Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Seit Mitte der 90er-Jahre ist die Bundesakademie für kulturelle Bildung
in Wolfenbüttel ein Ort, an dem unter anderem Seminare für angehende
Science-Fiction- und Fantasy-Autoren angeboten werden. Mit dabei ist
seit 1997 auch Uwe Anton;
immer wieder wirkt der Autor und Übersetzer an diesen Seminaren mit.
Als Dozent hat er sich auf das Thema der Science-Fiction-Kurzgeschichte
spezialisiert. Unser erstes gemeinsames Seminar hatten wir im Dezember
1997.
Im voraus hatte die Bundesakademie für die Veranstaltung
geworben. Es hatten sich viele Autorinnen und Autoren angemeldet, die
Akademie hatte aus diesem Personenkreis eine Auswahl getroffen. Ebenso
hatten wir eine Schreibaufgabe gestellt.
Damit
wir vergleichen konnten, was die Autorinnen und Autoren schrieben,
wollten wir von ihnen eine neue Kurzgeschichte haben. In der
Ausschreibung hatte ich mehrere Schwerpunkte festgelegt. Der Anfang
klang noch recht harmlos: »Stellen Sie sich vor, Sie bekommen den
Auftrag, für ein technisch orientiertes oder computer-technisches
Magazin eine Kurzgeschichte mit Science-Fiction-Gehalt zu schreiben.«
Klar
legten wir den Umfang fest: »Diese Geschichte darf nicht kürzer als
fünf Seiten und nicht länger als zehn Seiten (à 30 Zeilen à 60
Anschläge) sein, damit sie ins Layout passt.« Wir wollten nicht zu viel
Text haben, wir wollten vor allem nicht das gesamte Seminar damit
verbringen, umfangreiche Geschichten zu besprechen.
Wichtig war
unter anderem der inhaltliche Schwerpunkt: »Diese Geschichte sollte
einen technischen Gag oder einen technischen Hintergrund besitzen, soll
aber auch für Nicht-Techniker verständlich sein. (Wer mag, kann
natürlich auch eine psychologisch orientierte Handlung aufbauen, sollte
aber hier die angenommene Zielgruppe berücksichtigen.)«
Darüber
hinaus zählte zu den Vorgaben waren, dass ich keine Kurzgeschichten aus
den Bereichen der Fantasy – ich schrieb von »Magie, Zauberei und andere
unwissenschaftliche Themen« – oder des Horrors haben wollte.
Wie
immer reiste ich mit der Bahn an. Wolfenbüttel ist von Karlsruhe,
meiner Heimatstadt, einige hundert Kilometer entfernt. Für meine Zwecke
empfiehlt sich eine Bahnfahrt, weil ich da lesen und arbeiten kann. In
diesem Fall nahm ich mir die Texte vor, die von der Bundesakademie zu
einem Reader aufgebunden worden und an alle Autoren und Dozenten
verschickt worden waren. Manche Geschichten gefielen mir gut, andere
strotzten vor Fehlern und unlogischen Handlungselementen – es würde
genügend Stoff zur Diskussion geben.
Ich war pünktlich vor Ort.
Im Gästehaus der Bundesakademie traf ich auf Uwe Anton, der es von
Wuppertal aus nicht so weit hatte und früher angereist war, und Sabine
Oehlmann, die im Sekretariat der Bundesakademie für unser Seminar
verantwortlich war. Letzte Einzelheiten wurden diskutiert; Uwe und ich
besprachen noch einmal das eigentliche Programm unseres Seminars.
Los
ging es um 16 Uhr. Im großen Saal des Gästehauses saßen die sechs
Autorinnen und vier Autoren sowie wir Dozenten zusammen. Einige Personen
waren krankheitshalber vorher abgesprungen, so dass wir mit einer
verminderten »Mannschaft« arbeiten mussten. Das sollte sich aber
durchaus positiv auswirken. Interessant fand ich zudem, dass wir fast
nur »Wiederholer« am Platz hatten. Mit Ausnahme zweier Teilnehmer waren
alle anderen schon mehrfach in Wolfenbüttel Gäste eines
Science-Fiction-Seminars gewesen.
Als ersten Schwerpunkt hatten
wir ein Redaktionsgespräch. In einer Art Talkshow präsentierte ich Uwe
Anton; ich stellte Fragen, er antwortete – später gab es auch immer mehr
Fragen aus der Runde. Dabei bewies der in Wuppertal wohnende Autor viel
Humor und Schlagfertigkeit, die Runde lachte mehrfach, während er über
seine berufliche Laufbahn berichtete. Uwe erzählte, wie er als junger
Mann seine ersten Romane und Kurzgeschichten in den Bereichen Horror und
Science Fiction veröffentlicht hatte. Dann sprach er lange über seine
Übersetzungen (unter anderem Dean R. Koontz, damals sein Haupt-Autor,
sowie zahlreiche »Star Trek«- und »Star Wars«-Romane), was für die
Teilnehmer sicher ebenfalls so spannend war wie für mich.
In der
Fragerunde gab er weitere Informationen über den Verlags- und
Autorenalltag; er konnte aus seiner langjährigen Erfahrung berichten.
Auch ich steuerte Anekdoten und Informationen bei: Wie funktioniert ein
Buchverlag, welche Unterschiede gibt es zur Produktion von Heftromanen,
wie wird sich das Verlagsgeschäft entwickeln? (Übrigens dachte damals
niemand in der Runde an E-Books. Auch das Internet war für einen
Großteil der Teilnehmer zu dieser Zeit noch komplettes »Neuland«.)
Danach
ging es an die eigentliche Arbeit: Wir besprachen die Geschichten, die
von den Autorinnen und Autoren eingereicht worden waren.
Im
Plenum wurden am Freitagabend und auch am frühen Samstagmorgen diese
Geschichten diskutiert. Uwe Anton und ich wiesen aus unserer Sicht auf
Fehler hin, die es immer wieder bei Stories gibt; die anderen Teilnehmer
sparten ebensowenig mit Kritik. Oft entzündete sich die Kritik am
Ablauf einzelner Geschichten, weniger an stilistischen Details – und
dabei ging es sehr schnell um die Frage, was eine Kurzgeschichte
eigentlich leisten kann oder soll.
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