14 April 2021

Filmgespräch während eines Cons

Aus der Reihe »Der Redakteur erinnert sich«

Es war ein Vorschlag von Miriam Hofheinz: »Wenn wir sowieso in München sind und den Con besuchen«, so argumentierte sie, »könnten wir auch ein Gespräch in Sachen Film führen.« Sie stand seit längerem mit einem Mann in Kontakt, der in München eine Firma leitete, die sich im weitesten Sinn mit Filmen beschäftigte. »Es kann nicht schaden, wenn wir uns mit dem zusammensetzen.«

Der Filmemacher – nennen wir ihn A. – kam am 9. September 2006 ins Goethehaus, wo wir unsere Veranstaltung zu 45 Jahren PERRY RHODAN hatten. Wir trafen uns an einem der Tische im Lokal. Dort waren wir ein wenig vom Con-Geschehen abgetrennt und konnten uns ausführlich unterhalten. Ich fand A. sehr schnell sympathisch: ein junger Filmemacher, der schon in verschiedenen Bereichen seine Erfahrungen gesammelt hatte.

Miriam und er hatten sich schon einmal getroffen. Er hatte sich vor Jahren für die Filmrechte von PERRY RHODAN interessiert, mit ihr darüber geplaudert und von ihr erfahren, wie die rechtliche Seite war. Also hatte er sich überlegt, ob er nicht ATLAN als Marke umsetzen könnte. Danach aber waren andere Themen wichtiger geworden, und er hatte ATLAN zur Seite geschoben.

Doch nun war dies erneut sein Thema. »Ich halte die Marke ATLAN für interessant genug«, so seine Argumentation, »dass wir daraus eine Zeichentrickversion machen könnten.« Zielgruppe seien Kinder im Alter von acht bis zwölf Jahren. Es müsse sehr actionlastig sein, damit es bei den Kindern funktioniere.

Im Gespräch kamen wir schnell auf die ATLAN-Zeitabenteuer. »Stell dir vor«, fabulierte ich. »Atlan hilft den Ägyptern beim Bau der Pyramiden, irgendwelche Aliens erreichen die Erde, und Atlan muss die Ägypter gegen diese Bedrohung schützen.« Auch die Jugendabenteuer des Arkoniden mit ihrem abenteuerlichen Charme hielt ich für interessant: ein Kristallprinz auf der Flucht, das klinge doch spannend.

A. schloss sich meinem Urteil an. Derzeit seien viele Fernsehsender auf der Suche nach »Content«, man sei überall an Serien interessiert. Die neuen Serien sollten international aufgestellt sein, um über die verschiedenen Länder – in der Filmwelt nannte man das »Territories« – die nötigen Mittel für eine Verfilmung aufzubringen.

Wir entschlossen uns, gemeinsam an dem ATLAN-Projekt weiterzuarbeiten. Zuerst sollte ich die rein rechtliche Lage prüfen: War es uns überhaupt erlaubt, für ATLAN zu verhandeln? Wie sahen die aktuellen Fernseh- und Serienrechte im Verlag aus, und wen musste ich fragen, um mehr zu erfahren? Es war mir schon klar, dass nicht einfach jemand von der Redaktion einen Verfilmungsvertrag aushandeln könnte – da mussten die »höheren Etagen« beteiligt werden und die Rechtsanwälte zu Wort kommen.

»Wichtig ist ein inhaltliches Konzept, mit dem wir arbeiten können«, meinte A. kritisch. Er kenne sich nicht gut genug mit ATLAN aus, habe in seiner Jugend zwar PERRY RHODAN gelesen, wisse aber nicht über die Feinheiten Bescheid.

Ich versprach, bis Jahresende ein grobes inhaltliches Konzept zu erstellen. Es sollte einige Handlungsideen umfassen, vor allem aber darstellen, wie man die Figur des Arkoniden Atlan in einen historischen Zusammenhang stellen könnte. Welches Alter eine mögliche Zielgruppe haben sollte, war dabei kein Thema. Das müsse man erst hinterher genau betrachten, wenn man wisse, welcher Sender sich ernsthaft interessiere, so A.; zunächst ginge es um Ideenfindung.

»Die mögliche Zielgruppe kennt weder PERRY RHODAN noch ATLAN«, schärfte er mir ein. »Was eure Serie so wertvoll macht, ist also nicht der Name, das sind die Geschichten.« Die gelte es herauszuarbeiten.
Miriam Hofheinz wollte auf Basis meines Konzepts eine interne Präsentation erstellen. »Wir müssen das Thema auch mit der Geschäftsführung und der Verlagsleitung besprechen«, argumentierte sie. »Das interessiert die sicher ebenfalls.« Sie sah alles aus Marketingsicht: Schon die Vorarbeiten würden den Blick von Außenstehenden auf unsere Marke verändern, ebenso aber unseren eigenen Blick auf PERRY RHODAN.

Sobald er unser Material habe, so A., wolle er damit loslegen. Im Zeitraum Januar bis März 2007 würde sein Team daraus Unterlagen entwickeln, die man Fernsehsendern und Geldgebern zeigen könne. Erst dann könne er sehen, ob ATLAN und meine inhaltlichen Überlegungen umsetzbar seien.

Wir waren uns einig, und eigentlich hätte unser Gespräch da bereits enden können. Ich musste in einen Programmpunkt und wollte mich anschließend mit Autoren unterhalten. Immerhin waren wir auf einem Con, und bei diesem Con galt der aktuellen PERRY RHODAN-Serie mein Augenmerk.

Da rückte A. mit einer letzten Idee heraus. Ob wir schon einmal von »Mobysoaps« gehört hätten? Ich konnte mit dem Begriff nichts anfangen, Miriam wusste allerdings Bescheid. Es handelte sich um sehr kurze Geschichten, garniert mit vielen Grafiken, die man sich aufs Handy laden konnte. Es war eine relativ neue Geschäftsidee, die von den Firmen vorangetrieben wurden, die zu der Zeit viele junge Leute mit ihren Klingeltönen begeisterten.

»Das heißt«, fragte ich vorsichtig nach, »dass wir künftig nicht nur Klingeltöne aufs Handy laden können, sondern auch eine PERRY RHODAN-Kurzgeschichte – und das wäre was für junge Leute?«

A. nickte. Genau darum handele es sich. »Auch diese Firmen brauchen dringend Content«, erläuterte er. »Und vielleicht sind ATLAN und PERRY RHODAN hierfür interessante Themen.«

Das fand ich spannend, Miriam Hofheinz sowieso. Und so entschieden wir uns, nicht nur das Projekt einer ATLAN-Zeichentrickserie engagiert voranzutreiben, sondern auch das einer PERRY RHODAN-Mobysoap. Ich nahm an, dass das Jahr 2006 noch sehr spannend werden würde …

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