Ein Logbuch der Redaktion
Das Schloss in der kleinen Stadt Wolfenbüttel sieht bei schönem Wetter
noch besser aus als sonst. Davon konnte ich mich am Wochenende vom 31.
August bis 2. September 2012 überzeugen. Ich war zusammen mit Uwe Anton
als Dozent dort – in der Bundesakademie für kulturelle Bildung finden
bekanntlich seit den 90er-Jahren Seminare für angehende Science-Fiction-
und Fantasy-Schriftsteller statt.
Wir tagten im Schloss der
Stadt, in dem zu diesem Zeitpunkt eine Art Ritter-Show für Kinder
veranstaltet wurde. Zelte waren aufgebaut worden, Kinder stromerten
durch das Gelände, es herrschte bei strahlendem Sonnenschein richtig
gute Stimmung. Uwe Anton und ich saßen mit einem Dutzend Autorinnen und
Autoren im sogenannten Chorsaal, wo wir über Kurzgeschichten
diskutierten, und versuchten, ihnen die richtigen Tipps zu geben.
Ein
Zitat aus der Ausschreibung belegt, in welch vielfältige Richtungen wir
gehen wollten: »Phantastische Welten ... auf denen noch nie zuvor ein
Mensch gewesen ist. Orks fordern Verständnis für ihre Lebensweise,
Zombies ziehen durch die Straßen, Vampire verlieben sich in Sterbliche,
Raumschiffe besuchen ferne Planeten. Das Spektrum der phantastischen
Literatur ist breiter denn je. Deshalb ist das Spektrum des Seminars
sehr breit: Es geht um kurze Geschichten in den Genres Fantasy, Horror
und Sciencefiction.«
Im Voraus hatten die Teilnehmer dieses
Seminars eine phantastische Geschichte eingereicht. Diese Geschichten
wurden kopiert und zu einem Reader aufgebunden, den jeder vor dem
Seminar erhielt – und am Freitagabend begannen wir gleich damit, die
erste Geschichte zu besprechen. Wir schauten uns an, welches Thema die
Autorin bearbeitet hatte, wo die Stärken und Schwächen des Textes lagen
und was man besser machen könnte.
Am selben Abend stellten wir
den Teilnehmern eine erste Schreibaufgabe. »Stellt euch vor, eine
schreckliche Seuche hätte Deutschland komplett entvölkert. Nur wenige
Menschen haben überlebt, höchstens ein Promille der Bevölkerung. Beginnt
eine Geschichte, die mit diesem Status arbeitet, und schreibt die
ersten fünf Sätze. Es kann Science Fiction, Fantasy oder auch Horror
sein.«
Warum stellten wir eine solche Aufgabe? Wir hatten nach
der Lektüre der Geschichten den Eindruck erhalten, dass die meisten
Autoren mit dem Anfang eines Textes ihre Probleme hatten. Daran wollten
wir sofort arbeiten, vor allem, nachdem wir in einer Einleitung
dargestellt hatten, wie man einen solchen Anfang möglichst gut verfassen
konnte.
Unter einem ziemlich schlimmen Zeitdruck – rund eine
halbe Stunde – mussten die Teilnehmer den Text schreiben; die Ergebnisse
wurden hinterher sofort vorgelesen und in der Runde diskutiert. Es gab
für manchen ein »Aha!«-Erlebnis, auch für mich: Die meisten Texte waren
besser als das, was die Autorinnen und Autoren im voraus eingereicht
hatten.
So endete der Freitagabend, 31. August, mit konzentrierter
Textarbeit. Wer wollte, konnte hinterher in halb-privatem Rahmen
weitermachen: Bei Bier und Wein und anderen Getränken zogen sich die
Dozenten sowie der Großteil der Seminarteilnehmer in eine bequeme
Sitzecke zurück. Dort wurde bis spät in die Nacht über alle möglichen
Themen diskutiert.
Kein Wunder, dass am Samstagmorgen, 1.
September, einige recht müde wirkten. Wir besprachen weitere Texte aus
dem Reader, gingen dort wieder verstärkt auf die Anfänge ein. Es stellte
sich heraus, dass viele der Teilnehmer durchaus ihre Schwierigkeiten
damit hatten, im begrenzten Raum einer Kurzgeschichte ihre Figuren
darzustellen. Also entschlossen wir uns, mit einer weiteren Übung zu
starten.
Aber das ist dann ein Thema für das morgige Logbuch der Redaktion ...
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