27 März 2019

Zucht und Hege der Cortez

Aus der Reihe »Der Redakteur erinnert sich«

Als ich am 22. August 1995 versuchte, ein Protokoll zu schreiben, merkte ich, wie schnell ich an meine Grenzen stieß. Ich wollte die abgelaufene Exposékonferenz zusammenfassen, und bei manchen meiner handschriftlichen Notizen wusste ich schon nach einem Tag nicht mehr genau, wie ich sie verschriftlichen sollte.

Ernst Vlcek und Robert Feldhoff als Exposéautoren sowie ich als Redakteur hatten zum ersten Mal ohne Dr. Florian F. Marzin die Handlung für einen neuen Zyklus entworfen. Wir hatten viele der Ideen übernommen, die mir Robert bereits im Frühjahr in Wolfenbüttel erzählt hatte. Noch steckten wir im »Hamamesch«-Zyklus, doch es stand Band 1800 vor der Tür, zu dem wir einen ganz neuen Zyklus eröffnen wollten.

Wir hatten die Protokolle vorheriger Exposébesprechungen betrachtet und uns entschlossen, die bisherigen Gedanken zu dem geplanten »Cortez«-Zyklus – so der Arbeitstitel – großmaßstäblich über Bord zu werfen. Dieses Konzept hatte vor allem auf den Wünschen unseres Chefredakteurs aufgebaut und war teilweise in einem Zweiergespräch zwischen Ernst und Florian entstanden.

Allerdings sahen wir uns in der Pflicht, nachträglich zu einigen von Florians Vorschlägen zu stehen. Aus diesem Grund tauchte immer noch der Begriff »Cortez« in meinem Protokoll auf, der Arbeitsbegriff für die »neuen« Außerirdischen. Wir hatten uns bei vorherigen Besprechungen keine Gedanken darüber gemacht, wie die »Cortez« aussehen sollten. Das sollte nun besser werden, das war unser erklärtes Ziel.

Immerhin hatten wir klar getrennt, wer sich um welche Handlungsebene kümmern würde. Robert Feldhoff würde das gesamte »Thoregon«-Thema vorantreiben, die Geschichte um das Zeitrafferfeld und die Erde, aber auch um die Reise, die Perry Rhodan unternehmen sollte. Ernst Vlcek wollte als Schwerpunkt von der Invasion erzählen, die in der Milchstraße für große Unruhe sorgen sollte – immerhin war er an den ersten »Cortez«-Überlegungen beteiligt gewesen.

Aber das Durcheinander aus alten und neuen Ideen sowie aus einem Konzept, das weder die Autoren noch ich gemocht hatten, und Roberts »Zeitraffer«-Idee hatte sich in einem chaotischen Aufschrieb niedergeschlagen. Mir war schon klar, dass wir das Ergebnis unserer Besprechung noch einmal ändern würden, als ich damit begann, alles »sauber zu schreiben«. Manches passte einfach nicht zusammen.

In meinem Protokoll fand sich immerhin eine Zwischen-Überschrift mit dem schönen Titel »Die Cortez – Zucht und Hege«. Unter diesem Begriff hatten wir ein Konzept für die Invasion zusammengestellt, die den Völkern der Milchstraße drohen sollte. Später sollten daraus die verschiedenen Völker der Tolkander werden; im August 1995 dachten wir noch nicht so weit.

Wir wussten auch nicht, wie Perry Rhodan und seine Gefährten dieser Gefahr eigentlich Herr werden sollten. Wir waren zu dieser Zeit gerade so weit, dass wir vorhatten, die Aktivatorträger von der Menschheit zu trennen. Mit Camelot und der GILGAMESCH – auch das ein Entwurf von Florian – hatten wir Eckpunkte festgelegt, auf denen wir aufbauen konnten. Aber was sollte aus den »Cortez« noch alles entstehen?

»Ausgangspunkt für die Entwicklung sind die Eier«, schrieb ich im Protokoll. »Aus denen entwickeln sich eigentlich nur zwei Hauptrichtungen; die eine nennen wir die Philosophen, die ANDEREN sind Arbeiter, Krieger, Erkunder, Techniker etc.« Die Aufgabe der ANDEREN sei, »die Mutterwerdung der Philosophen zu unterstützen«. Während die Philosophen bei der Geburt sterben sollten, würden die ANDEREN weiterleben.

Das Vorgehen der Cortez-Truppen formulierte ich in meinem Protokoll folgendermaßen: »Die Krieger riegeln teilweise durchaus unbewohnte Planeten ab, mit ganz massiven Kräften. Darauf bauen die Techniker die Brutstätten. Die ›Heiligen Wesen‹ werden von den Kriegern und Technikern sehnsuchtsvoll erwartet.«

Wir wussten zu diesem Zeitpunkt nichts über die »Heiligen«, das war ein Begriff, der sich mir aus meinen Notizen kaum erschloss. Sie sollten die Eier bringen und eine Art von intelligenten Beutelwesen sein.

Wenn aus den Eiern dann ANDERE schlüpfen würden, sollten diese »gleich in die normale Kultur integriert« werden. Ganz anders die Philosophen: Wenn sie schlüpfen, sollten sie sofort auf einen fremden Planeten teleportieren, wo sie dann zu einer neuen Mutter werden könnten. Man müsste sie also »theoretisch nur finden und ausschalten, um die ganze Cortez-Kultur zu erledigen«, notierte ich.

Weiter schrieb ich auf: »Die Philosophen benötigen für ihre Mutterwerdung bewohnte Planeten, als eine Art von Resonanzboden von Milliarden intelligenter Wesen.« Dieser Resonanzboden sollte – in den Gehirnen der Philosophen quasi – eine »Art Mini-Universum« bilden. In diesem wiederum sollte die Mutter heranwachsen.

»Wichtig ist, dass die Mutter quasi immer dieselbe ist«, fügte ich hinzu. Die Philosophen sollten wie ein Datenträger funktionieren, der immer wieder die Erinnerungen der gesamten Cortez-Kultur in die neue Mutter einlegen würden. Diese würde dann von Mal zu Mal größer.

»Auf diese Weise wurde schon mindestens eine Galaxis verwüstet (die unsere Helden auch finden)«, notierte ich sehr knapp in diesem Konzept. Die Mutter werde von Mal zu Mal größer. Ihr Ziel sei, »irgendwann einmal eine Superintelligenz zu werden«.

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