Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Im Frühjahr des Jahres 1990 hatte ich die Nase voll von Cons,
zumindest von denen, die ich selbst organisiert hatte, allein oder mit
Freunden zusammen. Zehnmal hatte ich nach Freudenstadt eingeladen, und
von Jahr zu Jahr waren mehr Leute zu den Science-Fiction-Veranstaltungen
im Schwarzwald gekommen. Der FreuCon hatte sich seit 1981 zu einer Art
Marke für witzige und nicht unbedingt seriöse Cons entwickelt.
Im
Frühjahr 1990 dachte ich: »Jetzt reicht's.« Wir hatten das sogenannte
Kreishaus gemietet, wir hatten gezeigt, dass wir eine seriöse
Veranstaltung machen konnten, und wir hatten rund 200
Science-Fiction-Fans mit einem abwechslungsreichen Programm unterhalten
und informiert. Den FreuCon X, so der offizielle Name, bewertete ich als
Erfolg. Es war genug.
Andererseits ... Der Con hatte mir Spaß
bereitet, und mich nervte seit Jahren, dass es in Deutschland
offensichtlich nicht möglich war, eine große Veranstaltung für
Science-Fiction- und Fantasy-Fans aus dem Boden zu stampfen. Die
einzelnen Gruppierungen in den Städten eifersüchtelten geradezu, sie
arbeiteten nicht miteinander an Projekten, sondern jeder sah zu, dass er
seine eigenen Ziele verfolgte. Das fand ich nicht gut – warum also
sollte man nicht versuchen, möglichst viele Leute zusammenzubringen?
Ich
telefonierte mit engen Freunden wie Hermann Ritter, der seit einigen
Jahren aktiv in die Organisation der FreuCons eingebunden war, sowie mit
Günther Freunek, mit dem ich gemeinsam das Fanzine »Sagittarius«
veröffentlichte. Was sie denn davon hielten, noch einmal an das
Con-Thema zu gehen? Sie waren durchaus skeptisch. Hermann Ritter brachte
es auf den Punkt: »entweder richtig oder gar nicht ...«
Während
meiner Bürozeiten in Tübingen, wo ich zu dieser Zeit in einer Agentur
für Öffentlichkeitsarbeit beschäftigt war, notierte ich mir die
zahlreichen Gedanken, die mir zu einem möglichen FreuCon einfielen. Am
31. Mai 1990 formulierte ich sie schriftlich aus: auf sechs A4-Blättern,
in einer recht sauberen Handschrift. Bescheiden nannte ich mein Papier
eine »Ideen-Sammlung FreuCon«, und ich ging davon aus, diese öffentlich
präsentieren zu können.
Ich begann mit einem Rückblick auf den
Con im Frühjahr des gleichen Jahres. Wir hatten einen »großen Erfolg im
Fandom« erzielt, der Zuspruch war groß gewesen, aber wir hatten nur eine
geringe Resonanz in der Presse und außerhalb der Szene erhalten. Zu
allem Überfluss hatten wir die Veranstaltung nur mit viel Stress
bewältigen können.
Wie sollte es 1991 weitergehen? Sollten wir
die immer wieder ironisch geäußerte Parole »Nie wieder FreuCon!« in die
Tat umsetzen und wirklich keine Fan-Veranstaltung mehr machen? Die
eigentlich sehr sympathische Lösung hieße, dass wir schlichtweg keine
Arbeit hätten; wir könnten stattdessen eine nette Party veranstalten.
Den
FreuCon in einem kleineren Rahmen zu veranstalten, wäre möglich. »Nur:
keine Werbekampagne«, schrieb ich in meinem Konzept. Es gäbe kein
Programm, und es wäre ein klarer Rückschritt zum Jahr 1990. Wiederholen
wollte ich den FreuCon X allerdings nicht, das war kaum zu schaffen.
Wie
wäre es aber, so mein Gedankengang, den FreuCon »eine Stufe größer« zu
machen? Mir war klar, dass hierfür ein Jahr Vorbereitungszeit nicht
ausreichen würde und dass wir das mit dem bisherigen Konzept nicht
stemmen konnten. Von diesem Punkt ausgehend, wirkte auf einmal alles,
was ich mir ausdachte, schlüssig und nachvollziehbar.
So wollte
ich 1991 eben »die fannische Party« ins Leben rufen. Einen Con ohne
»gescheites Programm«, eine Veranstaltung unter dem Motto »Der Con
tanzt«, mit Disco-Abend und einem Abendprogramm am Samstag, das
unterhaltsam und nicht anstrengend sein sollte. Vor allem sollte sich
der Con im Frühjahr 1991 damit beschäftigen, den Con fürs kommende Jahr
zu planen: Wenn sich genügend Science-Fiction-Fans in Freudenstadt
einfanden, müsste es gut möglich sein, für 1992 eine große Veranstaltung
aufzubauen.
Ich dachte schon zu dieser Zeit an das
Kongresszentrum der Stadt, in dem man locker 300 bis 2000 Personen
unterbringen konnte. Es gab ein professionelles Ambiente, es wäre
allerdings wesentlich teurer. Vielleicht müssten wir auf Sponsoren
setzen, auf jeden Fall müsste der Eintrittspreis steigen, und vielleicht
gab es Verlage, die sich an einer solchen Veranstaltung finanziell
beteiligten.
Wie aber sollte die Szene von einer »professionell
wirkenden« Veranstaltung in einer kleinen Stadt im Schwarzwald erfahren?
Selbstverständlich würden wir in den Fan-Zeitschriften werben, auch auf
den Leserseiten der PERRY RHODAN-Romane – das alles würde kein Problem
sein.
Ich wollte aber vor allem während des
Science-Fiction-WorldCons in Den Haag auf die Veranstaltung aufmerksam
machen. In holperigem Englisch rumpelreimte ich: »Where are you in
ninety-two?« Was als ironischer Satz gemeint war, wurde später
tatsächlich zu unserem Werbespruch; die britischen und amerikanischen
Fans fanden das lustig.
Das Wichtigste bei all meinen
Überlegungen war allerdings die zentrale Frage: »Wer macht's?« Es gab
zahlreiche Aufgaben, die ich auflistete, wobei mir klar war, dass ich
sicher viele davon vergaß. Unter anderem machte ich mir Gedanken über
die Verpflegung, aber auch über das Programm. Ich wollte Universitäten
ansprechen, und am liebsten würde ich einen »internationalen Top-Film«
präsentieren.
Es mangelte also nicht an »großen Ideen« für die
Veranstaltung. Nur wusste ich in jenem Mai 1990 nicht, ob ich mir das
wirklich antun würde. Vor allem war mir eines nicht klar: Würde es
gelingen, die zerstrittene Science-Fiction-Szene soweit zu einen, dass
die Fans freiwillig die weite Reise in den Schwarzwald antraten?
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