Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Im August und September 1999 telefonierte ich nicht nur einmal mit Rainer Castor.
Wir beide beschäftigten uns intensiv mit einem Buch, von dem ich
erwartete, dass es die PERRY RHODAN-Historie buchstäblich auf eine neue
Basis stellen würde. Rainer Castor steckte in den letzten
Arbeitsschritten an einem Roman, dem er den Arbeitstitel »Monde des
Schreckens« gegeben hatte; dieser sollte als fünfzehntes Buch der
ATLAN-Buchreihe erscheinen.
Weil es terminlich ziemlich eng
wurde, hatte ich von Anfang an mit Rainer verabredet, dass er in diesem
Buch auch »alte« Ideen verarbeiten konnte. So tauchten in diesem Roman
mehrere Kapitel auf, die einem eigenständigen Roman-Universum des Autors
entsprangen. Sogar einige Völker baute er ein, die er sich ausgedacht
hatte, die er aber gut ins Perryversum integrieren wollte.
Rainer
stellte mir viele seiner Überlegungen am Telefon vor, und er schickte
mir handschriftliche Skizzen; ich war immer wieder beeindruckt von der
Fülle seiner Ideen. Am meisten gefiel mir dabei, dass er es schaffte,
diese vielen Ideen so in den Serienkontext einzubinden, dass es sogar
mir manchmal schwerfiel zu erkennen, was nun von ihm stammte oder was
von den »Altmeistern« wie Karl-Herbert Scheer und Hans Kneifel entwickelt worden war.
Ich
erhielt das Manuskript bereits im August. Es wurde von Hartmut Kasper
redigiert – von dem damals noch keiner ahnen konnte, dass er bald unter
seinem Pseudonym Wim Vandemaan
für die PERRY RHODAN-Serie schreiben würde –, während ich es parallel
las. Mir war klar, dass Rainer Castor mit dem zweiten Band seiner
Arkon-Trilogie noch einmal in die Vollen greifen würde. Dennoch war ich
von der Fülle der Details überrascht, die er vor mir ausbreitete und die
bald auch die Leser zu Gesicht bekommen würden.
Was der Autor
sich selbst mit seiner Arkon-Trilogie innerhalb der ATLAN-Reihe
auferlegt hatte, wusste nur er selbst. Ich konnte es mir nach den
Telefonaten und nach der Lektüre des Manuskripts höchstens ein bisschen
vorstellen.
Selbstverständlich sollte der ATLAN-Band mit der
Nummer 15 eine konsequente Fortführung des 14. ATLAN-Buches sein – mit
»Imperator von Arkon« hatte Rainer Castor diese Trilogie begonnen. Der
Autor zeigte Atlan in seiner Funktion als Imperator des großen
Arkon-Imperium, der nach gut zehntausend Jahren auf der Erde endlich
wieder in seiner »alten Heimat« angelangt und dort damit beschäftigt
ist, sich seiner zahllosen inneren und äußeren Feinde zu erwehren.
Die
innenpolitischen Gegner musste Rainer Castor nicht erfinden, die konnte
er aus den bereits bestehenden PERRY RHODAN-Romanen nehmen. Die äußere
Bedrohung mit den sogenannten Tekteronii war aber neu – dieses Volk
macht in dem Roman erstmals »so richtig« mobil und will das Imperium
massiv angreifen. Dass hinter all diesen Aktivitäten zahlreiche
Geheimnisse stecken, die über eine Million Jahre in die Vergangenheit
reichen, das kann Atlan nicht wissen.
Das war übrigens der Punkt
an der Arkon-Trilogie, der mich begeisterte, wenngleich ich fand, dass
Rainer hier ein wenig zu kompliziert schrieb. Der Autor erarbeitete
Hintergründe, die vor allem jene Leser erfreuen würden, die PERRY RHODAN
sehr gut kannten. So schrieb er zahlreiche Hinweise in den Roman
hinein, die dem Helden selbst noch nichts sagen würden, dem
interessierten Leser aber sehr wohl. Geheimnisse etwa des Schwarms oder
des Kosmischen Schachspieles verwob Rainer Castor ebenso in die Handlung
der Trilogie wie Hinweise auf die Horden von Garbesch und die
Mächtigen.
Rainer Castor entfaltete somit eine – für mich auf
jeden Fall – faszinierende Handlung, die vordergründig einige wenige
Monate Handlungszeit umspannte, die aber in Wirklichkeit eine Million
Jahre des PERRY RHODAN-Kosmos verband. Ich mochte die kosmische Ebene
der Serie schon immer, und ich hatte stets eine Freude an der
»Kosmo-Historie« – hier kam nicht nur ich auf meine Kosten, das würde
auch viele Fans begeistern.
Völker wie die echsenhaften Dron
wurden von Rainer Castor deutlicher beschrieben, die Mispaner und die
Andooz wurden klarer definiert, und mit den Gijathrakos griff er die
Historie des alten Arkon-Imperiums auf. Dazu kam das höfische Gepränge
am Hof des Imperatoren, was ich mir vorher so nicht hatte vorstellen
können ...
Ich las »Monde des Schreckens« mit wachsender
Faszination. Mir war klar, dass nicht jeder Leser dasselbe empfinden
würde – das war für manche sicher »harter Tobak«. Als Lektor griff
Hartmut Kasper an einigen Stellen stärker als üblich in das Manuskript
ein; mit mancher Streichung einer besonders komplizierten Stelle war der
Autor nicht einverstanden. Auch hier hatten wir die eine oder andere
Diskussion am Telefon zu bewältigen. Aber ich war sicher, dass dieser
»letzte Schliff« durch den Lektor dem Manuskript gut tat.
Danach
konnte es in die Setzerei gehen, wir hielten die Termine für die Erst-
und die Zweitkorrektur ein, und dann gingen wir daran, uns auf die
Frankfurter Buchmesse vorzubereiten. Vielleicht würden wir es schaffen,
den zweiten Band der Arkon-Trilogie bis zu dieser Veranstaltung
vorzulegen?
Mir stand allerdings noch ein heikles Telefonat
bevor. Der Autor, der sich bei »Monde des Schreckens« massiv in den
Termindruck begeben hatte, musste bald den dritten Teil der
Arkon-Trilogie liefern. Wieder wollten wir ein umfangreiches Manuskript
von ihm haben, wieder würde es zu wenig Zeit für Rainers
Qualitätsansprüche sein – aber ich war in diesem September 1999 sicher,
dass wir den dritten Teil auch mit viel Optimismus angehen konnten ...
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