09 September 2010

Ein freundlicher Anruf aus Hannover

Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«

Der 16. April 1996 war ein Dienstag; die Woche hatte also noch nicht angefangen, chaotisch zu werden. In diesem Frühjahr 1996 kam das öfter war. Jetzt aber klingelte das Telefon, ich war guter Dinge und nahm den Hörer vor. Am Apparat war ein gewisser Peter Schlenter, ein sehr freundlich klingender Herr, dessen Namen ich noch nie gehört hatte. Er sagte, er sei aus Hannover, und er wolle mit mir über ein geschäftliches Thema sprechen, das mich vielleicht interessieren könne.

Der freundliche Herr Schlenter stellte sich als PERRY RHODAN-Fan vor, der zugleich in der Musikbranche tätig sei. Er habe eine wagemutige Idee, und er fragte sich, ob man auf dieser Basis nicht zusammenarbeiten könne. Bevor er mir aber diese Idee genauer skizzieren konnte, plauderten wir über dies und jenes.

Wir stellten fest, dass wir gemeinsame Bekannte in Hannover hatten, dass wir uns beide für Musik interessierten und dass ich teilweise Veranstaltungsorte in seiner Heimatstadt besucht hatte, die er ebenfalls sehr gut kannte. So entwickelte sich sehr schnell ein abwechslungsreiches und unterhaltsames Gespräch. Wir blieben aber beim »Sie«, der freundliche Herr Schlenter, und ich; ab welchem Termin wir zum »Du« wechselten, ist mir leider nicht mehr in Erinnerung.

Nach einigem Geplänkel kamen wir zum Kern der Sache. Schlenter erzählte mir, er sei unter anderem für einen gewissen Christopher Franke tätig. Mir sagte das leider nichts, was daher kam, dass ich mich nicht so sehr mit amerikanischen Fernsehserien beschäftigte. Sonst hätte ich den Namen sicher bereits im Abspann von Serien wie »Babylon 5« gesehen.

Schlenter erzählte mir, dass der Mann in den 70er Jahren bei der Band Tangerine Dream gespielt hatte. Mit dieser Auskunft konnte ich eher etwas anfangen: Ich war nie ein Fan dieser Band, aber ich kannte sie selbstverständlich, und ich wusste, dass Tangerine Dream mit ihrer Mischung aus »Kraut-Rock« und »Space-Rock« in den 70er Jahren eine gewisse Popularität im In- und Ausland errungen hatte.

Seit Jahren sei Christopher Franke, so erläuterte mir Schlenter, nun aber in Hollywood ein erfolgreicher Komponist für Kino- und Fernsehfilme, dessen CD-Produktionen weltweit zu kaufen waren. Für diesen Komponisten und dessen kleine Plattenfirma Sonic Images sei Schlenter der Vertreter für den deutschsprachigen Markt. Christopher Franke wolle eine »Hommage an PERRY RHODAN« komponieren.

Das alles hörte sich jetzt sehr interessant an. Was ich sofort gut fand: Schlenter hatte vorher recherchiert. Er wusste nicht nur bestens darüber Bescheid, wer im Verlag für welche Aufgaben zuständig war, sondern er wusste ebenso, welche PERRY RHODAN-Rechte vergeben waren.

Zu jener Zeit lagen die Filmrechte für eine PERRY RHODAN-Verfilmung bei der Firma des bekannten Produzenten Bernd Eichinger. Mit diesem sei Christopher Franke persönlich bekannt, und von ihm wisse er, dass man am Thema PERRY RHODAN arbeite.

Frankes Fernziel war, für den großen PERRY RHODAN-Kinofilm den Soundtrack zu komponieren, eine opulente Filmmusik, wie er sie schon für anderen Produktionen geliefert hatte. Jetzt gehe es ihm aber vor allem darum, einen Einstieg in das Thema zu finden. Die Serie werde doch in diesem Jahr 1996 immerhin 35 Jahre alt, und da böte sich doch diese offizielle »Hommage« an. Er dachte gewissermaßen an eine Sammlung von Stücken, die einzelne Episoden der Serie in ein neues musikalisches Umfeld stellen würde. Man könnte sogar so etwas wie eine »Weltraumoper« publizieren, denn das würde zu PERRY RHODAN als einer großen Space-Opera gut passen.

Der freundliche Herr Schlenter und ich unterhielten uns lange und ausführlich. Danach setzte ich mich an meinen Computer und schrieb eine Gesprächsnotiz, die ich mit einem alten Nadeldrucker aufs Papier brachte. Diese Notiz ging an die Verlagsleitung, die sich mit solchen Lizenzen beschäftigte. (Zu jener Zeit war es undenkbar, dass jemand aus der Redaktion sich selbständig mit Lizenzpartnern unterhielt oder gar Verträge vorbereitete.)

Dort blieb sie in der Folge einige Wochen, weil sich niemand so richtig zuständig fühlte, während Peter Schlenter und ich gelegentlich telefonierten. Dabei kam irgendwann das »Du«, wir unterhielten uns auch über private Dinge, und der Kontakt wurde ein wenig enger. Aus dem Projekt wurde aber nichts, und so vergingen die Wochen. Dann wurde Eckhard Schwettmann eingestellt und baute die Marketing-Abteilung für PERRY RHODAN auf ...

Es dauerte dennoch einige Monate, bis dann im November 1996 die CD »Pax Terra« in den Handel kam, praktischerweise pünktlich zum Weihnachtsgeschäft. Sie wurde ein kleiner Erfolg, gefiel vor allem vielen PERRY RHODAN-Fans und trug dazu bei, dass »Pax Terra« für Jahre das musikalische Bild der Serie prägte. Aber den Anfang vergaß ich nie – jenes Telefonat mit dem freundlichen Herrn Schlenter aus Hannover ...

2 Kommentare:

Erich Heeder hat gesagt…

Peter Schlenter wohnte im Windmühlen Weg in Hänigsen, und ich im Sandgrubenweg - eigendlich weiß ich gar nicht wie wir beiude uns über den Weg liefen Ende der 60ziger Jahre. Aber eins weiß ich - wir waren eine lange Zeit zusammen - besuchte einige Musikkonzerte in Hannover - denn so wie ich noch weiß, machte er da drüber Reportagen.
Wie wir uns aus den Augen verloren weiß ich auch nicht mehr, jedenfalls ging mir der Peter nicht mehr aus dem Kopf. Eines Tages forschte ich nach ihm - bis ich auf den Vertribsleiter von Perry Rodan viel, und da drüber seine Tel.Nr. erfuhr. Also rief ich ihn an, und stellte mich nach fast 30 Jahre bei ihm mich vor, - bis er begriffen hat - wer ich bin - dauerte es wohl eine weile. Bis er mir erzählte das er blind sei, - was mich traf wie ein Faustschlag in die Magengrube. Eigendlich habe ich gedacht - das wir wieder zusammen finden nach so langer Zeit, aber leider habe ich vorbei gedacht. Aber eins hat er geschafft - das er immer in mir weiter leben wird - wie ich ihn gekannt habe.

Erich Heeder - Stadtteilkünstler seit 1986 in Hamburg
HINZ&KUNZT VERKÄUFER seit April 1994

Anonym hat gesagt…

In Sachen Musik für die PR-Serie kommt es aus meiner Sicht nicht auf ein OB, stattdessen auf ein WIE an.
Die Wahrnehmung der geneigten Öffentlichkeit wird eine andere sein, als die vieler alteingesessenen Insider. Und wie oben angedeutet tickt die heutige Jugend in ihrer Mentalität anders. Manches wird heute peinlich und verstaubt erscheinen - anderes wie eine inspirierende Erlebnis-Bereicherung.
Eine adäquate Musik sollte sich nicht tierisch ernst nehmen.