Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Im Frühjahr 1985 hatte ich das Gefühl, im Fandom – also in der
Science-Fiction-Szene – einen richtig guten Ruf zu haben. Zwar war ich
im wirklichen Leben ein ganz gewöhnlicher Wehrpflichtiger, der als
»Schütze« in einer Bundeswehrkaserne seinen Dienst verrichtete, in der
Fan-Szene fand ich mich aber ziemlich wichtig. Meine Kurzgeschichten und
Artikel wurden regelmäßig in Fan-Zeitschriften veröffentlicht, mein
eigenes Fanzine »Sagittarius« genoss einen guten Ruf.
Zudem hatte
ich bereits viermal einen Con veranstaltet, also eine Veranstaltung für
Science-Fiction-Fans. Der Begriff »Con« leitete sich von »Convention«
ab; übersetzte man das auf deutsch, meinte man also einen »Kongress«.
Das war natürlich eine hochtrabende Bezeichnung für die üblichen Cons,
an denen einige Dutzend Jugendliche und junge Erwachsene ein Wochenende
lang in einem Jugendzentrum herumsaßen und über Science Fiction und
artverwandte Themen sprachen.
Für den 14. April 1985 hatte ich
wieder einen Con angesetzt, erneut im Jugendzentrum »Murgtäler Hof« in
Freudenstadt. (Das Bild zeigt das JuZ in den 80er-Jahren.) Ich
orientierte mich an den Namen bekannterer Fan-Veranstaltungen, die in
Berlin eben »BärCon« oder in Stuttgart dann »StuCon« genannt wurden; in
den USA hießen sie in Philadelphia logischerweise »PhilCon« und in
Chicago »ChiCon«. Aus Freudenstadt wurde also »Freu«« – daraus entstand
der Name »FreuCon«.
In dem Jugendzentrum ging ich seit den
späten 70er-Jahren ein und aus, und seit 1981 organisierte ich dort
einmal im Jahr die Science-Fiction-Treffen. Mir war bewusst, dass ich es
nicht schaffen würde, einen »vernünftigen« Con auf die Beine zu
stellen, ein Con mit Programm und Ehrengästen und einem geregelten
Ablauf.
Zudem waren die Räumlichkeiten im Jugendzentrum
begrenzt: Mehr als sechzig Besucher würden den Ablauf zu sehr
durcheinander bringen – mir stand letztlich nur ein einziger Raum zur
Verfügung, der zudem durch geplante Baustellen in den Nebenräumen
eingeschränkt sein würde.
Mir
war zu diesem Zeitpunkt einigermaßen klar, warum der FreuCon bei einer
gewissen Klientel beliebt war: Es handelte sich um einen fannischen Con,
wie man das damals nannte, einen Con also, bei dem die Kommunikation
der Fans untereinander wichtig war. Nur deshalb reisten Besucher aus der
halben Bundesrepublik in die Kleinstadt im Schwarzwald; ein mögliches
Programm interessierte die wenigsten.
Also verfasste ich in
diesem Frühjahr 1985 ein sogenanntes Egozine, eine Fan-Zeitschrift also,
die ein Mensch allein machte, um seinem Ego zu genügen. Ich nannte es –
nach der Eichelberg-Kaserne, in der ich meine Tage fristete – »Der
Ge-Eichelte Bote«, was ich sehr witzig fand, und schrieb darin unter
anderem über den geplanten Con.
»FreuCons sind eigentlich immer
für die Leute interessant, die selbst kreativ sind, einen Hang zum Chaos
verspüren und auch so gut drauf sind«, verkündete ich selbstbewusst.
Ich hätte auch formulieren können, dass ich nur Leute wünschte, die in
der Lage waren, sich mit sich selbst und anderen zu beschäftigen, und
die kein Programm benötigten.
Ähnlich selbstbewusst formulierte
ich weiter: »Vollidioten und Berts haben sich auf FreuCons im Regelfall
nie wohlgefühlt, auch wenn sie zeitweise in großer Anzahl vorhanden
waren.« Im Nachhinein betrachtet: So richtig klug war es sicher nicht,
einen Teil der bisherigen Besucher auf diese Weise zu beschimpfen ...
»Allerdings
gab's auch durchaus fähige Leute, die zu den FreuCons kamen und
enttäuscht wieder von dannen zogen, weil sie sich einfach zu viel von
der ganzen Veranstaltung versprochen haben«, ruderte ich gleich im
nächsten Satz zurück. Ich wollte tatsächlich das potenzielle Publikum
warnen: »Wer gern wissenschaftliche Vorträge hört oder sich mit
Schriftstellern unterhält, ist natürlich auf einem FreuCon fehl am
Platz.«
Weil ich nicht zu viele Besucher und weil ich nur
bestimmte Leute ansprechen wollte, gab ich bekannt, dass man zum Con
eingeladen werden musste. Ich verwies auf ein »Anforderungsformular« für
eine Einladung, das man bei mir erhalten könne, wenn man nicht sowieso
schon eine Einladung erhalten habe. Dass ich das Formular irgendwie
ausarbeiten musste, war mir zu dem Zeitpunkt nicht klar, als ich »Der
Ge-Eichelte Bote« schrieb und in der Kaserne vervielfältigte.
Immerhin
machte ich mir schon Gedanken über den Ablauf der Veranstaltung. Weil
ich dachte, für einen normalen Science-Fiction-Con weder die Zeit noch
die Nerven zu haben, plante ich Programmpunkte, die sehr unüblich waren.
Unter anderem wollte ich eine Führung durch den Wald anbieten, um den
Besuchern zu zeigen – man schrieb 1985! –, »wie schlimm und ausgedehnt
das Waldsterben wirklich ist!« Immerhin sei das Waldsterben »schon keine
SF mehr«.
Darüber hinaus hatte ich vor, mit den Con-Besuchern
einen Maler zu besuchen, der in Freudenstadt wohnte und arbeitete und
dessen Bilder mit phantastischen Motiven spielten. Als weitere
Programmpunkte betrachtete ich einen »Kurz-Spontan-Dungeon«, der »in der
Nacht gegen zwei Uhr« beginnen solle – gemeint war offenbar ein
Rollenspiel –, sowie einen »Freak-Special-Program-Punkt, kurz FSPP«, was
immer ich auch damit meinte.
Um es vorwegzunehmen: Von all
diesen geplanten Dingen wurde nichts umgesetzt. Ich hatte kein
glückliches Händchen, was die Organisation von Veranstaltungen anging,
vor allem, weil ich immer dachte, alles allein machen zu müssen. Aber
immerhin bekam ich es in der Kaserne hin, etwas vorzubereiten und damit
etwas zu tun, das über das dröge Einerlei des Feierabend-Saufens
hinausging ...
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