Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Nicht immer können alle Ideen verwirklicht werden, die in einer
Redaktion oder in einem Autorenteam ausgeheckt werden. Ohne Vorschläge
und Anregungen lässt sich eine Romanserie zwar kaum steuern, die
Exposéautoren können aber nicht jedes Konzept in ihren Weltenbau
einarbeiten. Das bekam ich im Mai 2004 zu spüren, als ich mir einige
Ideen ausdachte, von denen ich hoffte, dass wir es sinnvoll einsetzen
könnten.
Robert Feldhoff
hatte neue Exposékonzepte geschickt. Die Handlung des laufenden
Sternenozean-Zyklus sollte sich für mindestens vier Bände –
wahrscheinlich sogar acht oder mehr – in die Magellanschen Wolken
verlagern. Zur Unterstützung der Exposés hatte Rainer Castor
umfangreiche Arbeitspapiere und Datenblätter angefertigt. Die Romane
sollten die Bandnummern ab 2256 tragen und die Abenteuer einer
terranischen Expedition schildern.
Wie immer vertiefte ich mich
in die Lektüre dieser Arbeitsblätter und staunte über die Datenfülle,
die der Autor vor mir ausbreitete. Auch die Daten fand ich faszinierend.
Vieles von dem, was Rainer Castor zusammengestellt hatte, kannte ich
bereits oder hätte ich theoretisch kennen können – in Wirklichkeit hatte
ich viele Details längst vergessen. Ich überlegte mir aber, was wir von
diesen interessanten Dingen eigentlich den Lesern präsentieren könnten.
»Unsere
Leser interessieren sich sehr für den Kosmos, wollen von den Wundern
des Alls träumen«, schrieb ich Robert Feldhoff. Wie wäre es denn, so
meine Überlegung, wenn wir einen sehr wichtigen Planeten als
Handlungsort wählen würden, der am Rand der Großen Magellanschen Wolke
liegt. Meine Frage: »Wie sieht in diesem Fall beispielsweise der
Nachthimmel aus? Wie eindrucksvoll sieht man die Milchstraße, wie
deutlich flammen beispielsweise nahe gelegene Kugelsternhaufen auf?«
Innerhalb der Großen Magellanschen Wolke gibt es – auch in der realen Astronomie – die Sternenballung Hodge 301,
von mir stets als »Hodge-Ballung« bezeichnet. Dieser Sternhaufen ist
rund 25 Millionen Jahre alt, er ist also vergleichsweise jung, und in
ihm entstehen ständig neue Sterne. Das regte meine Phantasie an.
»Wie
wäre es, wenn es in dieser explosiven Wolke eine Reihe von Sonnen gäbe,
in denen Hyperkristalle ›ausgebrütet‹ werden?«, überlegte ich. Damit
hätten wir eine sinnvolle Verbindung aus aktuellen Handlungsproblemen –
Hyperkristalle für die terranische Raumfahrt – und spannender Handlung:
»Die Terraner sind geradezu gezwungen, hier Stützpunkte zu errichten,
um von hier aus mit Howalgonium zu handeln.«
Darüber hinaus
überlegte ich mir, ob man einen Bezug herstellen könnte zwischen der
Ballung und uralten kosmischen Konflikten, die 18, 20 oder 25 Millionen
Jahre in der Vergangenheit liegen könnten. Ich fand, das sei »eine
faszinierende Sache für die Leser, die auf eine Verbindung von aktueller
Physik/Astronomie zu unserer Serie hoffen«.
Außerdem schlug ich
vor, die Akonen in der Serie verstärkt auftauchen zu lassen, auch und
gerade in Magellan. Ich mochte die Akonen schon immer und fand, dass sie
in der PERRY RHODAN-Serie zu oft auf die Rolle des intriganten Schurken
reduziert worden waren. Ein Volk, das eine so lange zurückreichende
Geschichte von über 20.000 Jahren hatte, konnte sich aber nicht
dauerhaft in einem sinnlosen Konflikt mit der Menschheit verstricken –
da mussten doch Langzeitpläne her.
»Wie wäre es, wenn die schon
in Magellan aktiv wären?«, überlegte ich. Die Akonen könnten auf uralte
Transmitterstraßen zurückgreifen, »die vor 15.000 Jahren oder so bereits
errichtet wurden und halb in Vergessenheit gerieten«. Die Akonen
könnten bereits dabei sein, die Hyperkristalle direkt aus der
Hodge-Ballung zu bergen. »Damit verändert sich auch das
wirtschaftlich-politische Gleichgewicht in der Galaxis«, überlegte ich
weiter.
Ein wenig abwegig empfand ich die abschließende Idee zwar
auch, aber ich fand sie reizvoll. »Wir sollten zumindest mal darüber
nachdenken, inwiefern es aus marketing-technischer Sicht sinnvoll sein
könnte, eine Varganin – etwa Kythara aus der ATLAN-Miniserie – in der
PR-Handlung auftauchen zu lassen.«
Ich erinnerte Robert daran,
dass laut der Geschichtsschreibung im Perryversum die Varganen vor etwa
800.000 Jahren in unser Universum gekommen seien. Vielleicht könnte man
das mit weiteren Rätseln der PERRY RHODAN-Historie verknüpfen, so meine
Überlegung: »Sind sie auf einer Universellen Schneise gereist, die
hilft, die Barriere zwischen Universen zu überbrücken? Haben sie
Stationen hinterlassen, mit denen unsere Helden arbeiten können?«
Als
wir die unterschiedlichen Themen am Telefon durchsprachen, blieb Robert
Feldhoff einigermaßen reserviert. Das war nicht unüblich: Meist entnahm
er einer Mail mit Ideen oder einem ganzen Ideenpapier nur die
Vorschläge, die in sein Konzept passten und die er durch eine klare
Übernahme zu »seinem eigenen Ding« machen konnte. Immerhin war er nicht
ablehnend – aber das war er sowieso nie.
Er wolle schauen, was er von den Vorschlägen verwirklichen könne.
Das mit der Hodge-Ballung sehe er allerdings gar nicht, das gehe in die
falsche Richtung: weg von dem Konflikt mit Gon-Orbhon, hin zu einer
ganz anderen Geschichte. Das gelte auch für die Akonen und Varganen;
diese Ideen stellte er nicht ins Abseits, aber er gab ihnen keine echte
Chance.
Und der Nachthimmel über Magellan – »das müssen sich die Autoren
ausdenken, alles können wir nicht ins Exposé schreiben«. So kam es, dass
auch mal eine Ideenflut des Redakteurs vom Chefautor schlichtweg
ignoriert wurde ...
1 Kommentar:
Band 2256, der letzte PR-Roman aus der Feder von Thomas Ziegler. Unvergessen. Man ist das schon lange her.
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