Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
In den frühen 90er-Jahren zählte die Arbeit an den PERRY
RHODAN-Taschenbüchern zu einer wichtigen Tätigkeit des Redakteurs. Ich
hatte dabei viel mit dem Heyne-Verlag und seiner Redaktion sowie
Herstellung zu tun, ebenso aber mit den PERRY RHODAN-Autoren. Bei der
letzten Folge meiner Kolumnenreihe schrieb ich genauer darüber – diesmal
geht's mir um die »freien Autoren«.
Bei den Teamautoren, die
ohnehin schon zum Stamm gehörten, konnte ich mich als Redakteur darauf
verlassen, dass sie zum vereinbarten Termin den passenden Umfang und die
erwünschte Qualität lieferten. Aber wie lief das im Sommer und Herbst
1995 beispielsweise mit Neulingen? Bekamen die zu dieser Zeit überhaupt
eine Chance?
In der Tat suchte ich nach neuen Talenten. Autoren wie Götz Roderer (seinen Roman »Halo 1146« veröffentlichte ich 1994) und Rainer Castor
(sein Roman »Für Arkons Ehre« kam im Frühjahr 1996 heraus) belegten
deutlich, dass wir Neulinge durchaus eine Chance gaben – dann nämlich,
wenn sie gut waren und ihr Manuskript in die Reihe passte.
Tatsächlich
ging es mir zu diesem Zeitpunkt wie vielen anderen Verlagsleuten: Monat
für Monat trafen Manuskripte in der Redaktion ein, die aus
verschiedenen Gründen nicht geeignet waren. Wir prüften sie alle; meist
schaute Sabine Bretzinger hinein, ebenso oft ich. Wir schauten alle
Manuskripte an, wir versuchten stets, uns einen möglichst guten
Überblick zu verschaffen.
Allerdings gab es Werke, bei denen
ersparten wir uns rasch eine längere Lektüre. Ich formulierte es im
Herbst 1995 in einem Artikel für den PERRY RHODAN-Report folgendermaßen:
»Wer es als Autor schafft, auf der ersten Seite ein Sammelsurium an
Rechtschreib-, Komma- und Grammatik-Fehler anzuhäufen, das ganze mit
haarsträubenden Dialogen und einem saumäßigen Ausdruck zu garnieren, der
kann sicher sein, dass die Redaktion sich die Tortur nicht antun wird,
das Manuskript ernsthaft zu prüfen.«
Leider gab es immer wieder
Manuskripte, die nicht sehr ansprechend waren. Alle anderen Manuskripte
wurden aber eingehend betrachtet und – wenn möglich – sogar komplett
gelesen.
Ließ der Autor – trotz einer Ablehnung – Talent erkennen, bekam
er üblicherweise einen Brief, in dem die Ablehnung begründet wurde.
Auf dieser Basis konnte er ja selbst weiterarbeiten; oft waren die
eingereichten Manuskripte nicht schlecht, würden sich gut in einer
Fanzine-Reihe machen, fanden aber keinen Platz innerhalb der PERRY
RHODAN-Taschenbücher.
Gelegentlich kam es vor, dass ein
Manuskript aus der Schreibmaschine eines unbekannten Schriftstellers
dabei war, das aus der Masse herausragte und nach einer gründlichen
Bearbeitung veröffentlicht werden konnte. Somit versuchten wir zu dieser
Zeit, vor allem aktuelle Romane unserer Teamautoren zu veröffentlichen,
aber immer wieder neuen Autoren eine Chance zu geben.
Darüber
hinaus beschäftigten sich Sabine Bretzinger und ich zu dieser Zeit auch
mit »alten« Taschenbüchern. Wir hatten sie als PERRY RHODAN-Klassiker
bezeichnet, damit die Unterscheidung jedem Kunden klar wurde. Bei der
Planung waren einige Änderungen nötig geworden, die sicher nicht allen
Fans Spaß bereiteten, die wir aber für notwendig hielten.
So
ließen wir neue Titelbilder schaffen. Den Heyne-Leuten war es in den
90er-Jahren sehr wichtig, die PERRY RHODAN-Taschenbücher in einer
einheitlich wirkenden Gestaltung auf dem hart umkämpften Markt zu
positionieren. Die Titelbilder machten in diesem Zusammenhang viel aus;
man wollte bei nachgedruckten wie neuen Romanen einen einheitlichen
Stil und eine modernere Optik.
Ähnliches galt für die Titel,
Untertitel und Klappentexte. Selbstverständlich änderten wir die Titel
nicht; die Untertitel und die Klappentexte sollten sich jedoch der
üblichen Heyne-Gestaltung annähern. Also verfasste ich komplett neue
Klappentexte für die PERRY RHODAN-Klassiker, während die Untertitel zum
Teil variiert wurden.
Für mich war es klar: Mit einer Zeile wie
»ein utopisch-phantastischer Roman« lockte man im Jahr 1995 keinen
»neuen Leser« mehr hinter dem Ofen vor – und teilweise waren die
Untertitel für die Heyne-Leute einfach zu lang. Die Änderungen versuchte
ich so kosmetisch wie möglich zu machen, letztlich wurde aber die
klassische Ausgabe ein wenig aufgefrischt.
Ähnliches galt für den
Inhalt. Stilistisch änderte ich so gut wie nichts; meine Arbeit bezog
sich auf behutsame Korrekturen. Ich versuchte also nicht, irgendwelche
Handlungsbögen zu ändern oder die Inhalte zu modernisieren; ich blieb
extrem zurückhaltend.
Hans Kneifel
redigierte seine klassischen Taschenbücher übrigens selbst nach. Der
Autor, mit dem ich zu dieser Zeit auch wegen der ATLAN-Zeitabenteuer
intensiv arbeitete, setzte sich hin, schaute seine alten Werke durch und
nahm zahlreiche Änderungen vor.
Unser Ziel war, dass niemand
etwas von den Lektoraten merkte, der die Romane »einfach so« las. Den
Geist der klassischen PERRY RHODAN-Taschenbücher wollten wir auf jeden
Fall erhalten. Dass bereits im Oktober 1996 der Schlussgong für die
Heyne-Zusammenarbeit läuten sollte, war zu jener Zeit nicht absehbar,
ebensowenig, dass es einige Jahre später bald weitergehen würde ...
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen