Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Als ich am Samstag, 19. April 1980, mein Fahrrad bestieg, um von meinem
Heimatdorf loszufahren, ahnte ich noch nicht, wie sehr ich mit dieser
Reise mein Leben verändern sollte. Zwar hatte ich die ernsthafte
Absicht, etwas Gutes für die Science Fiction im Allgemeinen und mein Ego
im Besonderen zu tun – dass ich aber letzten Endes einen wichtigen
Schritt für meine spätere »Fandom-Karriere« zurücklegen sollte, war mir
damals nicht bewusst.
Ich war 16 Jahre und einige Monate alt, ich
hatte die erste Ausgabe meines Fanzines SAGITTARIUS veröffentlicht, und
ich hatte im Verlauf des vergangenen Jahres zahlreiche Kontakte
geschlossen. Einige Fan-Zeitschriften hatten
Science-Fiction-Kurzgeschichten, Leserbriefe und kleine Artikel von mir
veröffentlicht – aber ich hatte bisher praktisch keinen Fan
kennengelernt. Das sollte sich jetzt ändern!
Meine Familie wohnte
in einem Dorf bei Freudenstadt, also im Schwarzwald, und meine erste
Fan-Reise sollte nach Nagold führen, zu einer anderen Kleinstadt im
Schwarzwald. Die Strecke führte über bergig-kurvige Straßen, die meiste
Zeit durch den Wald oder ziemlich langweilige Dörfer. Mit meinem Vater
hatte ich sie gelegentlich zurückgelegt, weil wir wegen eines
Baustoffhandels in Nagold gewesen waren; jetzt aber war ich allein
unterwegs.
Zwar benutzte ich damals noch nicht den Begriff
»cool«, aber der Grund, warum ich das Fahrrad nahm, hatte etwas mit dem
zu tun, was man heute als »Coolness« bezeichnen würde: Ich wollte
eigenständig reisen, ich wollte nicht mit dem Bus fahren, und ich wollte
mich vor allem nicht von meinem Vater transportieren lassen. Dieser
hatte mir zwar angeboten, mich über die Distanz von rund dreißig
Kilometern zu fahren, aber ich hatte stolz abgelehnt.
Und so
brach ich an diesem Vormittag auf: mit meinem gelben Fünf-Gang-Rad, mit
vergleichsweise leichter Kleidung – es war ein warmer Frühjahrstag – und
mit viel guter Laune. Ich kam gut voran, und ich benötigte für die
Strecke nicht viel länger als eineinhalb Stunden. Praktisch zur
Mittagszeit war ich in Nagold, wo ich noch einen letzten Berghang
bewältigen musste, dann aber vor dem Haus meines Brieffreundes Frank
stand.
Der kleine Con, als den wir die Versammlung von drei
Jugendlichen bezeichneten, hatte einen Grund, den wir damals wichtig
fanden. Wir hatten nicht weniger vor, als die Zersplitterung der
deutschsprachigen Fan-Szene aufzuheben. Wir waren alle seit kurzem im
Fandom, hatten alle unsere kleinen Clubs gegründet und waren
mittlerweile in größere Fan-Vereinigungen eingetreten; jeder von uns
machte ein eigenes Fanzine, und wir stellten fest, dass es zahlreiche
Fraktionen gab, die sich teilweise ebenso sinnlos wie erbittert
bekämpften.
Damit sollte bald Schluss sein. Erst im Vorjahr
hatte das ein anderer Jugendlicher versucht: Peter aus Vaihingen, einer
weiteren Kleinstadt in Baden-Württemberg. Peter hatte den PERRY
RHODAN-Club Deutschland (PRCD) ins Leben gerufen, in den – so dachte er
wohl – alle PERRY RHODAN-Fans eintreten sollten. Das aber taten nur
wenige, und so dümpelte sein Verein auf vergleichsweise kleiner Ebene
vor sich dahin. Immerhin aber hatte er vor, einen großen Fan-Kongress zu
veranstalten: den VaiCon des PRCD in seiner Heimatstadt in einem Monat.
Bis dahin, so dachten Frank und ich sowie der Dritte im Bunde, wollten
wir mit unseren Plänen weiter sein und uns entsprechend präsentieren.
Robert
kam aus der Gegend von Heilbronn, und reiste mit der Bahn an, wurde von
Franks Eltern dann am Bahnhof abgeholt. Wir fühlten uns als Vertreter
von durchaus respektablen Fan-Vereinigungen: Ich kam von der Redaktion
SAGITTARIUS, die im Wesentlichen aus mir allein und einigen selten
mithelfenden Schulfreunden bestand; Frank stand dem Science-Fiction- und
PERRY RHODAN-Club Gucky II vor, während Robert für den Science-Fiction-
und PERRY RHODAN-Club Minisolar sprach.
Nicht anwesend war Uwe,
der irgendwo in Norddeutschland lebte, aber mit Frank und Robert in
engem Kontakt stand und von dem der Begriff »Club-Kontakt-Netz« stammte.
Er kam vom PERRY RHODAN-, Science-Fiction-, ATLAN-, Fantasy-Club
Starcenter 54, und ich lernte ihn auch später nie kennen.
Wahrscheinlich
bestanden die Clubs in erster Linie aus ihren Gründern sowie einer
Handvoll von Freunden – später entwickelten sich aus Roberts Club
immerhin zwei sehr unterschiedliche und recht gelungene Fanzines. In
jenem April 1980 hätte ich mich nicht getraut, ernsthafte Fragen nach
solchen Zusammenhängen zu stellen.
Franks Mutter servierte uns
ein Mittagessen, das mir gut schmeckte, das ich aber sehr ungewöhnlich
fand. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich entweder bei meinen Eltern, bei
meinen Verwandten oder in irgendwelchen Landgasthöfen gegessen – da
schmeckte alles gutbürgerlich-schwäbisch. Bei Franks Eltern gab es
andere Gerichte; ich erinnere mich bis heute daran, dass ich die
süßliche Salatsoße zwar mochte, sie mich aber gleichzeitig sehr
verwunderte.
Nach dem Essen verschwanden wir drei Jungs in Franks
Jungenzimmer. Ich kann mich nicht erinnern, ob ich zwischendurch bei
meinen Eltern daheim anrief; viel spannender für mich war sowieso der
sogenannte MiniCon. Am Ende stand immerhin der Plan, das sogenannte
Club-Kontakt-Netz ins Leben zu rufen, eine Vereinigung für alle
Science-Fiction- und PERRY RHODAN-, und ATLAN- und »Ren Dhark«- und
»Terranauten«-Fans. Doch wie es weiterging, das erzählt eine andere
Geschichte ...
(Übrigens: Da ich nicht weiß, wie die Brief- und
Fan-Freunde von früher heute zu unseren jugendlichen Taten stehen, habe
ich auf die Angabe der Nachnamen verzichtet.)
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