Ein Logbuch der Redaktion
Wer bei der Überschrift irritiert schaut, dem geht es wie mir bis vor
wenigen Tagen: Was ist eigentlich ein Literatur-Camp? Oder, um es
korrekter zu sagen: Was ist das #litcamp16? So zumindest schreibt man es
korrekt, wenn die Veranstaltung beim Kurznachrichtendienst Twitter
erwähnt wird.
Ich versuche es mit Zahlen: 160 Personen treffen
sich in einem Gebäude in Heidelberg, sie trinken 800 Tassen Kaffee,
schreiben über 6000 Tweets – also Kurznachrichten bei Twitter – und
veranstalten 65 Sessions. Eine Session kann ein Vortrag sein, ebensogut
eine Diskussionsrunde, ist im wesentlichen also ein Programmpunkt.
Anders
gesagt: Das Literatur-Camp in Heidelberg war eine Veranstaltung für
Menschen, die sich für Literatur interessieren, die schreiben und lesen
und produzieren und die darüber reden möchten. So fanden sich Autoren
und Bloggerinnen, Journalistinnen und Web-Designer,
E-Book-Vertriebsleute, Übersetzer, Verlagsleute und »ganz normale«
Literaturfreunde ein.
Ich selbst fuhr am Samstag morgen, 11.
Juni, in Karlsruhe los. Den Veranstaltungsraum fanden meine Mitfahrerin
und ich recht schnell, dort benötigte ich einige Zeit, um mich zu
akklimatisieren. Der Eintritt kostete 20 Euro für die zwei Tage,
Getränke und Essen waren dank vieler Sponsoren ebenso im Preis enthalten
wie die Technik und eine Tüte mit allerlei Verlagsgeschenken. Für das,
was man geboten bekommt, finde ich das immer noch unglaublich preiswert.
Es
gab eine kleine Vorstellungsrunde, bei der jeder nur wenige Worte sagen
durfte, dann wurden die Sessions geplant. Was das heißt, erfuhr ich bei
dieser Gelegenheit zum ersten Mal. Man füllte ein Formular aus, stellte
danach seine Session kurz der gesamten Versammlung vor. Die
Organisatoren schauten, wie viele sich für welche Session
interessierten, und verteilten anschließend die Sessions auf die
jeweiligen Zeitfenster und Räume.
Und so saß ich bereits am
Vormittag – zusammen mit zwei, drei Dutzend anderen Leuten – in einem
Raum, um mich über das »Schreiben für Computerspiele« informieren zu
lassen. Das Ganze dauerte maximal eine Stunde, überziehen durfte
niemand, und die Zeitpläne wurden eisern eingehalten.
In der
Mittagspause unterhielt ich mich mit vielen Leuten, bevor ich eine
Session über das »Schreiben über Behinderung« besuchte. Danach war ich
selbst dran. Meine Session »Von Print zu Digital« schilderte die
Entwicklung der PERRY RHODAN-Serie vom ausschließlich gedruckten
Heftroman zum multimedialen Thema. Die zwei Dutzend Besucher hörten
interessiert zu, stellten viele Fragen, diskutierten auch.
Meine
zweite Session war nicht so gut besucht: »Wie arbeitet man mit
Autorenteams?«, so lautete meine Frage, und wir waren zu fünft und
später zu sechst. Dafür fand ich die Gesprächsrunde, die sich dann
ausbildete, sehr interessant.
Danach saß ich in keiner
Veranstaltung mehr, sondern unterhielt mich vor allem mit anderen
Besuchern. Das »Netzwerken« empfand ich als den spannendsten Teil der
Veranstaltung – wie bei einem Science-Fiction-Con unterhält man sich mit
Leuten, die ähnliche Themen spannend finden wie man selbst. Und wie
immer ist zu wenig Zeit vorhanden, um mit allen zu sprechen.
Ich
fuhr abends nach Hause. Viele Teilnehmer besuchten noch die
Abendvorträge, die eher unterhaltsam und weniger informativ waren, um
hinterher bei Bier und Wein bis spät in die Nacht zusammenzusitzen. Am
Sonntag morgen, 12. Juni 2016, sahen einige auch entsprechend müde aus.
Da
ich von der technischen Seite eines E-Books nicht so viel verstehe – um
es zurückhaltend zu formulieren –, fand ich einen Vortrag höchst
interessant, in dem den Zuhörern erklärt wurde, was es mit dem Format
epub 3 auf sich hat: Was kann man damit machen, welche Möglichkeiten
gibt es, und – vor allem! – wieviel kostet eine solche E-Book-Produktion
eigentlich?
Für mich als Redakteur war eine Session mit der
Bestsellerautorin Nina George besonders interessant. »Das
Lavendelzimmer« war ihr größter Erfolg, mit diesem Buch wurde sie zu
einer international bekannten Schriftstellerin. Auf dem Literatur-Camp
zeigte sie, wie man mithilfe einer »Figurenaufstellung« einen Roman und
seine Figuren konzipieren kann. Bei diesem Programmpunkt wurden
Teilnehmer zu Romanfiguren (ich war zeitweise Harry Potter), und es
wurde allgemein sehr viel gelacht.
In zwei weiteren Sessions,
die ich besuchte, ging es um Literatur-Blogs, von denen es im deutschen
Sprachraum immer mehr gibt. Fachleute gehen von über tausend Blogs aus,
die sich mit Literatur beschäftigen, und für die Verlage werden diese
Blogs zu immer wichtigeren Marketingpartnern. Wie sehr gehen Verlage und
Blogger aufeinander zu, und wie kann eine mögliche Professionalisierung
aussehen? Es wurde viel diskutiert, ich beteiligte mich auch
gelegentlich mit meiner Meinung – in diesem Fall aus Sicht eines
Verlagsredakteurs.
Als ich am frühen Sonntagabend die Heimreise
antrat, war ich voller Ideen, neuer Kontakte und weitergehenden
Überlegungen. Das Literatur-Camp hatte mich richtiggehend beflügelt, und
ich war mir sicher, dass sich einige dieser Gespräche auch in der
Arbeit von und mit PERRY RHODAN niederschlagen werden: nicht in diesem
Jahr vielleicht, aber in naher Zukunft.
Vor allem hatte mir
gefallen, wie viele unterschiedliche Menschen an diesem Camp teilnahmen
und wie positiv die Stimmung war. Wer sich davon überzeugen möchte, kann
im Netz eine schöne Bildergalerie oder einen kurzen Youtube-Film anschauen, die mehr dazu aussagen.
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