Ein Logbuch der Redaktion
Wenn in diesen Tagen die komplette MYTHOR-Serie in Form von E-Books
veröffentlicht wird, ist dies bereits ihre dritte »Inkarnation«. Ich las
als junger Fantasy- und Science-Fiction-Fan damals die Romane mit
großer Begeisterung, und ich war zu Beginn der Nuller-Jahre als
Redakteur daran beteiligt, den ersten MYTHOR-Zyklus in Form von
gebundenen Büchern erneut zu veröffentlichen.
Bei
MYTHOR handelte es sich nach DRAGON um den zweiten Versuch, eine
Fantasy-Romanheftserie in Deutschland zu etablieren. Im April 1980
erschien der erste MYTHOR-Roman mit dem Titel »Der Sohn des Kometen«,
geschrieben von dem in Fantasy-Kreisen gut bekannten Autoren Hugh
Walker.
Beworben wurden die Romane unter anderem auf den Seiten
von PERRY RHODAN, der größten Science-Fiction-Serie der Welt. Darüber
hinaus wurde Werbung in »Terra Fantasy« gedruckt, der Taschenbuchreihe,
in der Fantasy-Romane verschiedenster Autoren veröffentlicht wurden.
MYTHOR
war zu diesem Zeitpunkt die einzige Serie aus dem deutschsprachigen
Raum, die sich mit Fantasy im klassischen Sinn beschäftigte. Die Autoren
fischten ihre Ideen aus dem Fundus, den es gab: Elemente aus Robert E.
Howards »Conan der Barbar« tauchten ebenso auf wie solche aus J.R.R.
Tolkiens »Herr der Ringe«. Es entwickelte sich ein grandioses Epos
voller Schwert und Magie in einer detaillierten Fantasy-Welt mit
zahlreichen Elementen.
Die Titelbilder waren nicht jedermanns Sache, sind es vor allem heutzutage nicht mehr. Zu Beginn
der 80er-Jahre glaubte man in den Verlagen, man müsste viele Frauen
präsentieren, um Science Fiction und Fantasy erfolgreich verkaufen zu
können. Also wurde auf MYTHOR viel nackte Haut gezeigt, gern im Konflikt
zu fiesen Monstern und tapferen Männern.
Das schadete der Serie
zumindest nicht. Meinen Eltern durfte ich die Romane damals nicht
zeigen, sie hätten sie als kompletten Schund betrachtet. Aber ich las
sie mit riesiger Begeisterung, vor allem die ersten fünfzig Hefte fand
ich toll. Wie Mythor sich als junger Krieger durch die Länder der
Nordhalbkugel schlug – das war großartig. Zwar kamen mir manche Ideen
und Handlungsfolgen bekannt vor, aber das änderte nichts daran, dass
mich die Handlung von Heft zu Heft packte.
Auch der zweite
Zyklus, der den Helden auf die Südhalbkugel der Welt führte, wurde von
mir mit Begeisterung gelesen. Hier gab es allerdings immer wieder
Romane, die ich schwach fand, und so fieberte ich vor allem den
Abenteuern entgegen, die auf der Nordhalbkugel spielten; diese waren
actiongeladen und steckten voller düsterer Magie.
Als Leser hatte
man es nicht leicht mit MYTHOR. Der Preis stieg, die Erscheinungsweise
änderte sich, und die Zykluskonzeption war nicht immer nachvollziehbar –
aber ich blieb dabei. Die Romane in der Dämonenzone und im Schattenland zogen mich weiterhin in den Bann, die Geschichten machten mir Spaß.
Es
entwickelte sich eine eigene Fan-Szene rings um MYTHOR, aus der Spiele
und Geschichten, Fanzines und Clubs entstanden. Viele Autoren und
Grafiker, die heutzutage mit Fantasy erfolgreich sind, sammelten ihre
erste Erfahrungen als MYTHOR-Fans.
Viel zu früh kam im Dezember
1985 das Ende für die Serie. Sie wurde nicht komplett abgeschlossen;
erst später brachte die Zeitschrift »Magira« noch einen letzten Roman
sowie Exposés und Datenblätter. Das fand ich traurig – aber um diese
Zeit hatte die Fantasy-Literatur im deutschsprachigen Raum nicht den
Stellenwert, den sie in den Nuller-Jahren erreichte.
Was bleibt,
ist die Erinnerung an eine packende Fantasy-Serie, die anfangs der
80er-Jahre Maßstäbe setzte. Innenillustrationen und Landkarten machten
die Welt von MYTHOR erst so richtig plastisch, die Autoren lebten sich
teilweise in ihren Figuren und Handlungsorten richtig aus.
Das
alles lässt sich jetzt wieder neu erleben und nachempfinden. MYTHOR ist
wieder da, und ich würde mich sehr freuen, wenn die Serie wieder viele
neue Freunde fände.
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