01 Februar 2013

Zwei Michaels und ein Prophet

Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«

Im Frühjahr 1980 hielt ich mich für einen ziemlich guten Science-Fiction-Autor: Meine ersten Kurzgeschichten waren in Fan-Zeitschriften erschienen und hatten relativ gute Kritiken erhalten. Die erste Ausgabe meines Fanzines SAGITTARIUS lag vor und war bei vielen Lesern ebenfalls gut angekommen, so gut sogar, dass ich bei der folgenden Nummer gleich einmal die Druckauflage verdoppeln musste. Meiner geplanten Karriere als Autor schien nichts mehr im Weg zu stehen.

Einer der Fans, mit denen ich zu jener Zeit eifrig korrespondierte, war Michael Adrian. Zwar war er etwas jünger als ich, aber er schien in Sachen Science Fiction viel weiter zu sein. Beiträge von ihm erschienen im PERRY RHODAN-Report, und es sah so aus, als sei er derjenige – und nicht ich! –, dem eine Karriere als Autor bevorstünde. Als einer der zwei Herausgeber des Fanzines »solis orbita« hatte er bereits den Kontakt zu vielen Profis aufgenommen, was dazu führte, dass Filmemacher und Schriftsteller von Rang und Namen neben Amateuren wie mir veröffentlicht wurden.

Michael Adrian schlug mir irgendwann vor, einige meiner Kurzgeschichten an ihn zu senden. Es gäbe da einen Literaturagenten, einen gewissen Michael Nagula, der bei ihm in der Nähe wohne. Man habe sich schon getroffen, und man wolle enger zusammenarbeiten. Dieser Michael Nagula sei damit beauftragt worden, Kurzgeschichten für das boomende PERRY RHODAN-Magazin zu suchen. Und meine Texte seien dafür auch gut geeignet; ich sei schließlich jung und habe Talent.

Selbstverständlich war ich sehr geschmeichelt und reagierte rasch. Ich tat mich ein wenig schwer damit, die richtigen Kurzgeschichten auszuwählen, und nahm dann drei Texte in die engere Auswahl, die ich allesamt gut fand. Bei zweien war ich sehr provokant – so provokant zumindest, wie man ist, wenn man gerade mal 16 Jahre alt geworden ist. In der einen Geschichte ging es um Adolf Hitler, den es in ein seltsames Kontinuum verschlagen hat, in der anderen Geschichte empfängt Mohammed seine Prophezeiungen. Als junger Autor wollte ich gleich mit einigen echten Knallern auf mich aufmerksam machen.

Ich tippte die drei Geschichten noch einmal ordentlich ab – es gab ja keine Computer und vor allem keine bequemen Textprogramme –, ging in den örtlichen Supermarkt, wo es einen der wenigen Kopierautomaten der Stadt gab, und schickte die Kopien an Michael Adrian. Der gab sie bei einer seiner Begegnungen an Michael Nagula weiter. Ich hatte keine echte Vorstellung von der Arbeit eines Literaturagenten, obwohl zu der Zeit erstmals in Fanzines darüber berichtet wurde, und ich stellte mir Nagula als einen würdigen älteren Herrn vor. Damals war er übrigens Mitte zwanzig ...

Es dauerte nicht lang, und ich erhielt eine Antwort, wieder von Michael Adrian: Ich kommunizierte die ganze Zeit über mit dem einen Michael über den anderen. Man hatte eine meiner Kurzgeschichten für das PERRY RHODAN-Magazin akzeptiert. Meine Story über Mohammed sollte unter der Rubrik »junge Science Fiction« in der Oktober-Ausgabe des Magazins erscheinen, ausgerechnet in dem Heft, das zum PERRY RHODAN-WeltCon in den Handel kommen sollte.

Ich war unglaublich stolz! Es ging mir nicht einmal so sehr um das Honorar, was nicht schlecht war, sondern vor allem darum, dass ich im damals größten und wichtigsten Heft für Science Fiction veröffentlicht wurde. Wie es sich gehörte, erzählte ich das allen möglichen Leuten, darunter meinen Schulfreunden – zu der Zeit ging ich noch in die zehnte Klasse des Gymnasiums, hatte aber bereits eine Lehrstelle in Aussicht und würde die Schule zum Sommer verlassen.

Im Schulbus berichtete ich von meinem Triumph: »Ich habe eine Kurzgeschichte verkauft, über einen Agenten.« Unter dem Begriff »Agent« konnte sich zu dem Zeitpunkt kaum jemand etwas vorstellen; alle assoziierten einen Geheimagenten à la James Bond damit. Und recht schnell bekam  ich ein Spottlied geträllert, die ganze Fahrt vom Kleinstadt-Gymnasium hinaus ins heimatliche Schwarzwalddorf: »Klaus hat einen Agenten, Klaus hat einen Agenten ...« Zähneknirschend ließ ich es über mich ergehen, schließlich wusste ich zu dem Zeitpunkt, dass ich meine Karriere als international erfolgreicher Schriftsteller eingeleitet hatte.

Zuvor aber wurde die Geschichte publiziert, und ich war noch stolzer als vorher. Das Honorar erhielt ich ebenfalls, ich investierte es sinnvoll in Science-Fiction-Taschenbücher und Musik-Kassetten. Das gedruckte Heft mit meiner Geschichte zeigte ich mehreren Leuten in meiner Kleinstadt, die das seltsamerweise nicht ganz so beeindruckend fanden wie ich selbst.

Und dann kam der PERRY RHODAN-WeltCon in Mannheim. Ich musste zum ersten Mal in meinem Leben tatsächlich einige Autogramme geben, weil das Heft mit meiner Geschichte ganz frisch im Handel war, und das war der Zeitpunkt, an dem ich endgültig glaubte, die Welt als Schriftsteller stünde mir offen.

Aber der PERRY RHODAN-WeltCon ist eine ganz andere Geschichte. Auf diese werde ich noch einmal genauer eingehen. Dort lernte ich auf jeden Fall Michael Adrian kennen, den ich seitdem nie wieder gesehen habe; zu einem Kennenlernen mit Michael Nagula kam es erst Jahre später. Und dass Nagula und ich einmal in den Nuller-Jahren bei PERRY RHODAN zusammenarbeiten sollten, hätten wir uns beide niemals vorstellen können ...

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