12 Mai 2014

Ein Hilferuf der Redaktion

Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«:

Nachdem in den Monaten zuvor die Arbeitsbelastung immer weiter gestiegen war, verfasste ich im Oktober 2000 eine Art Hilferuf, die ich in Form einer Aktennotiz an die Geschäftsleitung des Verlages sandte. Sie stand unter der Überschrift »Neue Objekte nur mit mehr Kräften möglich« und sollte im Verlauf der folgenden Monate tatsächlich eine Erleichterung mit sich bringen.

»Die Aufgaben innerhalb der dreiköpfigen PERRY RHODAN-Redaktion haben sich in den letzten eineinhalb Jahren überproportional erhöht«, argumentierte ich. Neben allen PERRY RHODAN-Reihen hatten wir im Vorjahr eine 19 Bände umfassende »Dragon«-Serie bei Weltbild veröffentlicht; im Jahr 2000 war bereits die »Mythor«-Serie mit großem Erfolg angelaufen. Diese komplette Arbeit wurde damals »von der Redaktion praktisch in Überstunden abgewickelt«. Dazu kamen die »Plophos«- und »Terrania«-Bücher, die exklusiv beim Bertelsmann-Club erschienen, sowie diverse Sonderprojekte.

Sollte die kleine Mannschaft aus einem Chefredakteur, einer Redakteurin und einer Redaktionsassistentin weiterhin so viele Produkte in den Handel bringen oder gar neue Projekte ankurbeln, benötigten wir dringend eine Unterstützung. Ich forderte »eine Aufstockung der Redaktion um einen Volontär (eine Volontärin) oder einen Jungredakteur (eine Jungredakteurin)«.

Tatsächlich hatte sich die grundsätzliche Arbeit durch eine Reihe von Veränderungen zugespitzt, die nichts mit neuen Produkten, sondern mit »Umstrukturierungen« zu tun hatte. Unter anderem hatte man schon zwei Jahre zuvor das Korrektorat zwar nicht komplett gestrichen, aber einen kompletten Korrekturlauf eingespart. Seither las die Redaktion selbst noch einmal Korrektur, meist zwischen den Terminen, meist in reichlicher Hektik und unter einem unnötigen Zeitdruck.

Es ging gewissermaßen um eine »Drittkorrektur« der wöchentlichen Erstauflage und der zwei Doppelbände, die alle zwei Wochen erschienen. Zudem überprüften wir die sogenannten Blaupausen der Heftromane auf ihre Richtigkeit, weil die Revision in der Druckerei weggefallen war. Ich hatte selbst festgestellt, dass die Zahl der Fehler in den veröffentlichten Romanen seitdem gestiegen war, was bisher in den »oberen Etagen« kaum störte.

Die zahlreichen Marketing-Aktivitäten, die Eckhard Schwettmann gestartet hatte, blieben nicht ohne Einfluss auf die Redaktion. Ich schrieb vermehrt Pressetexte, Sabine Kropp hatte mehr Anfragen von Lizenznehmern auf dem Tisch, und auf einmal mussten wir uns intensiv um die Inhalte von Hörspielen oder geplanten Computerspielen kümmern. Das machte alles Spaß, musste aber bewältigt werden.

Was aber am stärksten auffiel, war eine Veränderung, die im Verlag die wenigsten mitbekamen: Es war das Internet, das die Kommunikation mit den PERRY RHODAN-Lesern massiv veränderte. Sie seien, so argumentierte ich, »mittlerweile größtenteils an das Netz angeschlossen und wollen kommunizieren«. Die Zahl der Leser-Kommentare per Mail hatte sich innerhalb eines Jahres vervielfacht. Zwar fing Arndt Ellmer in seiner Funktion als »LKS-Onkel« das meiste auf, trotzdem blieb genügend bei uns hängen.

Womit niemand gerechnet hatte, war die »Vielzahl wünschenswerter neuer Kontakte«, die wir pflegen wollten: »Fans müssen darüber informiert werden, was sie auf ihren Homepages tun dürfen und lassen müssen.« Solche Probleme gab es bei keiner anderen Zeitschrift innerhalb des Verlages, von den Kollegen im Buchbereich hatte niemand etwas mit dem Internet zu tun.

Das Internet erzeuge »unheimlich viel Neues«, argumentierte ich. Es gebe »buchstäblich Hunderte von Homepages, die in Bezug zu unseren Produkten stehen«. Es sei nötig, dass die Redaktion »zumindest stichprobenweise« immer wieder im Netz nach PERRY RHODAN-relevanten Seiten suchte. Was ich damals in meinem Arbeitspapier verschwieg, war die Tatsache, dass es bereits Möglichkeiten gab, komplette PERRY RHODAN-Romane im Netz zu erhalten: illegal und häufig schlecht eingescannt, kopiert und verbreitet ...

Es war klar, dass schon die laufenden Projekte mit dem vorhandenen Stamm an Mitarbeitern kaum zu schaffen waren. Wir brauchten Hilfe und Unterstützung, auch unter dem Gesichtspunkt, dass wir neue Serien in die Welt setzen wollten.
Sowohl mit Bertelsmann als auch mit Weltbild hatte ich schon mehrfach diskutiert, eigene Serien zu schaffen, vielleicht außerhalb der Science Fiction und eher im Fantasy-Bereich. Ebenso hatte ich Konzepte für Taschenbücher und Heftromane entwickelt, die wir nicht umsetzen konnten, weil wir keine Zeit dafür hatten.

Mein Arbeitspapier endete mit dem Punkt, mit dem es angefangen hatte: mit dem Wunsch nach Veränderung und Verstärkung. Eine Zeit der Diskussion folgte. Da aber Eckhard Schwettmann als Moewig-Verlagsleiter auf meiner Seite stand, stieß ich bei der Geschäftsleitung zumindest auf Interesse ... (Wenige Monate später fingen Frank Borsch als Redakteur und Miriam Hofheinz als Marketingassistentin bei PERRY RHODAN an.)

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