Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Im Frühjahr 1980 hielt ich mich für einen ziemlich guten
Science-Fiction-Autor: Meine ersten Kurzgeschichten waren in
Fan-Zeitschriften erschienen und hatten relativ gute Kritiken erhalten.
Die erste Ausgabe meines Fanzines SAGITTARIUS lag vor und war bei vielen
Lesern ebenfalls gut angekommen, so gut sogar, dass ich bei der
folgenden Nummer gleich einmal die Druckauflage verdoppeln musste.
Meiner geplanten Karriere als Autor schien nichts mehr im Weg zu stehen.
Einer der Fans, mit denen ich zu jener Zeit eifrig
korrespondierte, war Michael Adrian. Zwar war er etwas jünger als ich,
aber er schien in Sachen Science Fiction viel weiter zu sein. Beiträge
von ihm erschienen im PERRY RHODAN-Report, und es sah so aus, als sei er
derjenige – und nicht ich! –, dem eine Karriere als Autor bevorstünde.
Als einer der zwei Herausgeber des Fanzines »solis orbita« hatte er
bereits den Kontakt zu vielen Profis aufgenommen, was dazu führte, dass
Filmemacher und Schriftsteller von Rang und Namen neben Amateuren wie
mir veröffentlicht wurden.
Michael Adrian schlug mir irgendwann
vor, einige meiner Kurzgeschichten an ihn zu senden. Es gäbe da einen
Literaturagenten, einen gewissen Michael Nagula, der bei ihm in der Nähe
wohne. Man habe sich schon getroffen, und man wolle enger
zusammenarbeiten. Dieser Michael Nagula sei damit beauftragt worden,
Kurzgeschichten für das boomende PERRY RHODAN-Magazin zu suchen. Und
meine Texte seien dafür auch gut geeignet; ich sei schließlich jung und
habe Talent.
Selbstverständlich war ich sehr geschmeichelt und
reagierte rasch. Ich tat mich ein wenig schwer damit, die richtigen
Kurzgeschichten auszuwählen, und nahm dann drei Texte in die engere
Auswahl, die ich allesamt gut fand. Bei zweien war ich sehr provokant –
so provokant zumindest, wie man ist, wenn man gerade mal 16 Jahre alt
geworden ist. In der einen Geschichte ging es um Adolf Hitler, den es in
ein seltsames Kontinuum verschlagen hat, in der anderen Geschichte
empfängt Mohammed seine Prophezeiungen. Als junger Autor wollte ich
gleich mit einigen echten Knallern auf mich aufmerksam machen.
Ich
tippte die drei Geschichten noch einmal ordentlich ab – es gab ja keine
Computer und vor allem keine bequemen Textprogramme –, ging in den
örtlichen Supermarkt, wo es einen der wenigen Kopierautomaten der Stadt
gab, und schickte die Kopien an Michael Adrian. Der gab sie bei einer
seiner Begegnungen an Michael Nagula weiter. Ich hatte keine echte
Vorstellung von der Arbeit eines Literaturagenten, obwohl zu der Zeit
erstmals in Fanzines darüber berichtet wurde, und ich stellte mir Nagula
als einen würdigen älteren Herrn vor. Damals war er übrigens Mitte
zwanzig ...
Es dauerte nicht lang, und ich erhielt eine Antwort,
wieder von Michael Adrian: Ich kommunizierte die ganze Zeit über mit dem
einen Michael über den anderen. Man hatte eine meiner Kurzgeschichten
für das PERRY RHODAN-Magazin akzeptiert. Meine Story über Mohammed
sollte unter der Rubrik »junge Science Fiction« in der Oktober-Ausgabe
des Magazins erscheinen, ausgerechnet in dem Heft, das zum PERRY
RHODAN-WeltCon in den Handel kommen sollte.
Ich war unglaublich
stolz! Es ging mir nicht einmal so sehr um das Honorar, was nicht
schlecht war, sondern vor allem darum, dass ich im damals größten und
wichtigsten Heft für Science Fiction veröffentlicht wurde. Wie es sich
gehörte, erzählte ich das allen möglichen Leuten, darunter meinen
Schulfreunden – zu der Zeit ging ich noch in die zehnte Klasse des
Gymnasiums, hatte aber bereits eine Lehrstelle in Aussicht und würde die
Schule zum Sommer verlassen.
Im Schulbus berichtete ich von
meinem Triumph: »Ich habe eine Kurzgeschichte verkauft, über einen
Agenten.« Unter dem Begriff »Agent« konnte sich zu dem Zeitpunkt kaum
jemand etwas vorstellen; alle assoziierten einen Geheimagenten à la
James Bond damit. Und recht schnell bekam ich ein Spottlied geträllert,
die ganze Fahrt vom Kleinstadt-Gymnasium hinaus ins heimatliche
Schwarzwalddorf: »Klaus hat einen Agenten, Klaus hat einen Agenten ...«
Zähneknirschend ließ ich es über mich ergehen, schließlich wusste ich zu
dem Zeitpunkt, dass ich meine Karriere als international erfolgreicher
Schriftsteller eingeleitet hatte.
Zuvor aber wurde die Geschichte
publiziert, und ich war noch stolzer als vorher. Das Honorar erhielt
ich ebenfalls, ich investierte es sinnvoll in
Science-Fiction-Taschenbücher und Musik-Kassetten. Das gedruckte Heft
mit meiner Geschichte zeigte ich mehreren Leuten in meiner Kleinstadt,
die das seltsamerweise nicht ganz so beeindruckend fanden wie ich
selbst.
Und dann kam der PERRY RHODAN-WeltCon in Mannheim. Ich
musste zum ersten Mal in meinem Leben tatsächlich einige Autogramme
geben, weil das Heft mit meiner Geschichte ganz frisch im Handel war,
und das war der Zeitpunkt, an dem ich endgültig glaubte, die Welt als
Schriftsteller stünde mir offen.
Aber der PERRY RHODAN-WeltCon
ist eine ganz andere Geschichte. Auf diese werde ich noch einmal genauer
eingehen. Dort lernte ich auf jeden Fall Michael Adrian kennen, den ich
seitdem nie wieder gesehen habe; zu einem Kennenlernen mit Michael
Nagula kam es erst Jahre später. Und dass Nagula und ich einmal in den
Nuller-Jahren bei PERRY RHODAN zusammenarbeiten sollten, hätten wir uns
beide niemals vorstellen können ...
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