01 April 2019

Als Untermieter in Leipzig

Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«

Als ich am Donnerstag, 17. März 2005, in Karlsruhe ins Auto stieg, herrschte ein wunderbares Frühlingswetter. Mir stand eine lange Fahrt nach Leipzig bevor, und ich kam richtig gut durch den Verkehr. In bester Laune fuhr ich über Frankfurt und Jena bis in die Messestadt. Dabei wusste ich noch nicht einmal genau, wie die Buchmesse in diesem Jahr verlaufen würde.

Immerhin wusste ich, dass sehr vieles sehr anders verlaufen würde. In den Jahren zuvor hatte sich der Pabel-Moewig Verlag als ein Teil eines Gemeinschaftsstandes der Verlage aus Baden-Württemberg verstanden. PERRY RHODAN war so mit einer Handvoll Büchern also in einer winzigen Ecke eines Gemeinschaftsstandes präsentiert worden. Ich war damit immer unzufrieden gewesen. Im Jahr 2005 wollten wir das anders machen.

Leider hatte man uns nicht erlaubt, einen eigenen Messestand zu organisieren. »PERRY RHODAN ist eine Zeitschrift, und Zeitschriften sind nicht auf der Buchmesse«, war die Argumentation im Verlag. So waren wir auf die Idee gekommen, das bisherige Konzept zu ändern. Wir wollten in der Nähe von Mangas, Fantasy-Rollenspielen und anderen Themen sein, die im weitesten Sinne etwas mit Science Fiction und fantastischer Literatur zu tun haben.

Also hatten wir uns einen Partner gesucht, der in einem Bereich der Messe tätig war, der für uns interessant schien. In Leipzig hatten die Verantwortlichen die sogenannte Comics-Halle aufgebaut. In dieser sollten nicht nur die Comic-Verlage angesiedelt werden, sondern auch die Spieleverlage und diejenigen, die sich auf Fantasy und Science Fiction spezialisierten.

Ich war mir schon während der Fahrt sicher, dass wir in diesem Bereich der Messe besser platziert wären als irgendwo an einem Gemeinschaftsstand. Wir waren »Untermieter« bei Fantasy Productions, dessen Chef ich seit vielen Jahren kannte. Werner Fuchs hatte seinen Verlag auf Rollenspiele sowie damit verbundene Bücher spezialisiert, brachte Titel zu den Reihen »Das Schwarze Auge«, »Shadowrun« und »BattleTech« heraus. Autoren wie Markus Heitz, Bernhard Hennen oder Robert Corvus veröffentlichten ihre ersten Romane unter seiner Obhut.

Nach einer ausgesprochen schönen Fahrt stellte ich mein Auto auf dem Parkplatz der Messe ab. Erfreut stellte ich fest, dass ich vom Parkplatz bis zum Messestand keine fünfzig Meter zurückzulegen hatte. Das war praktisch, weil ich auf diese Methode die Versorgung des Standes mit Getränken und Süßigkeiten sicherstellen konnte. Als ich am Stand eintraf, war ich von der Optik sehr angetan: Fantasy Productions hatte uns die Hälfte des Standes so abgetreten, dass wir optisch klar getrennt waren, aber dennoch eine Einheit bildeten.

Viel machte ich an diesem Tag nicht mehr. Ich begrüßte Klaus Bollhöfener, der schon am Stand arbeitete, sowie die Kolleginnen und Kollegen von Fantasy Productions. Weil die Halle sich vor allem an den Bedürfnissen von Comic- und Rollenspiel-Fans ausrichtete, hatten wir direkt in unserer Nähe mehrere Freiflächen, wo Rollenspiele ausgetragen wurden.

Auffallend viele junge Menschen waren in der Halle unterwegs, viele der Jugendlichen hatten sich als die Comic-Helden moderner Mangas verkleidet. Cosplayer waren noch etwas ganz Neues in Deutschland, entsprechend groß war das Aufsehen. Es wurde gern und viel fotografiert. Rollenspieler in Kettenhemden und mit Schwertern, daneben junge Mädchen im Feen-Outfit – wer wollte, bekam direkt vor unserem Stand viel zu sehen.

Unser Stand fiel offenbar auf, immer wieder blieben junge Leute uns stehen. Wir verteilten auf Anfrage PERRY RHODAN-Tüten mit einem kostenlosen Roman, einem Kugelschreiber und einem Feuerzeug sowie diversem Werbematerial. Häufig wurden wir in Gespräche verwickelt, und ich stellte fest, dass das Publikum in Leipzig jünger war als in Frankfurt, aber trotzdem sehr interessiert an unserer Serie wirkte.

Der Tag ging viel zu schnell vorüber. Mit Klaus Bollhöfener sowie Dirk Schulz, der uns als Titelbildkünstler am Stand unterstützte, fuhr ich abends ins Hotel. Wir saßen an einem Tisch in der Ecke und sprachen die vergangenen Stunden noch einmal durch; dann gingen wir früh ins Bett.

Es war klar, dass es am Freitag, 18. März, viel anstrengender sein würde: Mit Klaus Bollhöfener und Dirk Schulz fuhr ich vom Hotel zum Messegelände, wo wir wieder mit der Arbeit an unserem Stand begannen. Unter anderem hatten Dirk und ich gemeinsam einen interessanten Termin beim Carlsen-Verlag, bei dem mögliche PERRY RHODAN-Comics diskutiert wurden.

An diesem Freitag führte ich die meisten Fachgespräche. Die Kolleginnen von Bertelsmann kamen vorbei. Ich zeigte ihnen die Palette der PERRY RHODAN-Romane, erläuterte ihnen die Unterschiede zwischen den Reihen und Serien und versuchte, sie für neue Themen zu begeistern. Immerhin schienen sie sehr beeindruckt von der Vielfalt zu sein.

Kollegen aus anderen Verlagen kamen zu uns an den Stand, ich besuchte aber auch die kleineren Verlage in unserer Nähe oder unterhielt mich ausführlich mit den Rollenspielern, die eigene Stände unterhielten. Sogar einzelne Buchhändler kamen zu uns an den Messestand, denen ich leider nicht weiterhelfen konnte – bei uns konnte man schließlich keine Bücher bestellen.

Aber so raste der Freitag sehr dynamisch an uns vorüber. Ich war schon am Nachmittag sehr verschwitzt und freute mich darauf, dass ich im Hotel anschließend kurz duschen konnte. Immerhin wusste ich, dass an diesem Abend erneut ein anstrengendes Programm auf mich wartete …

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