nicht nur in den Produkten manifestieren, sondern auch darüber hinaus. So hatte er sich bereits Gedanken über ein »Key-Visual« gemacht, über ein optisches Element, das künftig überall eingesetzt werden könnte.

Das Thema »Markenschutz«, das bislang auf der Ebene der Geschäftsleitung angesiedelt war, würde er künftig mit Vorrang behandeln. »Wir müssen unsere Marke nicht nur in Deutschland schützen, sondern auch in Gesamt-Europa sowie in den USA«, argumentierte er. Nur dann könnte man beispielsweise eine internationale Vermarktung der Serie anstreben.

Konkrete Ideen hatte er zur Musik. »Wenn wir heute junge Leute packen wollen, müssen wir das über die Musik versuchen.« Er kannte Musikproduzenten, die wiederum gute Kontakte zu Studios und Musiker hatten; mit diesen wollte er rasche Fortschritte machen. Wenn PERRY RHODAN eine Marke sein wolle, müssten wir sie stärker außerhalb der bisherigen Vertriebskanäle verankern: »nicht nur im Buch- und im Zeitschriftenhandel, sondern überall da, wo sich Leute für Science Fiction interessieren«. Dazu zählten für ihn im weitesten Sinne auch Techno-Clubs oder Fernsehsender wie Viva oder MTV, in denen Videos mit Science-Fiction-Charakter liefen.

Wir warfen viele Ideen hin und her. Manches von dem, was Eckhard sagte, kam mir zu übertrieben vor, zu weit entfernt von unseren bisherigen Romanen. Aber mir war selbst bewusst, dass wir einiges ändern mussten, wenn wir in dem Medienumfeld, das es für Science Fiction gab, weiterhin bestehen wollten.

Auf jeden Fall wurde an diesem Tag klar: Hier kam ein Marketingmann, der eine Vision von PERRY RHODAN hatte, die über das hinausging, was wir bisher getan hatten. Ob der Redaktion und den Autoren das alles gefallen würde, konnte man zu dieser Stunde noch nicht sagen ...

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