11 Februar 2016

Raumschiff zu verkaufen

Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«

Zu den Themen, die Arndt Ellmer schon immer interessierten, zählten das Raumschiff BASIS und die geheimnisvolle Hamiller-Tube. Wir hatten bereits in den frühen 90er-Jahren darüber gesprochen, und ich wusste, dass er gern mehr über die BASIS schreiben wollte.

Im Frühjahr 1997 – leider ist der genaue Termin nicht mehr feststellbar – reichte der Autor ein Exposé ein: Es trug den Titel »Raumschiff zu verkaufen« und sollte die Grundlage für einen Roman mit eben diesem Titel werden.

Wie es für Arndt Ellmer stets typisch war, arbeitete er in seinem Exposé sehr exakt; die Daten standen alle schon früh fest. Kein Wunder, dass er präzise einstieg: »Die Entscheidung fällt am 13. Juni 1227 NGZ«, schrieb er. Sein Roman sollte in der Zeit spielen, die zwischen den Bänden 1799 und 1800 lag – also zwischen dem abgelaufenen Hamamesch- und dem neuen Thoregon-Zyklus.

Grundlage für sein Exposé waren wirtschaftliche Überlegungen. Laut seinen Angaben würde eine »Grundsanierung der BASIS« nach ihrem Rückflug von der Großen Leere »mindestens 20 Milliarden Galax« kosten. Zudem: »Selbst eine Billigwerft könnte die Summe von 18 Mrd. kaum unterschreiten.«

Das Exposé listete weitere technische Details auf und stellte klar, dass sich Homer G. Adams persönlich um die Verhandlungen mit den Springern kümmern würde. Diese seien sogar bereit, »ihr Rusuma-System hoch zu verschulden«, so die Argumentation des Autors.

Auf meinen Ausdruck des Exposés kritzelte ich handschriftlich ein »na ja«, weil ich mir das nicht so richtig vorstellen konnte. Genau so argumentierte ich später im Gespräch mit Arndt Ellmer direkt. Niemand von uns hatte zu diesem Zeitpunkt ein klares Bild, wie die wirtschaftlichen Verbindungen innerhalb der – fiktiven – Menschheitsgalaxis funktionieren würden.

Wir sprachen gelegentlich darüber, wie beispielsweise eine Wirtschaftsordnung aussehen würde, wenn rund 300.000 besiedelte Planeten in einem permanenten Austausch von Währungen und Waren stünden. Oder wie würde eine Wirtschaftsordnung funktionieren, wenn die Menschen bis zu 200 Jahre alt werden könnten und es weiterhin eine Verzinsung von vielleicht fünf bis sechs Prozent auf gesparte Guthaben gäbe?

Daraus leiteten sich stets weitere Fragen ab: Wieviel waren in dieser Zukunft denn 20 Milliarden Galax wert? Überstieg ein solcher Wert wirklich die Wirtschaftskraft eines Sonnensystems, dessen Bewohner vor allem von Handel lebten? Weil das alles so unklar war, bat ich Arndt später auch darum, in diesen Punkten absichtlich »schwammig« zu sein.

Klarer war das Exposé in allen Details der weiteren Handlung. Arndt machte klar, welche Intrigen die Springer und die Blues schmieden; was die unterschiedlichen Machtgruppen wirklich mit der BASIS vorhaben sollten, war dem Autor in dieser Phase des Exposés sicher nicht klar.

Von vorneherein hatte der Autor einen »Strohmann« eingeplant. Diesen wollte er immer wieder auftauchen lassen, als immerwährendes Geheimnis gewissermaßen: »Von Anfang bis Ende des Romans durchzieht etwas den Text wie ein Faden«, formulierte er. Dem Leser solle der Eindruck vermittelt werden, dass »da noch jemand ist, den man nicht sieht, der nicht offen agiert und dennoch ständig zugegen scheint«. Das klang geheimnisvoll, das fand ich bei der Lektüre interessant.

Eine meiner handschriftlichen Notizen belegt das: »Der Strohmann könnte cooler Doppelagent plus Marionette zugleich sein« krakelte ich an den unteren Rand der Seite. Darüber hinaus schlug ich in einer weiteren Kritzel-Notiz vor: »Roman endet mit: ›Besuch für dich. Ein gewisser Tizian Granett ...‹ Oder so!«

Der Autor machte sich so konkrete Gedanken über die Wirtschaftlichkeit und die Figuren in seinem Roman. Ebenfalls war ihm klar, welchen Planeten er als Schauplatz der Handlung haben wollte: »Zudem ist das Sonnensystem mit Stiftermann III praktisch Niemandsland, also der richtige Ort für Leute, die unter sich bleiben wollen«, stand auf der dritten Seite seines Konzeptes.

Ich fand das alles überzeugend. Ich war zudem sicher, dass sich viele Leser für die BASIS und ihre Entwicklung interessieren würden. Also sprach ich bei einem Arndt-Ellmer-Besuch in der Redaktion das Exposé mit dem Autor durch. Wir vereinbarten, dass er auf Basis dieses Exposés ein Taschenbuch schreiben sollte.

Ich plante es mit der Bandnummer 410 ein, es sollte im Januar 1998 in den Buchhandel kommen. Dem Kollegen nannte ich den 30. August 1997 als Abgabetermin.

Tatsächlich erschien der Roman zum genannten Termin und unter dem geplanten Titel in der PERRY RHODAN-Reihe. Die Taschenbücher wurden zu jener Zeit im Burgschmiet-Verlag veröffentlicht und zeichneten sich durch eine eher ungewöhnliche Titelgestaltung aus.

Die Handlung hatte der Autor auf das Jahr 1229 festgelegt; als Kosten für die Modernisierung der BASIS nannte er jetzt 200 Milliarden Galax – das wirkte glaubhafter als die zuvor genannten Summen. Sein Taschenbuch schuf eine neue »inhaltliche Heimat« für die BASIS und legte somit den Grundstock für weitere Abenteuer, die auf diesem Schiff spielen sollten: So wurden später sogar Rollenspiel-Abenteuer verfasst, die als Handlungsort die BASIS hatten. Aber das war bereits gut zehn Jahre danach ...

1 Kommentar:

J. hat gesagt…

Dieses Beispiel zeigt wie schade es ist, dass es die Taschenbücher leider nicht mehr gibt. Dort konnten die Autoren auch mal auf Details eingehen für die es heute leider keinen Platz mehr gibt. Was das Perryversum leider eindimensionaler macht, da man ausser der Hauptgeschichte nur noch ganz wenige weitere Bruchstücke zu lesen bekommt :-(