03 September 2010

Erinnerungen an das Schattenland

Aus der Reihe »Der Redakteur erinnert sich«

Als Jugendlicher war MYTHOR die erste Fantasy-Serie, die ich aktuell las, sprich, bei der ich Woche für Woche den Fortsetzungen entgegenfieberte. Das machte für mich den Reiz der Serie aus; hier war ich komplett am Puls der Zeit und folgte der Serie von Roman zu Roman. Nicht jedes Werk gefiel mir, aber ich erfreute mich an den Abenteuern von Mythor und seinen Getreuen, an Nottr dem Barbaren und wie sie alle hießen. Als die Serie anfangs der 80er Jahre eingestellt wurde, war ich geradezu schockiert.

Es gab in den 80er Jahren fannische Bemühungen, den Markennamen MYTHOR nicht völlig in Vergessenheit geraten zu lassen. Unter anderem gab es ein Briefspielsystem namens »Myra«, das auf der Basis der Serie entstanden war und an dem ich auch mitwirkte. Aber es gab eben keine neuen Romane mehr, und ich stellte fest, wie bei den jüngeren Lesern die Serie immer mehr in Vergessenheit geriet.

Deshalb war's für mich eine große Freude, als wir um das Jahr 2000 zusammen mit Weltbild eine Buchausgabe des ersten Zyklus publizieren konnten – immerhin erschienen 17 schöne Hardcover-Bände. (Das ist jetzt aber eine andere Geschichte, die ich sicher andermal erzählen werde.)

In der Folge überlegte ich mir immer wieder aufs neue, wie man die MYTHOR-Romane einem neuen Publikum präsentieren könnte. Ich kam auf die Idee, einen »kleinen Zyklus« herauszugreifen und separat als Taschenbuch zu veröffentlichen. Sonderlich viel Material fand ich dann doch nicht, obwohl ich mir die MYTHOR-Serie sehr gründlich anschaute. In meiner Erinnerung gab es immerhin den »Schattenland«-Zyklus, der zehn Heftromane umfasste und den ich damals gern gelesen hatte.

In der Folge dachte ich immer wieder über das Thema nach. Im Mai 2005 ließ ich von unserer Hausagentur einige Titelbild-Entwürfe anfertigen. Ich zitiere aus der Notiz, die ich für die Agentur anfertigte:

»SCHATTENLAND ist ein Fantasy-Thema, das aus der MYTHOR-Serie destilliert wird und sich daher in vor allem an Männer (aber nicht ausschließlich!) richten dürfte. Action-Motive mit Schwert und Magie, einem tapferen Helden und einer hübschen Frau oder einem Helden, der gegen ein Monster kämpft, sind hier ideal. Gerne können die Cover auch düster aussehen.«

Die Titelbilder sollten gemalt werden, ich wollte zudem neue Motive haben. Und ich hatte eine Vorstellung, die ich mit Fotokopien untermalte: »Fürs Dummy sollte ein Sword&Sorcery-Motiv gewählt werden, kombiniert mit einer durchaus ornamentalen, stark an Fantasy erinnernden Titelgestaltung.«

Erste Entwürfe lagen im Mai 2005 bereits vor, wurden aber hausintern nicht umgesetzt. Die Verantwortlichen des Moewig-Buchverlages glaubten nicht daran, dass man mit Fantasy auch nur einen Cent verdienen könnte. Mein Hinweis auf die zu der Zeit ungemein erfolgreiche »Harry Potter«-Reihe oder auf den »Herrn der Ringe« wurde mit einem klaren Argument abgewiesen: »Fantasy ist ein temporäres Phänomen.«

Eineinhalb Jahre später wurde der Moewig-Verlag geschlossen, und ab dem Sommer 2007 war klar, dass wir künftig unsere Buchprojekte mit der Edel AG in Hamburg abzustimmen hatten. Dort wurde ich erneut vorstellig, stellte das Thema MYTHOR vor, verwies auf Fans und Aktivitäten sowie die Tatsache, dass Fantasy doch ein gutes Thema sei. Leider wurde das Projekt erneut abgelehnt.

Ich gestehe, dass ich nicht mehr so aktiv an MYTHOR dachte. In einem Gespräch mit Werner Fuchs, dem Chef von Fantasy Productions, machten wir uns im Frühjahr 2008 grundlegende Gedanken darüber, welche Publikationen wir neben ATLAN ankurbeln könnten. Und so kam MYTHOR erneut auf die Agenda. Auf Basis meiner ursprünglichen Konzeption verfasste ich ein neues Konzept für eine mögliche Taschenbuchreihe.

Ich war optimistisch: »Aus zehn Heftromanen lassen sich problemlos fünf Taschenbücher à 200 Seiten oder zwei Paperbacks mit 400 bis 500 Seiten zusammenstellen: packendes Lesefutter für die wachsende Schar der Fantasy-Fans.«

Und ich überlegte mir gleich einen Werbetext für die Reihe, der auf früheren Texten basierte: »Es ist ein seltsames Gebiet, das so genannte Schattenland, auch Hinterwald genannt. Schrate wohnen zwischen den Bergen und Wäldern, Baummenschen und Himmelswesen. Nach der großen Schlacht zwischen den Mächten des Lichts und den Kräften der Finsternis ist diese Gegend, so scheint es, von allen vergessen worden.

Doch in den Katakomben von Ugur wird Mythor gefangen gehalten, der legendäre Sohn des Kometen. Seine magischen Tiere – ein Schneefalke, ein schwarzes Einhorn und ein Bitterwolf – durchstreifen die Umgebung und suchen nach einem Weg, ihn zu befreien.

Es ist der Morgen einer neuen Zeit, in einer Welt, die sich drastisch verändert hat. Alte und junge Helden begeben sich auf die Suche nach Antworten und stellen sich erneut den Mächten der Finsternis ...«

In der Folge telefonierten Werner Fuchs und ich einige Male, wir unterhielten uns auf der Buchmesse in Leipzig, und dann stand es fest: Wir setzen den »Schattenland«-Zyklus um. Wir wollten fünf Taschenbücher machen, denn dies passte gut zu den bereits erschienenen ATLAN-Taschenbüchern bei Fantasy Productions.

Und im Sommer 2010 erschien tatsächlich das letzte der fünf geplanten Taschenbücher ... gut zehn Jahre, nachdem ich mir erstmals Gedanken darüber gemacht hatte, einen abgeschlossenen Teil der MYTHOR-Serie, nämlich den »Schattenland«-Zyklus, für alle interessierten Leser neu in den Handel zu bringen ...

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