Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Das Oster-Wochenende des Jahres 1981 stand für mich im Zeichen eines
Science-Fiction-Treffens – ich war zu diesem Zweck extra nach Bamberg
gefahren. Dort hatten die Mitglieder des
Science-Fiction-Korrespondenz-Rings am Freitagabend lange getagt und vor
allem zu vorgerückter Stunde ziemlich viel Bier getrunken. Entsprechend
müde waren wir alle am nächsten Morgen.
In der Fan-Wohnung, wo
ich auf dem Fußboden und im Schlafsack übernachtet hatte, gab es ein
kleines Frühstück für alle Gäste, dann brachen wir in die Innenstadt
auf. Dort sorgte ich wohl ein wenig für Aufsehen: In diesem Jahr hatte
ich damit angefangen, mir eine Krawatte als Stirnband um den Kopf zu
wickeln. Das fand ich unglaublich »cool« – den Ausdruck benutzte man
damals allerdings nicht –, und ich mochte vor allem die irritierten
Blicke, die mir Passanten zuwarfen.
Bei verschiedenen Cons in
diesem Jahr lief ich mit entsprechender Optik auf, was dazu führte, dass
sich viele Leute die Krawatte und den dazu gehörenden Jung-Fan merkten.
Damit war das Ziel erreicht: Ich wollte, dass die Leuten wussten, wer
ich bin. (Im Nachhinein würde ich sagen: Für einen 17 Jahre alten
Jugendlichen ist auffälliges Verhalten ziemlich normal ... was meine
heutige Toleranz gegenüber Teenager-Torheiten hoffentlich verständlich
macht.)
Am frühen Nachmittag setzten wir in der bereits bekannten
Gastwirtschaft die Jahresversammlung des Vereins fort. Das ging
erstaunlich schnell; die Formalitäten wurden abgearbeitet, der neue
Vorstand wurde gewählt, der alte Vorstand entlastet, über Science
Fiction redeten wir eigentlich gar nicht.
Später besuchten wir
einen der Fans aus Bamberg. Er war schon »ein wenig älter«, was damals
für mich hieß, dass er knapp über zwanzig Jahre alt war, und wohnte bei
seinen Eltern. Sein Jugendzimmer war für mich faszinierend: Um das Bett
erstreckte sich in einem riesigen Halbkreis ein Berg von Romanheften,
Büchern, Comics und Musik-Cassetten. Wollte er ins Bett und sich
schlafen legen, musste er wirklich über diesen Ring hinweg steigen ...
Seine
Mutter schien die Optik nicht so sehr zu mögen, er war damit sehr
zufrieden. Da könne er sich immer dann, wenn er wolle, irgendeinen PERRY
RHODAN-Roman oder ein Taschenbuch aus dem Stapel fischen und lesen. (Er
war einer der Fans, die ich in jenen Jahren kennenlernte, die die Serie
nicht in der »richtigen Reihenfolge« lasen, sondern immer mal wieder
einen einzelnen Roman. Für mich war das unverständlich, aber er mochte
es, wenn ihn die Romane besonders überraschten.)
Der Nachmittag
verging mit weiterem Unfug, der nichts mit Science Fiction zu tun hatte.
Wir waren eine Bande von Jugendlichen, die in einer fremden Stadt
herumstromerten, zumindest die Fans, mit denen ich unterwegs war. So
verbrachten wir längere Zeit in einer »Spielhölle«, wo wir flipperten
oder Tischfußball spielten.
Am frühen Abend gingen wir noch
einmal in die Kneipe, die als »Con-Lokal« diente. Eigentlich war
geplant, ein weiteres Mal ernsthaft zu arbeiten. Der
Science-Fiction-Korrespondenz-Ring sollte stabilisiert werden, es
mussten neue Vorstandsposten besetzt, Arbeitsgruppen eingerichtet und
Redaktionsstellen für die Fanzines eingeführt werden. Aber recht schnell
setzte sich die »Spaßfraktion« durch. Es wurde viel Bier getrunken und
geblödelt. Auch an diesem Abend hielt sich der Science-Fiction-Anteil an
diesem Con schwer in Grenzen.
Zu vorgerückter Stunde verteilten
wir uns auf die unterschiedlichen Wohnungen. In dem Zimmer, das als
meine Schlafstelle diente, lag ein Stapel ein Zeitschriften herum. Ich
nahm mir die Lektüre der »Playboy«-Hefte vor; solche Hefte kannte ich
bislang nur vom Hörensagen. Parallel dazu liefen die Diskussionen ab, an
denen ich mich immer beteiligte; sie sprangen kreuz und quer durch die
Räume, dabei wurden immer wieder aktuelle Science-Fiction-Filme oder
-Romane thematisiert. Irgendwann schliefen dann alle Fans.
Dass
wir uns am nächsten Tag zum dritten Mal in derselben Gaststätte trafen,
fand ich toll. Da kannte ich mich bereits aus, und es ergab sich eine
sehr amüsante Abschiedsrunde. Eigentlich wurde nur noch gegessen,
getrunken und geblödelt; über Science Fiction und andere ernsthafte
Themen wurde nicht mehr gesprochen.
Nach einer ereignislosen
Heimfahrt und einigen recht normalen Arbeitstagen – ich jobbte damals
neben der Schule in einem Supermarkt und an einer Tankstelle – setzte
ich mich an die Schreibmaschine und verfasste einen Bericht über das
Wochenende. Wie es sich für einen Con-Bericht in dieser frühen Phase
meiner Fan-Laufbahn gehörte, zählte ich vor allem auf, wieviel Bier
getrunken und wieviel geflippert worden war.
Mein Bericht
erschien in meinem eigenen Ego-Fanzine, ich unterschrieb ihn mit »Klaus
N. Münchhausen«, womit klar war, dass Teile der sogenannten
Berichterstattung mehr Blödsinn als Realität waren. Seriösere Berichte
wurden im internen Fanzine des Science-Fiction-Korrespondenz-Rings
veröffentlicht; dort wurde auch über die Vorstandswahlen informiert.
Aber meine Sicht der Dinge entsprach meiner eigenen Wahrnehmung.
Schaue
ich einigermaßen realistisch auf diesen Con zurück, bleibt als Fazit,
dass er unter ernsthaften Gesichtspunkten unwichtig war. Für einen
jungen Fan wie mich bildete er aber einen wichtigen Schritt in die
»richtige« Richtung: hinaus in die Fan-Szene, hin zu neuen Kontakten und
vor allem frischen Ideen ...
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