06 Mai 2022

Gruelfin

Ein Logbuch der Redaktion


Es ist eine Reise über 35 Millionen Lichtjahre hinweg; die MARCO POLO als ein neues Schiff der Terraner transportiert Perry Rhodan und die Besatzung in die ferne Galaxis Gruelfin, der Heimat der menschenähnlichen Cappins. Dort treffen die Terraner auf die Verhältnisse der bislang unbekannten Sterneninsel und sammeln erste Erkenntnisse.

So ließe sich im Prinzip die Handlung des PERRY RHODAN-Buches 50 zusammenfassen. Ich habe das Buch, das im Frühjahr 1995 erschienen ist, dieser Tage als Hörbuch angehört. Es ist meine dritte Begegnung mit den klassischen Romanen nach Band 450: Als Jugendlicher hatte ich sie in einer der Nachauflagen gelesen, als Redakteur hatte ich das Silberband-Manuskript damals kurz durchgearbeitet, nun hörte ich es mir bewusst an.

Es handelt sich ja um den Auftakt einer großen Geschichte: ein terranisches Raumschiff in einer fremden Galaxis, mit an Bord zwei Bewohner dieser Galaxis, die aber seit 200.000 Jahren nicht in der »alten Heimat« waren. Staunend erleben die Menschen an Bord, wie sich die Verhältnisse in Gruelfin darstellen: Sie treffen auf zerstörte Welten, sie lernen einen Wesakeno kennen, sie erfahren immer mehr über die aktuelle politisch-gesellschaftliche Situation.

Das ist streckenweise sehr spannend und fasziniert immer noch. Über manche Dinge darf man vielleicht nicht zu sehr nachdenken. (So wird die Oberfläche einer Welt von den Planetariern mit Atomwaffen bombardiert, damit sie als unbewohnt gilt und die Bewohner im Untergrund ihre Ruhe haben.) Es wird eine fremde Galaxis vorgestellt, es kommt zu Begegnungen mit Außerirdischen, man rettet fremde Lebewesen und wird in Gefechte verwickelt.

Manchmal kommt mir beim Anhören die Art und Weise eher skurril vor, wie man damals die wichtigsten Figuren vorstellte. Roi Danton, der mit Rollschuhen durch ein Raumschiff fährt, fand ich als junger Leser witzig; heute finde ich es eher albern. Hätte man das aber streichen müssen, als man aus den Heftromanen das Buch machte? Sicher nicht.

Informationen werden mündlich verabreicht; neue Offiziere an Bord des Raumschiffes werden vor Ort gefragt, ob sie den Job eigentlich antreten möchten. Es gibt keine Videotelefonate, an das Internet dachte niemand, auch bei der Bearbeitung im Jahr 1994 war das noch eine Vision und keine ernsthafte Realität. Aber auch hier gilt: Hätte man das bearbeiten wollen, hätte man massiv umschreiben müssen. Damit hätte man den Geist der alten Romane verändert.

Immerhin wurde aus den »Männern«, die es an Bord der Raumschiffe in früheren Romanen gab, immer wieder mal »Männer und Frauen«. Die wesentlichen Rollen in der Handlung nehmen aber durchgehend Männer ein; daran änderte die Bearbeitung ebenfalls nichts. Eine solche »Umschreibung« hätte ebenfalls den Charakter der klassischen Romane geradezu verfälscht.

Ich erinnere mich an manche Diskussion, die ich in den 90er-Jahren mit Horst Hoffmann führte. Er war damals für die Bearbeitung der Silberbände zuständig. Wir waren uns einig darüber, dass wir nur behutsam modernisieren würden, weil es ja darum ging, den Klassiker-Status der alten Romane beizubehalten. Wenn ich mir heute das Hörbuch zu Gemüte führe, denke ich trotzdem gelegentlich, dass man an einigen Stellen stärker in den Text hätte eingreifen müssen. Das aber ist sicher Ansichtssache.

Man merkt ohnehin deutlich, von welchen Autoren welche Elemente stammen. Wenn der Kamashite Patulli Lokhoshan beispielsweise in die Handlung eingeführt hat, weiß ich stets, dass dies eine Figur von H. G. Ewers ist. Der Kamashite steckt voller Geheimnisse, seine Gaben sind Perry Rhodan und den anderen noch nicht bekannt, und das wird eindeutig vermittelt. (Man kann davon ausgehen, dass der Autor sich ebenfalls nicht im Klaren darüber war, was er mit dieser Figur noch anstellen wollte …)

Bei Joaquin Manuel Cascal ist stets Hans Kneifel der Urheber, und spielt Alaska Saedelaere eine Rolle, steht William Voltz hinter diesem Auftritt. Es macht heute Spaß, diese unterschiedlichen Gesichtspunkte herauszuhören. Und so ist es für mich eine doppelte Zeitreise, wenn ich die Silber Edition 50 anhöre: Sie geht zurück in meine frühe Zeit als Leser und ebenso in meine Zeit als junger Redakteur.

Spannend. Ich bin sicher, dass heutige Hörer eine andere Spannung empfinden, wenn sie von Perry Rhodans ersten Abenteuern in der Galaxis Gruelfin hören …

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