Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Als Sabine Bretzinger – die damals noch nicht Kropp hieß – und ich am
12. Juni 2001 nach Rheda-Wiedenbrück fuhren, hatten wir uns gut
vorbereitet. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete die PERRY RHODAN-Redaktion
seit einigen Jahren mit dem Bertelsmann-Club weiter; jetzt ging es
darum, die Arbeit weiter zu intensivieren. Wir hatten Vorschläge für
Marketing-Aktionen im Gepäck und wollten über neue Buchreihen sprechen.
Wir
reisten mit der Bahn an. Das hieß, dass wir von Karlsruhe bis Dortmund
fuhren, dort in die Bahn nach Gütersloh umstiegen und zuletzt noch mit
einem Bummelzug nach Rheda-Wiedenbrück zuckelten. Weil wir Hunger
hatten, stärkten wir uns in einem eher schlicht wirkenden Imbiss in der
Nähe des Bahnhofs, in dem wir dank unserer »Business-Klamotten« – ich
trug Anzug mit Krawatte, und auch die Kollegin sah sehr seriös aus – ein
wenig aus dem optischen Rahmen fielen.
Dann rollten wir mit dem
Taxi durch die Kleinstadt, erreichten den Sitz des
Bertelsmann-Bereiches, den wir besuchen wollten, und wurden dort sehr
schnell in einen Besprechungsraum geleitet. Uns saßen drei
Vertriebsdamen gegenüber, die innerhalb des »Clubs« für den Vertrieb von
Buchreihen an Abonnenten zuständig waren.
Zu dieser Zeit lief
die PERRY RHODAN-Buchreihe seit Jahren erfolgreich. Das bestätigten uns
die Kolleginnen auf der anderen Seite des Tisches mehrfach. »Die Edition
hat schon über achtzig Bände erreicht, das ist Rekord«, wurde uns klar
gesagt. So eine lange Serie hätte man noch nie betreut. Zudem sei die
Kundentreue beeindruckend: »Wer die PERRY RHODAN-Blaubände abonniert
hat, der bleibt viele Jahre lang ein treuer Abonnent.«
Zuletzt
habe man aber Rückmeldungen von irritierten Lesern erhalten, zum ersten
Mal habe es Kritik gegeben. Die sogenannte Edition Terrania komme
offenbar nicht bei allen Lesern gut an, wir müssten das System ändern.
»Das
haben wir aber gemeinsam besprochen«, erinnerte ich vorsichtig, »und
ich habe gleich gesagt, dass es Kritik geben wird.« Über Jahre hinweg
waren im Bertelsmann-Club immer zwölf Bücher pro Jahr erschienen, also
in jedem Monat ein PERRY RHODAN-Buch. Da wir in einem Jahr aber nur vier
neue Bücher publizierten, war es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis
uns die Bertelsmann-Kollegen einholten.
Mein Vorschlag war vor über
einem Jahr gewesen: »Wir steigen um auf vier Bücher im Jahr.« Die
Blauband-Leser würden unserer Silberband-Edition folgen, aber immer mit
dem Abstand von einem Jahr. Für mich klang das logisch.
Die
Kolleginnen bei Bertelsmann empfanden das aber nicht als sinnvoll. »Wir
brauchen mehr Bücher«, war ihr Argument gewesen. »Die Kunden wollen ein
Buch pro Monat, das sollten wir ihnen auch geben.« Also hatte ich den
Vorschlag unterbreitet, kurzfristig die »Plophos Edition« einzuschieben:
Die vier Titel passten inhaltlich zwischen den Blues- und den
Meister-der-Insel-Zyklus; wir hatten sie recht schnell produziert. Das
war für die Vertriebsleute im Club nicht einfach zu verstehen gewesen,
wohl aber für die Leser.
Als die Kolleginnen und Kollegen aber
weiterhin auf zwölf Bücher im Jahr beharrten, hatte ich einen anderen
Vorschlag entwickelt: Wir präsentierten die Edition Terrania, sprangen
in die moderne Zeit nach Band 2000 und konnten so wieder zwölf Bücher im
Jahr veröffentlichen. Ich hatte einen Brief formuliert, den die
Abonnenten erhalten sollten – dieser war aber nie ausgeliefert worden.
Wir hatten Marketing-Argumente formuliert, die man nie kommunizieren
wollte.
Und nun gab es offenbar Leser, die mit der »modernen«
PERRY RHODAN-Serie nicht klar kamen. Mir leuchtete das ein: »Wir haben
die Leser vor den Kopf gestoßen, zumindest einige.« Aber da die
Vertriebskollegen auf der anderen Seite des Tisches nicht wussten, was
sie verkauften, konnten sie das nicht an die Kunden weiterleiten.
»Die
Leser haben nicht verstanden, warum sie die neue Edition erhalten
haben«, argumentierte ich. »Wir müssen kommunizieren, wir müssen einen
Brief beilegen, in dem wir die Hintergründe darlegen.«
Das fanden die
Kolleginnen nicht gut. Solche Briefe sähe man nicht gern. Man habe die
Erfahrung gemacht, dass Kunden durch solche Briefe eher verunsichert
würden. Wenn Kunden solch einen Brief bekämen, würden sie oft
beschließen, die Buchreihe zu kündigen.
»Und was machen wir jetzt?«, fragten Sabine Bretzinger und ich.
»Wir veröffentlichen wieder zwölf Bücher von der alten Serie«, kam die Antwort der Vertriebskollegen.
»Das
geht aber nicht.« Zum wiederholten Mal erklärte ich, dass wir vier
Bücher im Jahr machten, aber Bertelsmann zwölf Bücher im Jahr haben
wollte.
Mein spontaner Vorschlag klang für mich eindeutig: »Wir
machen vier von den klassischen Büchern, und wir setzen die Edition
Terrania fort. Die können wir dann separat bewerben, und so gibt es neue
Kunden für den Club und unsere PERRY RHODAN-Edition ...«
Alle
sahen mich verwirrt an. Ich versuchte, das Konzept mündlich zu
erläutern, was Sabine und ich uns ausgedacht hatten: »Wir machen zwei
Serien: die klassische PERRY RHODAN-Serie und die Edition Terrania. Für
die Edition Terrania werben wir neue Leser. Das ist doch eine
Win-Win-Situation. Wir sprechen die klassischen Leser weiterhin an, und
wir bekommen neue Leser, die den aktuellen PERRY RHODAN bevorzugen.«
Die verwirrten Blicke wurden nicht weniger.
3 Kommentare:
Habt ihr zum Schluss noch durchgeblickt? Kommt mir vor wie in der ehemaligen Planwirtschaft. Sie wissen nicht was sie wollen sollen, dies aber genau belegt.
Wer hat sich denn zum Schluss durchgesetzt? ;-)
Wie es weitergeht, erzählen ja die Fortsetzungen ...
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