11 April 2021

Wie persönlich geht der Redakteur an die Manuskripte?

Ein Logbuch der Redaktion


Welche Rolle spielt eigentlich der persönliche Geschmack, wenn es darum geht, ein Manuskript zu bewerten? Diese Frage wurde bei einer der vielen Diskussionen gestellt, die im Galaktischen Forum – so heißt das Diskussionsforum auf unserer Internet-Seite – während der vergangenen Monate geführt wurden. Schuld daran war ich. Auf eine entsprechend kritische Äußerung hatte ich geschrieben, dass ich nicht alle Romane unserer Serie gleichermaßen gut fände.

Es gäbe PERRY RHODAN-Romane, die fände ich toll, aber es gäbe auch Romane, die gefielen mir nicht. Einige Leute schienen das verwirrend zu finden. Eine der eher harmlosen Rückfragen: Wieso ich denn Romane veröffentlichen würde, die mir nicht gefielen? Mir kam es fast so vor, als wolle man mich lieber als Diktator sehen, der seine eigenen Maßstäbe »durchdrücken« wolle.

Diesen Umstand möchte ich an dieser Stelle gern weiter erläutern. Ich habe – wie jeder Mensch – einen eigenen Geschmack, und mir kann einfach nicht alles gleichermaßen gefallen. Es gibt Dinge, die kann man verallgemeinern und einigermaßen nüchtern beurteilen, auch bei der Schriftstellerei.

So kann man die Arbeit von Autorinnen und Autoren nach den gültigen Regeln betrachten: Sitzen alle Kommas an der richtigen Stelle, wie steht es um das Verhältnis von langen und kurzen Sätzen, wie ist es um die Grammatik bestellt? An solchen Punkten lässt sich so etwas wie Objektivität fixieren; bei eindeutigen Regeln für die deutsche Sprache kann man also ebenso eindeutig ein Urteil fällen.

Doch wie steht es um Dinge wie Spannung und Humor? Hierfür gibt es keine eindeutigen Kriterien, hier regiert letztlich der Geschmack: Was der eine Leser superlustig findet, mag der andere Leser gar nicht. Wo der eine Leser eine Szene unglaublich spannend und mitreißend findet, gähnt der andere Leser gelangweilt.

Auf die Science Fiction im Allgemeinen und PERRY RHODAN im Besonderen übertragen, heißt das: Manche Leser mögen den großen kosmischen Handlungsbogen der Serie; sie schätzen es, wenn Superintelligenzen und Kosmokraten eine wichtige Rolle spielen und die Geschichten einen Zeitraum von Jahrmillionen überspannen. Andere Leser fordern die »bodenständige« Science Fiction, wobei keine Einigkeit zu existieren scheint, was damit eigentlich gemeint ist, oder bevorzugen Weltraum-Abenteuer, die gern auch eine militärische Note aufweisen können. Selbstverständlich gibt es noch zahlreiche weitere Geschmäcker.

Daraus lässt sich schnell eines schließen: Egal, was die Autoren machen – sie können nicht alle Geschmacksrichtungen abdecken. Das schafft der beste Autor nicht. Sogar Schriftsteller wie K. H. Scheer oder William Voltz, die zu ihrer Zeit besonders beliebt waren, begeisterten nicht alle Leser gleichermaßen.

Was wir als Serie versuchen müssen, ist deshalb, möglichst viele Geschmäcker zu bedienen. PERRY RHODAN ist ein Projekt, das schon über Generationen hinweg läuft und das immer unterschiedlichste Science-Fiction-Richtungen angeboten hat. Die Serie hatte Raumschlachten und »Inner Space« im Programm, wir hatten im Verlauf der Jahrzehnte kosmische Weiten und Cyberpunk, Agentengeschichten und First-Contact-Romane, Zeitreisen und bunte Planetenabenteuer.

Manche Autoren schreiben eher technisch orientiert, andere mögen barocke Beschreibungen fremdartiger Kulturen. Einige schätzen kurze Dialoge, die an Krimis erinnern, andere lieben es, ihre Figuren so sprechen zu lassen, als seien es »Leute von nebenan«. Manche Romane sind mit Witzen aller Art garniert, über die ich beispielsweise nicht immer lachen kann; andere enthalten knallharte Action oder auch einmal eine Liebesgeschichte.

Ich halte es für sehr sinnvoll, dass unsere Autoren eine solche Bandbreite aufweisen; es wäre falsch, wenn wir versuchen würden, ihnen einen einheitlichen Stil aufzuzwingen. Die Serie zeichnet sich schließlich seit langer Zeit durch ihren Abwechslungsreichtum auch in stilistischer Sicht aus.

Von Anfang an: K. H. Scheer und Clark Darlton waren als Autoren höchst unterschiedlich. Während Scheers Romane immer eher technisch-militärisch klangen, schimmerte bei Darlton stets der Träumer und Phantast durch. Das passte eigentlich nicht so recht zusammen, ergänzte sich aber hervorragend.

Ich bin sicher, dass die Serie nicht so erfolgreich wäre, wenn sie nur einem Geschmack und einer Stilrichtung folgen würde. Sie würde einen Weg einschlagen, der vielleicht ebenfalls gut wäre, der aber eindimensional wirken würde. Die Vielfalt unterschiedlicher Autoren und ihrer Denkweisen könnte man selbstverständlich glattbügeln – aber was wäre damit wirklich gewonnen?

Eine PERRY RHODAN-Serie, die dem persönlichen Geschmack des Redakteurs folgen würde, wäre nicht so gut, wie sie jetzt ist. Ich bin sicher kein »Show Runner«, wie man das aus den bekannten amerikanischen Fernsehserien kennt. Einmal abgesehen davon, dass ich diese Rolle kaum ausfüllen könnte, wäre es nicht einmal sonderlich klug, das zu versuchen.

Dabei wiederhole ich mich, aber: PERRY RHODAN ist eine Teamarbeit, nicht die »Show« einer einzelnen Person. Und das ist gut so.

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