15 September 2010

Schicksalsfragen und ein Romananfang

Ein Logbuch der Redaktion

Es gibt Anfänge zu Romanen, die packen mich – und das, ohne dass sie vordergründig spannend sind. Sie packen mich deshalb, weil sie erzählerisch so viel vermitteln, dass ich sofort in der Handlung »drin« bin, ohne jegliche Chance, wieder aus der Handlung auszusteigen. Ich muss dann wissen, wie es weitergeht, weil mich das Bild einfängt, dass der Autor mir vor die Augen hält.

Der aktuelle PERRY RHODAN-Silberband ist hierfür ein tolles Beispiel. Und bevor ich darüber länger schwärme, zitiere ich an dieser Stelle einfach mal die ersten Absätze des neuen Buches:

»Im Morgenlicht warfen die grotesken Gebäude lange Schatten. Sie bestanden aus riesigen Knochen und waren mit billigem Plastikmaterial ausgegossen. Zwischen diesen Bauten erhoben sich Vergnügungsstätten, Bars und kleine Läden aus armiertem Beton.
Eine Wolke schaler Gerüche hing in der Luft. Der Wind trug Staub, Sand und Knochenmehl aus dem nahen Cañon heran. Zwei Reinigungsroboter kämpften mit kräftigen Saugstrahlen und rotierenden Bürsten gegen den Dreck an. Von irgendwoher dröhnte schrille Musik.

Einst waren die fossilen Knochentäler nahe der Stadt touristische Sensationen gewesen, heute kümmerte sich kaum jemand darum. Während der Lareninvasion waren die Metropole Krockock und der nahe Raumhafen zerstört worden. Eine Schwarzmarkt-Siedlung fristete nun ihr Dasein auf den Trümmern einstiger Größe – darüber hinaus war nichts geblieben. Selbst die Archäologen mieden den Planeten Chloreon; niemand interessierte sich mehr für die gigantischen Knochenlager in den Cañons.

Dröhnend jagte eine alte Space-Jet über die Siedlung hinweg. Der Diskus landete in dem einigermaßen wiederhergestellten Bereich des Raumhafens.«

Soweit dieser Anfang. Man spürt richtig die Atmosphäre des Planeten, hat ein Gefühl dafür, wie heruntergekommen das alles ist, wie niedergeschlagen die Menschen auf einem Planeten ohne große Hoffnung sein müssen. So zumindest sind meine Empfindungen, wenn ich den Anfang zum Silberband 111 lese, der dieser Tage unter dem Titel »Geburt einer Dunkelwolke« erschienen ist.

Wieder hat Hubert Haensel das PERRY RHODAN-Buch zusammengestellt, und erneut ist es dem Autor gelungen, aus unterschiedlichen Romanen ein gemeinsames Werk zu formen, das seinen ganz eigenen Reiz ausstrahlt. Einen absoluten Schwerpunkt bildete allerdings Ernst Vlcek, der damals vier Romane hintereinander veröffentlichte – nach wie vor ein absoluter Rekord.

Von Hans Kneifel stammt »Reigen der Paratender« (Band 927), von Marianne Sydow kommt »Beherrscher der Tiere« (Band 949). Gleich vier Romane steuerte Ernst Vlcek diesem Silberband bei; dabei handelt es sich um »Das Rätsel von Lakikrath« (Band 939), »Geburt einer Dunkelwolke« (Band 940), »Pakt der Paratender« (Band 941) und »Der Margor-Schwall« (942). Mit den zwei Romanen »Testfall Olymp« (Band 950) sowie »Ultimatum der Orbiter« (Band 951) ist auch H. G. Ewers vertreten.

Die wohl wichtigste Figur des Buches ist der Mutant Boyt Margor. Die Leser erfahren von dem Gäa-Mutanten, den bisher alle nur als Bösewicht kannten, dass seine Bestimmung eigentlich schon lange Zeit vor seiner Geburt feststand. Margor, der anscheinend unaufhaltsam nach Macht strebt und dem jedes Mittel recht ist, um seinen Herrschaftsanspruch auszudehnen und zu zementieren, ist im Grunde also nichts anderes als ein Gefangener seines Schicksals.

Somit wird der vorliegende Silberband zu einem »Buch der Schicksale«, wie es Hubert Haensel in seinem Vorwort nennt. Es geht immer wieder um ignorante Menschen und ihr Verhalten, das sich negativ auswirken kann – nicht nur auf sie selbst, sondern auch auf ihre Umgebung. Das las sich 1979 schon sehr spannend, als die Romane erstmals in Form von Heften in den Handel kamen, und das ist auch im Jahr 2010 noch überzeugend, wenn wir jetzt den Silberband 111 lesen.

Eine packende Lektüre, die einen immer wieder in ihren Bann ziehen kann. Sehr schön!

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