07 Dezember 2020

Walter Ernsting in Mannheim – Teil eins

Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«

Walter Ernsting war eine eindrucksvolle Person, was jeder bestätigen kann, der ihn einmal getroffen und sich mit ihm unterhalten hat. Vielleicht lag es an seinem Lebensweg, der ihn zu dem Menschen machte, den alle in positiver Erinnerung behielten: Als junger Mann tanzte er zu Swingmusik, obwohl das die Nationalsozialisten verboten, als Wehrmachtssoldat wagte er Widerworte und kam nicht nur einmal in Schwierigkeiten, und als Kriegsgefangener träumte er davon, zu den Sternen zu fliegen.

Walter Ernsting war nicht ohne Fehler, und er ließ sich auf Konflikte in der Science-Fiction-Szene der 50er- und 60er-Jahre ein, die weder ihm noch der Szene gut taten. Sein Einfluss auf die frühe Science Fiction nach dem Zweiten Weltkrieg und auf die PERRY RHODAN-Szene sind absolut unbestritten. Ich erinnere mich noch sehr gut an meine erste persönliche Begegnung mit Walter Ernsting alias Clark Darlton.

Wir schrieben den Herbst 1980. Ich war 16 Jahre alt, politisch engagiert und mit mancherlei wirren Gedanken im Kopf versehen. Einer der Gedanken hatte damit zu tun, dass ich unbedingt Science-Fiction-Schriftsteller werden wollte – und mein Traumziel war, irgendwann für PERRY RHODAN schreiben zu dürfen.

Und so publizierte ich in jenem Jahr mit großer Begeisterung meine Kurzgeschichten in irgendwelchen Fanzines, brachte mein eigenes Heft heraus und freute mich über jedes Lob, das ich bekommen konnte. Meine Kontakte knüpfte ich mit Briefen, selten wurde telefoniert. Deshalb hatte ich die meisten Menschen, mit denen ich zu tun hatte, noch nie gesehen.

Als ich eine erste Kurzgeschichte im renommierten PERRY RHODAN-Magazin veröffentlichen konnte, war ich mir sicher, dass meiner schriftstellerischen Laufbahn nicht mehr viel im Weg stand. Ich hielt mich schon für den kommenden Star der deutschsprachigen Science Fiction; für einen Jugendlichen, der im Sommer 1980 die Schule verlassen und eine Lehre anfangen sollte, war alles ein großer Traum, das mit Literatur und Fan-Szene zusammenhing.

Dabei hatte ich zu PERRY RHODAN im Sommer 1980 ein eher gespaltenes Verhältnis. Die Serie, die ich seit 1977 mit großer Begeisterung verfolgte, leistete sich für meine Begriffe einige »Durchhänger«. Ich kam mit der Handlung um die Orbiter nicht richtig klar, ich fand auch einige Romane im Umfeld der Kosmischen Burgen nicht gerade gelungen.

Sicher lag es mit daran, dass ich angefangen hatte, die Klassiker der Science Fiction für mich zu entdecken: Isaac Asimov und Robert A. Heinlein, Ray Bradbury und Philip K. Dick, Michael Moorcock und John Brunner faszinierten mich mit ihren Ideen. Ich las staunend Kurzgeschichtensammlungen, die bei Heyne und Ullstein veröffentlicht wurden, und kaufte mir die Werke der preisgekrönten internationalen Schriftsteller.

Ausgerechnet die Werke von Clark Darlton gefielen mir gar nicht mehr. Ich fand sie zu der Zeit oft flach, manchmal kamen sie mir lustlos vor. Vor allem manche Gucky-Eskapaden mochte ich nicht mehr.

Zur selben Zeit fing ich an, mich mit dem politischen Flügel der Science-Fiction-Fans anzufreunden. Ich war engagiertes Mitglied in einem eher links stehenden SF-Club, und in diesem galt es als peinlich, PERRY RHODAN zu lesen. In manchen Gesprächen verheimlichte ich sogar, die Serie zu lesen, oder spielte meine Lektüre herunter.

Aber weil ich ein Jugendlicher war, der auf sich aufmerksam machen wollte, blickte ich mit großen Erwartungen zum PERRY RHODAN-WeltCon. Dieser wurde im Kongresszentrum Rosengarten in Mannheim veranstaltet, zog einige tausend Besucher an und war für mich von größtem Interesse: Endlich würde ich sehr viele Fans auf einmal kennenlernen, vielleicht auch Autoren!

Als ich Ende Oktober 1980 mit Rainer, einem etwas älteren Fan – er war schon weit über zwanzig Jahre alt und besaß ein Auto –, nach Mannheim fuhr, hatte ich mich entsprechend ausstaffiert. Ich hatte mir einige Buttons selbst gebastelt und auf meine Jeans-Jacke getackert: Einmal »Stoppt Gucky« im Stil der damaligen »Stoppt Strauss!«-Aufkleber, mit denen man – wie ich wusste – die Erwachsenen so toll provozieren konnte, und einmal »Clark Darlton – Nein Danke« im Stil von »Atomkraft – Nein Danke«.

Mit dieser Jacke lief ich auf dem Con herum. Ich hatte meinen Fanzine-Verkaufsstand, wo ich viel Zeit verbrachte, saß aber ebenso im großen Saal des Rosengartens oder war auf den weiten Gängen unterwegs. Ich knüpfte viele Kontakte, die ich über Jahrzehnte hinweg weiter pflegte. Es gab Menschen, die ich in Mannheim traf und mit denen ich später zusammenarbeitete. Die Atmosphäre in der Halle beeindruckte mich, die positive Stimmung und die gute Laune der Autoren und der Fans …

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