24 September 2015

Neue Taschenbuch-Autoren und Klassiker

Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«

In den frühen 90er-Jahren zählte die Arbeit an den PERRY RHODAN-Taschenbüchern zu einer wichtigen Tätigkeit des Redakteurs. Ich hatte dabei viel mit dem Heyne-Verlag und seiner Redaktion sowie Herstellung zu tun, ebenso aber mit den PERRY RHODAN-Autoren. Bei der letzten Folge meiner Kolumnenreihe schrieb ich genauer darüber – diesmal geht's mir um die »freien Autoren«.

Bei den Teamautoren, die ohnehin schon zum Stamm gehörten, konnte ich mich als Redakteur darauf verlassen, dass sie zum vereinbarten Termin den passenden Umfang und die erwünschte Qualität lieferten. Aber wie lief das im Sommer und Herbst 1995 beispielsweise mit Neulingen? Bekamen die zu dieser Zeit überhaupt eine Chance?

In der Tat suchte ich nach neuen Talenten. Autoren wie Götz Roderer (seinen Roman »Halo 1146« veröffentlichte ich 1994) und Rainer Castor (sein Roman »Für Arkons Ehre« kam im Frühjahr 1996 heraus) belegten deutlich, dass wir Neulinge durchaus eine Chance gaben – dann nämlich, wenn sie gut waren und ihr Manuskript in die Reihe passte.

Tatsächlich ging es mir zu diesem Zeitpunkt wie vielen anderen Verlagsleuten: Monat für Monat trafen Manuskripte in der Redaktion ein, die aus verschiedenen Gründen nicht geeignet waren. Wir prüften sie alle; meist schaute Sabine Bretzinger hinein, ebenso oft ich. Wir schauten alle Manuskripte an, wir versuchten stets, uns einen möglichst guten Überblick zu verschaffen.

Allerdings gab es Werke, bei denen ersparten wir uns rasch eine längere Lektüre. Ich formulierte es im Herbst 1995 in einem Artikel für den PERRY RHODAN-Report folgendermaßen: »Wer es als Autor schafft, auf der ersten Seite ein Sammelsurium an Rechtschreib-, Komma- und Grammatik-Fehler anzuhäufen, das ganze mit haarsträubenden Dialogen und einem saumäßigen Ausdruck zu garnieren, der kann sicher sein, dass die Redaktion sich die Tortur nicht antun wird, das Manuskript ernsthaft zu prüfen.«

Leider gab es immer wieder Manuskripte, die nicht sehr ansprechend waren. Alle anderen Manuskripte wurden aber eingehend betrachtet und – wenn möglich – sogar komplett gelesen.

Ließ der Autor – trotz einer Ablehnung – Talent erkennen, bekam er üblicherweise einen Brief,  in dem die Ablehnung  begründet wurde. Auf dieser Basis konnte er ja selbst weiterarbeiten; oft waren die eingereichten Manuskripte nicht schlecht, würden sich gut in einer Fanzine-Reihe machen, fanden aber keinen Platz innerhalb der PERRY RHODAN-Taschenbücher.

Gelegentlich kam es vor, dass ein Manuskript aus der Schreibmaschine eines unbekannten Schriftstellers dabei war, das aus der Masse herausragte und nach einer gründlichen Bearbeitung veröffentlicht werden konnte. Somit versuchten wir zu dieser Zeit, vor allem aktuelle Romane unserer Teamautoren zu veröffentlichen, aber immer wieder neuen Autoren eine Chance zu geben.

Darüber hinaus beschäftigten sich Sabine Bretzinger und ich zu dieser Zeit auch mit »alten« Taschenbüchern. Wir hatten sie als PERRY RHODAN-Klassiker bezeichnet, damit die Unterscheidung jedem Kunden klar wurde. Bei der Planung waren einige Änderungen nötig geworden, die sicher nicht allen Fans Spaß bereiteten, die wir aber für notwendig hielten.

So ließen wir neue Titelbilder schaffen. Den Heyne-Leuten war es in den 90er-Jahren sehr wichtig, die PERRY RHODAN-Taschenbücher in einer einheitlich wirkenden Gestaltung auf dem hart umkämpften Markt zu positionieren. Die Titelbilder machten in diesem Zusammenhang viel aus; man wollte bei  nachgedruckten wie neuen Romanen einen einheitlichen Stil und eine modernere Optik.

Ähnliches galt für die Titel, Untertitel und Klappentexte. Selbstverständlich änderten wir die Titel nicht; die Untertitel und die Klappentexte sollten sich jedoch der üblichen Heyne-Gestaltung annähern. Also verfasste ich komplett neue Klappentexte für die PERRY RHODAN-Klassiker, während die Untertitel zum Teil variiert wurden.

Für mich war es klar: Mit einer Zeile wie »ein utopisch-phantastischer Roman« lockte man im Jahr 1995 keinen »neuen Leser« mehr hinter dem Ofen vor – und teilweise waren die Untertitel für die Heyne-Leute einfach zu lang. Die Änderungen versuchte ich so kosmetisch wie möglich zu machen, letztlich wurde aber die klassische Ausgabe ein wenig aufgefrischt.

Ähnliches galt für den Inhalt. Stilistisch änderte ich so gut wie nichts; meine Arbeit bezog sich auf behutsame Korrekturen. Ich versuchte also nicht, irgendwelche Handlungsbögen zu ändern oder die Inhalte zu modernisieren; ich blieb extrem zurückhaltend.

Hans Kneifel redigierte seine klassischen Taschenbücher übrigens selbst nach. Der Autor, mit dem ich zu dieser Zeit auch wegen der ATLAN-Zeitabenteuer intensiv arbeitete, setzte sich hin, schaute seine alten Werke durch und nahm zahlreiche Änderungen vor.

Unser Ziel war, dass niemand etwas von den Lektoraten merkte, der die Romane »einfach so« las. Den Geist der klassischen PERRY RHODAN-Taschenbücher wollten wir auf jeden Fall erhalten. Dass bereits im Oktober 1996 der Schlussgong für die Heyne-Zusammenarbeit läuten sollte, war zu jener Zeit nicht absehbar, ebensowenig, dass es einige Jahre später bald weitergehen würde ...

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