Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Schon seit ich als Jugendlicher die MYTHOR-Heftromane gelesen hatte,
wollte ich diese Serie ein zweites Mal veröffentlichen. MYTHOR hatte
mich fasziniert, und ich fand es in der Mitte der 80er-Jahre traurig,
dass die Serie so sang- und klanglos verschwunden war. Doch wie sollte
eine Neuauflage geschehen? Idealerweise vielleicht sogar damit
kombiniert, dass man die Serie abschloss?
Ich wollte sie zudem
nicht als Heftroman »neu« haben, sondern als »richtiges« Buch, am besten
sogar im Hardcover-Format. Die packenden Abenteuer von Mythor und
seinen Freunden, all diese Welten voller Phantasie – die sollten auch in
den 90er-Jahren und danach ihr Publikum finden.
Immerhin
entwickelte sich die Fantasy-Literatur im Verlauf der 90er-Jahre zu
einem Trend – wenngleich weit von dem Niveau entfernt, das in den
Nuller-Jahren erreicht werden sollte. Im Fernsehen liefen Serien wie
»Xenia« und »Hercules«, die »Conan«-Geschichten wurden in gedruckter
Form zum wiederholten Mal aufgelegt. Zahlreiche Spiele im Computer-,
Brett- und Rollenspielbereich nutzten Fantasy-Motive. Autoren wie
Wolfgang Hohlbein oder David Eddings wurden in den Buchhandlungen gut
platziert, ihre jeweils aktuellen Romane verkauften sich sehr gut.
Doch
meine Versuche, die Serie im Moewig-Buchverlag neu zu veröffentlichen,
scheiterten kläglich. »Fantasy ist ein temporäres Phänomen«, wurde mir
beschieden. Damit könne man kein Geld verdienen, ich sollte solche
Gedanken lassen. Doch ich gab nicht auf, und in den späten 90er-Jahren
schien die Zeit tatsächlich reif für MYTHOR zu werden.
Konkrete
Kontakte und Überlegungen entwickelte ich ab 1998. Bei einem der vielen
Abende, an denen Eckhard Schwettmann – unser neuer Marketingleiter – und
ich bei einem Bier zusammensaßen, kamen wir nicht nur einmal auf
MYTHOR. Er hatte die Serie nicht so vollumfänglich gelesen wie ich, aber
er hatte sie auch gemocht.
»Wir sollten den Verlag
umstrukturieren«, überlegte er. »Dann machen wir aus den alten
Heftromanserien neue Serien in Form von gebundenen Büchern. Moewig wird
auf diese Weise der Verlag für phantastische Unterhaltung.« Bis er diese
Idee in Angriff nehmen konnte, sollte allerdings noch einige Zeit
vergehen.
Zuerst konnten wir für den Weltbild-Verlag die
klassische DRAGON-Heftromanserie im Hardcover-Format produzieren – ein
klassisches Lizenzthema also, bei dem wir die Rechte behielten und
Weltbild die Bücher veröffentlichte. Es lag nahe, sofort danach MYTHOR
in Angriff zu nehmen.
»Mit der schon fast klassischen Reihe
MYTHOR, die in den Jahren 1980 bis 1985 als Heftroman erschien, hat VPM
einen interessanten Stoff anzubieten, der sich multimedial in den
verschiedensten Bereichen umsetzen lässt«, argumentierte ich zu Beginn
des Jahres 2000 in einem ausführlichen Arbeitspapier.
Für den
Vertrieb stellte ich in diesem internen Papier dar, was eigentlich den
Inhalt der Serie ausmachte: »Die spannenden Abenteuer schildern den Weg
des Recken Mythor auf einer Welt, die von Zauberei und Magie erfüllt
ist, in der es Städte auf den Rücken wandernder Tiere gibt, in der
Drachen fliegen und tollkühne Männer mit Feuer und Schwert gegen das
Böse kämpfen.«
Mit solchen Argumenten versuchte ich die
Faszination der Serie zu vermitteln. MYTHOR empfahl ich stets als
»klassische Unterhaltungsliteratur mit Fortsetzungscharakter«, und
eigentlich sei diese Fantasy-Serie nur mit der PERRY RHODAN-Serie zu
vergleichen. Was beim Moewig-Vertrieb nicht so gut ankam, fand bei
Weltbild dann eher seine Freunde.
Den Zyklus-Charakter versuchre
ich in einen langen Satz zu fassen: »Die ersten fünfzig Bände spielen in
einer Fantasy-Welt, die dem mittelalterlichen Europa und Nordafrika
verwandt ist, danach wechselt die Handlung in eine ebenso fantastische
Inselwelt (die Südhalbkugel der Fantasy-Welt), bevor ab Band 100
verstärkt Horror-Elemente auftauchen.«
Als Zielgruppe der
klassischen Heftromanserie bezeichnete ich »damals männliche Jugendliche
und Junggebliebene im Alter von 15 bis 20 Jahren«. Die Serie sei auf
Sammlerbörsen gefragt – sie sei bei den ehemaligen Lesern sehr präsent.
Mein Argument war deshalb klar: Ein Nachdruck in stark gestraffter
Buchform, die sich an den PERRY RHODAN-Büchern orientierte, sollte
deshalb sowohl bei »alten« Fans als auch bei neuen Lesern auf großes
Interesse stoßen.
Vor allem sollte MYTHOR bei den Menschen gut
ankommen, die vorher im Weltbild-Versand die DRAGON-Buchreihe abonniert
hatten. »Eine MYTHOR-Serie in Buchform ist zu behandeln wie die
DRAGON-Serie«, argumentierte ich. »Jeweils drei Bände werden zu einem
neuen Buch von etwa 300 Seiten zusammengefasst.« Was einmal geklappt
hatte, sollte auch ein zweites Mal funktionieren.
Als
»redaktionellen Betreuer« kam für mich nur »ein profilierter Autor in
Frage, der früher schon bei der Serie mitgeschrieben hat«; damit meinte
ich Hubert Straßl, der unter seinem Pseudonym Hugh Walker als einer der
ersten im deutschsprachigen Raum überhaupt Fantasy publiziert hatte. Für
die »redaktionelle Verantwortung« hatte ich Sabine Kropp und mich
vorgesehen, für »das Marketing und weitere Aktivitäten« sollten Eckhard
Schwettmann und Klaus Bollhöfener in den Ring steigen.
»Nachdrucke
der bisherigen Titelbilder kommen kaum in Frage, da diese schon etwas
veraltet wirken und zudem kein Kontakt zum Illustrator besteht«,
argumentierte ich. Ich schlug vor, »preiswertes Lizenzmaterial über
Agenturen einzukaufen«. Darüber hinaus sollten wir uns in punkto Optik
an den bisherigen DRAGON-Büchern orientieren.
Mein Arbeitspapier
war am 21. März 2000 fertig. Ich diskutierte es mit Eckhard Schwettmann,
dann ging es zuerst an unseren Buchvertrieb – er musste die
Überlegungen »abnicken« –, bevor wir es an Weltbild weiterleiteten. In
der Folge warteten wir gespannt darauf, wie es weitergehen würde ...
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