Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Der Montag, 3. Juni 1996, war ein besonderer Tag für die Entwicklung der
PERRY RHODAN-Serie. Wie das oft bei solchen Tagen ist: Niemand merkte
es gleich – die Weichenstellungen sollten schließlich erst später
kommen. Aber der erste Arbeitstag von Eckhard Schwettmann
leitete eine andere Darstellung unserer Serie »nach außen« ein, von der
die Autoren und die Redaktion auch in späteren Jahren und Jahrzehnten
profitierten.
Für mich selbst war der Tag nicht so locker und einfach. Sabine Bretzinger – damals noch nicht Sabine Kropp
– und ich hatten in der vorigen Woche eine Aussendung an die Presse
vorgenommen; wir verkündeten darin den Geburtstag der PERRY
RHODAN-Serie. 35 Jahre – das klang nicht nach einem besonders runden
Feiertag, trotzdem hatten wir es versucht.
Der Erfolg gab uns
recht: An diesem Tag trafen die Rückläufe ein. Redakteure von
Tageszeitungen aus der ganzen Republik riefen an, um von uns weitere
Auskünfte über PERRY RHODAN zu erhalten. Briefe und Faxe mussten
beantwortet werden, in manchen Fällen mussten wir auch schnell einen
Adressaufkleber schreiben und eine aktuelle Sendung mit Heftromanen
eintüten.
Obwohl wir mit den Presse-Themen sehr viel Arbeit
hatten, die eigentlich nicht eingeplant war, waren wir ziemlich stolz
darauf. Wir hatten »mit Bordmitteln« etwas geschafft, was eine Agentur –
die unser neuer Verlagsleiter hatte engagieren wollen – nicht so
einfach hinbekommen hätte. Im Sommer 1996, in dem die Lage im Verlag
nach wie vor sehr angespannt war, zählten solche Erfolgsmeldungen
doppelt, zumindest für uns selbst.
Eckhards erster Arbeitstag
bestand erst einmal daraus, dass er ein ausführliches Gespräch mit der
Verlagsleitung hatte. Die Redaktion war nicht dabei, als »die obere
Etage« den PERRY RHODAN-Marketingmann auf seine neuen Aufgaben einschwor
... Und wir erfuhren nie, welche Geheimnisse Eckhard bei diesem
Gespräch vermittelt bekam.
Den Rest des Montags verbrachte der
neue Kollege damit, sein Büro einzurichten. Die Möbel standen teilweise
schon bereit, andere mussten besorgt werden. Seine Assistentin Ute, die
ihm ab dem ersten Tag zur Seite stehen sollte, half dabei; sie
organisierte das Büromaterial und sorgte dafür, dass das Telefon und der
Computer ebenfalls aufgestellt wurden.
Eckhard
und ich hatten nicht viel Zeit füreinander. Wir sprachen einige Male
und tauschten Informationen aus; ich packte ihm einen Stapel mit Romanen
und Arbeitspapieren auf den Tisch, und dann verschwand ich wieder in
meinem Zimmer. Immerhin würde künftig nur eine dünne Wand zwischen uns
sein, so dass einem schnellen Informationsaustausch nichts im Weg stehen
würde. Wir gingen gemeinsam in die Kantine, und gelegentlich stellte er
eine kurze Frage, auf die ich meist eine schnelle Antwort hatte.
Ich
bekam am folgenden Tag mit, wie intensiv Eckhard telefonierte. Er
informierte sich über die internen Strukturen im Verlag sowie im
gesamten Konzern, dann teilte er seinen zahlreichen Medienpartnern in
der ganzen Republik die Neuigkeiten über sein Aufgabengebiet mit. Ich
hatte schon mitbekommen, wie viele Leute er kannte, und wenn er es
schaffte, seine vielen Bekannten zu »rhodanifizieren«, wie wir es
nannten, konnte das alles nur gut für PERRY RHODAN sein.
Das
eigentliche Gespräch zwischen uns beiden war erst am Mittwoch. Wir
nahmen uns viel Zeit. Eckhard hatte zwar schon viele Einblicke in unsere
Tätigkeit erlangt, aber ich berichtete ihm trotzdem, wie wir
arbeiteten: der Kontakt zu den Autoren, die Entstehung eines Romans, die
Abwicklung innerhalb des Verlags, der Kontakt zu den Lesern. Er stellte
viele Rückfragen, und er hatte bereits an dieser Stelle des Gespräches
eine Reihe von Ideen, die er immer wieder äußerte.
»PERRY RHODAN
ist eine Marke«, betonte er mehrfach, »und diesen Markencharakter
müssen wir stärker nach vorne schieben.« Diese Marke sollte sich nicht
nur in den Produkten manifestieren, sondern auch darüber hinaus. So
hatte er sich bereits Gedanken über ein »Key-Visual« gemacht, über ein
optisches Element, das künftig überall eingesetzt werden könnte.
Das
Thema »Markenschutz«, das bislang auf der Ebene der Geschäftsleitung
angesiedelt war, würde er künftig mit Vorrang behandeln. »Wir müssen
unsere Marke nicht nur in Deutschland schützen, sondern auch in
Gesamt-Europa sowie in den USA«, argumentierte er. Nur dann könnte man
beispielsweise eine internationale Vermarktung der Serie anstreben.
Konkrete
Ideen hatte er zur Musik. »Wenn wir heute junge Leute packen wollen,
müssen wir das über die Musik versuchen.« Er kannte Musikproduzenten,
die wiederum gute Kontakte zu Studios und Musiker hatten; mit diesen
wollte er rasche Fortschritte machen. Wenn PERRY RHODAN eine Marke sein
wolle, müssten wir sie stärker außerhalb der bisherigen Vertriebskanäle
verankern: »nicht nur im Buch- und im Zeitschriftenhandel, sondern
überall da, wo sich Leute für Science Fiction interessieren«. Dazu
zählten für ihn im weitesten Sinne auch Techno-Clubs oder Fernsehsender
wie Viva oder MTV, in denen Videos mit Science-Fiction-Charakter liefen.
Wir
warfen viele Ideen hin und her. Manches von dem, was Eckhard sagte, kam
mir zu übertrieben vor, zu weit entfernt von unseren bisherigen
Romanen. Aber mir war selbst bewusst, dass wir einiges ändern mussten,
wenn wir in dem Medienumfeld, das es für Science Fiction gab, weiterhin
bestehen wollten.
Auf jeden Fall wurde an diesem Tag klar: Hier
kam ein Marketingmann, der eine Vision von PERRY RHODAN hatte, die über
das hinausging, was wir bisher getan hatten. Ob der Redaktion und den
Autoren das alles gefallen würde, konnte man zu dieser Stunde noch nicht
sagen ...
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