Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich« ...
Zu Beginn des Jahres 1979 wusste ich endgültig, dass ich kein »normaler«
Jugendlicher war. Ich war gerade mal 15 Jahre alt und hatte das Gefühl,
in dem kleinen Dorf im Schwarzwald der einzige Jugendliche zu sein, der
völlig aus der Rolle fiel.
Zwar machte ich die üblichen Späße mit den
Schulkameraden, aber ich entwickelte eine immer stärkere Faszination für
die PERRY RHODAN-Serie und andere Science Fiction. Es konnte passieren,
dass ich zu der Wiese ging, wo wir immer Fußball spielten, und
irgendwann mit einem Heftroman dasaß und lieber ein spannendes Kapitel
zu Ende brachte.
Mir war bewusst, dass die Serie eine Fiktion
war, und ich stand nicht in der Gefahr, mich in fremden Welten zu
verlieren. Die Abenteuer von Perry Rhodan und seinen Gefährten fand ich
aber spannender als den drögen Alltag in der Schule, der mich oftmals
grenzenlos anödete. Nachmittags machte ich keine Hausaufgaben, sondern
zeichnete Raumschiffe. Mathematikhefte verschönerte ich durch Skizzen
von Kugel- und Diskusraumern. Ich träumte nachts von Raumschiffen und
Außerirdischen.
Meine Eltern verstanden das noch nicht: Sie
nahmen mich zu Verwandtschaftsfeiern mit, obwohl sie wussten, dass ich
mich ohne Ende langweilte. Sie wunderten sich über die seltsame Musik,
die ich hörte, und gaben es irgendwann auf, mir die Heftromane zu
verbieten. Meine Lehrer verstanden das noch weniger; ihnen leuchtete
nicht ein, warum ich lieber »Schundromane« las, anstatt mich auf den
Unterricht zu konzentrieren.
PERRY RHODAN hatte mich gepackt.
Mich faszinierten die Anfänge der Serie, die ich in der vierten Auflage
las, ebenso wie die aktuellen Romane, deren kosmische Geschichten ich am
stärksten fand. Welches Geheimnis steckte hinter den Loowern, welche
Ziele verfolgten die sogenannten Trümmerleute? Wie hingen die Kosmischen
Burgen mit der Geschichte der Erde zusammen, und warum stand das
Solsystem immer im Zentrum der Geschichte?
Meine Lieblingsfigur
war mittlerweile Alaska Saedelaere geworden. Während ich Gucky und seine
Späße langsam nervig fand, konnte ich den Transmittergeschädigten immer
besser verstehen: Ein Mann, der sich hinter einer Maske verstecken
musste, war für einen Jugendlichen eine klarere Identifikationsfigur als
ein fröhlicher Außerirdischer.
Mit wachsendem Interesse las ich
die »Randtexte« in den Romanen. Auf der Leserkontaktseite wurde
gelegentlich auf die Arbeit der Autoren hingewiesen, im PERRY
RHODAN-Report erschienen Artikel mit Literatur-Tipps. Ich kaufte mir
Science-Fiction-Romane, nachdem diese im Report erwähnt worden waren,
und fand, dass die Arbeit eines Science-Fiction-Schriftstellers ungemein
spannend sein musste. Er konnte fremde Welten erfinden und seine Leser
dorthin entführen.
Ich
beschloss, Science Fiction zu veröffentlichen. Vielleicht würde ich in
einigen Jahren so bekannt sein, dass ich zum PERRY RHODAN-Team stoßen
konnte? Immerhin schrieb ich seit Jahren allerlei Geschichten, und meine
Schulaufsätze nach der Art von »mein schönstes Ferienerlebnis« waren
schon immer frei erfunden gewesen. Es konnte also nicht so schwer sein,
eine erste SF-Geschichte zu entwickeln.
Ein Aufenthalt bei einer
Tante brachte im Februar 1979 den entscheidenden Anstoß. Wie immer
langweilte ich mich. Während die Erwachsenen Kaffee tranken, Kuchen aßen
und sich unterhielten, saß ich herum und wusste nicht, was ich tun
sollte. Spazierengehen verbot sich angesichts des Wetters, PERRY
RHODAN-Romanhefte hatte ich – wie sonst immer – ausnahmsweise nicht
dabei. Ich bat um einen Block und einen Kugelschreiber und verzog mich
damit in die Küche. Dort setzte ich mich an den Tisch, dachte gründlich
nach und formulierte die ersten Sätze.
Im Wohnzimmer plärrte der
Schwarzweiß-Fernseher, die Stimmen der Erwachsenen und das Klirren des
Geschirrs waren weit in den Hintergrund gedrängt.
Ich wollte
eine Geschichte schreiben, die originell sein sollte. Was also war das
Gegenteil bisheriger Geschichten? Ich wollte keinen amerikanischen
Raumfahrer als Hauptfigur haben – also nahm ich einen chinesisch
klingenden Namen. Ich wollte nicht aus der Sicht der Menschen erzählen –
also begann ich mit Außerirdischen. Ich fand, dass Aliens auch von
Pflanzen abstammen konnten – also dachte ich mir Pflanzenwesen aus.
Mein
Ideengebilde orientierte sich sehr an dem, was ich üblicherweise las.
Der Raumfahrer träumte von »Mädchen«, es gab Impulskanonen und
telepathische Kontakte – meine bevorzugte Lektüre in jenen Tagen waren
nun einmal PERRY RHODAN-Romane, und die damalige Schreibweise färbte
komplett auf mich ab. Das zeigte sich bei anderen Texten aus jener Zeit,
die teilweise verschollen sind, in weitaus stärkerer Weise.
So
entstand »Auch eine Begegnung der dritten Art«, meine erste
Science-Fiction-Kurzgeschichte. Sie war nur zwei Seiten lang und
erzählerisch sehr schlicht: mit wechselnden Handlungsperspektiven und
ohne den Versuch einer ernsthaften Charakterbeschreibung. Die Geschichte
des Raumfahrers von der Erde, der zum Alpha-Centauri-System vorstößt,
dort auf Pflanzenwesen stößt und von diesen getötet wird, weil diese ihn
für ein Monster halten, fand ich ausreichend lang und klar.
Es
folgten im Verlauf des Jahres weitere Geschichten und Gedichte; ich
experimentierte mit den Genres, versuchte mich an Zeitreisen und sogar
an der Fantasy. Viele Texte sind verschollen, einige wurden
veröffentlicht, aber »Auch eine Begegnung der dritten Art« war der
Anfang für so vieles, was danach kommen sollte.
Später schickte
ich die Geschichte übrigens auch an verschiedene Fanzines, sogar an die
Leserseite der ATLAN-Serie. Glaube ich meinen handschriftlichen Notizen,
wurde sie in der zweiten Ausgabe des Fanzines »Denebola« (erschien im
Juni 1980 in Vaihingen/Enz) veröffentlicht, ebenso im Band 100 der
zweiten ATLAN-Auflage.
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