Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
In den Jahren nach der Jahrhundertwende wurde der Weltbild-Versand zu
einem der größten Buchhändler im deutschsprachigen Raum. Von Augsburg
aus erreichten die vierfarbigen Kataloge gut die Hälfte aller Haushalte.
Man baute die Online-Versandmöglichkeiten auf, gründete eigene Läden
und stieg stärker in das Geschäft mit Eigenproduktionen ein.
Nachdem
die PERRY RHODAN-Redaktion ab Ende der 90er-Jahre gleich zwei Reihen
mit Fantasy-Büchern – zuerst DRAGON, dann MYTHOR – bei Weltbild hatten
platzieren können, folgte im Verlauf der Nullerjahre eine PERRY
RHODAN-Buchreihe. In dieser wurden 26 Hardcover-Bände veröffentlicht,
die jeweils zwei Planetenromane enthielten.
Danach herrschte
lange Zeit eher »Funkstille«: Die jeweiligen Ansprechpartner bei
Weltbild wechselten, beim Pabel-Moewig Verlag wurde das Buchgeschäft
eingestellt. Erst am Ende der Nullerjahre schaffte ich es, wieder
vernünftig wirkende Kontakte herzustellen.
»Wenn Weltbild so
viele Menschen erreicht, muss PERRY RHODAN im Katalog enthalten sein«,
argumentierte ich. Immerhin kamen unsere Partner von Eins A Medien
ab und zu mit einer Silber Edition zum Zuge. Damit tauchte unsere Serie
in Form von Hörbüchern im Katalog und im Online-Shop auf. Ich wollte
aber auch gedruckte Romane anbieten.
Ich vereinbarte mit einer
Dame, die bei Weltbild für den Wareneinkauf verantwortlich war, dass wir
eine Sonderproduktion anfertigen würden. In einem schriftlichen Konzept
formulierte ich meine Ideen für eine »PERRY RHODAN-Box«.
Ich
wollte »zehn PERRY RHODAN-Taschenbücher mit einem Umfang von 128 Seiten«
herstellen, die »zu einem sehr attraktiven Preis« an die Kunden
verkauft werden sollten. »Die Box wird als Kundenproduktion vom
Pabel-Moewig Verlag produziert und bei Weltbild angeliefert.« Ein
solches Geschäftsmodell war üblich: Das Risiko war überschaubar, da
Weltbild eine vorher festgelegte Menge kaufen würde.
Meine
»Zielgruppe« hatte ich klar im Sinn: »Angesprochen werden sollen durch
die zehn Taschenbücher vor allem Menschen, die PERRY RHODAN vom Namen
her kennen, vielleicht früher auch gelesen haben, zur aktuellen
Heftromanserie aber nur wenig Bezug haben.« Ich überlegte mir eine Box,
die ich mir als eine Art »Best of« der Serie vorstellte: spannende
Romane, die mir selbst sehr gut gefallen hatten und die sicher auch
andere Leute interessieren würden.
Selbstverständlich wollte ich
bekannte Bestsellerautoren wie Andreas Eschbach und Gisbert Haefs dabei
haben. Meine Vision ging allerdings darüber hinaus: Sollten wir es
schaffen, eine Zehner-Box erfolgreich zu verkaufen, dachte ich an ein
Folgekonzept. »Dann böte sich tatsächlich an, einen PERRY RHODAN-Zyklus
in Form von Zehner-Boxen zu vermarkten, die aufeinander folgen.«
Ähnliche
Boxen hatte der Pabel-Moewig-Verlag in den 90er-Jahren und danach immer
wieder für Weltbild angefertigt. Vor allem waren Liebesromane, die der
Verlag zuvor als Heftromane veröffentlicht hatte, neu in Form von
Taschenbüchern angeboten worden. Warum sollte das mit PERRY RHODAN nicht
auch funktionieren?
»Jeder Roman wird als separates Taschenbuch
gestaltet«, schlug ich vor. »Das Cover und der Titel des ursprünglichen
Romans werden übernommen, der jeweilige Rückentext wird neu verfasst und
soll auch Serienfremden einen Einstieg ermöglichen.«
Für mich
klang das schlüssig, aber ich wollte nicht nur einen Roman
veröffentlichen. Ich wollte zudem einen Einstiegstext haben, »der auch
dem PERRY RHODAN-Neuling – oder demjenigen, der seit vielen Jahren kein
PERRY RHODAN mehr gelesen hat – die Hintergründe ganz kurz umreißt«.
Dazu sollte eine Glossar-Seite als Nachschlagewerk dienen.
Bei
der Bearbeitung blieb ich sehr vorsichtig. Selbstverständlich müsste man
die Klassiker auf neue deutsche Rechtschreibung – in der gemäßigten
Variante – umstellen. Inhaltlich bearbeiten wollte ich so gut wie
nichts, höchstens Rechtschreibung- und Grammatikfehler entfernen.
Für mich klang das Konzept sehr schlüssig. Ich schlug Klassiker wie »Das Grauen« (1963, erschienen als Band 73) von William Voltz ebenso vor wie recht moderne Bände, etwa Robert Feldhoffs »Die Harmonie des Todes« (1987, erschienen als Band 1328). Verzichten wollte ich nicht auf Andreas Eschbach und seinen Band »Der Gesang der Stille« (1998, erschienen als Band 1935) oder Gisbert Haefs mit »Der eiserne Finger Gottes« (2005, erschienen als Band 2289).
Für alle Romane dachte ich mir einen sehr kurzen Text aus; hier ein Beispiel für Frank Böhmerts
»Die Ratten von der JERSEY CITY« (2006, erschienen als Band 2341):
»Nachdem ihr Raumschiff von der Terminalen Kolonne erobert worden ist,
überleben nur zwei Terraner in den technischen Innereien des
Raumschiffs. Zu zweit nehmen sie den Kampf gegen die Mörder auf – dabei
sind sie sich selbst die größten Feinde ...«
Wir wollten ein
Gesamtpaket liefern: Weltbild sollte fertig gedruckte Taschenbücher
erhalten, in ersten Gesprächen legten wir eine Auflagenhöhe sowie die
Preise fest. In einer ersten Kalkulation sah auch alles gut aus.
Am
18. Februar 2010 war das Konzept fertig; dann wurde es an Weltbild
geschickt. Und während wir miteinander verhandelten, kam es innerhalb
des Weltbild-Konzerns zu immer stärkeren Problemen; diese hatten schon
2009 angefangen, wirkten im gesamten Jahr 2010 fort und hielten auch in
den Folgejahren an. Einige Kollegen, mit denen wir bisher zu tun gehabt
hatten, verließen den Konzern, es änderte sich in kürzester Zeit
unglaublich viel.
Und so wurde aus dem eigentlich schönen Konzept einer »Zehner-Box« leider nichts.
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