19 Juni 2022

Ein langer Spaziergang bei Altleiningen

Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«

Nach dem Mittagessen unternahmen Uwe Anton, Christian Montillon, Wim Vandemaan und ich einen ausgiebigen Spaziergang durch den Wald bei Altleiningen. Wir hatten das Arbeitspapier gelesen, das Wim für den Zyklus ab Band 2700 vorgelegt hatte. Es war in vielen Punkten sehr locker gehalten, bot aber eine gute Gesprächsgrundlage. Beim Spaziergang erzählte Wim wesentlich ausführlicher, als es ein Papier machen konnte, was er sich darüber hinaus vorgestellt hatte.

Wim schlug einen Zeitsprung von achtzig Jahren zwischen Band 2699 und Band 2700 vor. Das sei ausreichend, um neue Figuren und neue Techniken einzuführen. Außerdem müsste man Zeit schaffen, damit der Mond – so die Idee – von einer fremden Macht übernommen werden konnte. Spannend an den Überlegungen fand ich, dass es keine Invasion von außen geben würde, sich aber noch näher zu definierende Gegner im Solsystem festsetzen sollten.

Der Autor skizzierte mündlich einige seiner Gedanken zum Atopischen Tribunal, die er noch in Zusammenhang mit den Laren und ihrer Geschichte bringen wollte. »Stellt euch ein Wesen vor, das buchstäblich am Ende der Zeit lebt, in einer Evolution, die nach den Kosmokraten und Chaotarchen kommt!«

Er erzählte von den Jenzeitigen Landen und vom Atopischen Tribunal. Das war alles noch nicht völlig ausgereift, wie ihm selbstverständlich bewusst war, aber es war gleichzeitig klar, dass Wim hier erste Ideen präsentierte, die für einen kompletten Zyklus ausreichten.

Christian, Uwe und ich hielten teilweise dagegen, wenn wir Dinge kritisch fanden, versuchten an anderen Stellen allerdings auch, so viel wie möglich zu ergänzen. So sprangen wir von Thema zu Thema, berauschten uns an der einen oder anderen »Spinnerei«, und bei alledem vergaßen wir, richtig auf den Weg zu achten. Zwar verirrten wir uns nicht im Wald, aber unterm Strich gingen wir einen riesigen Bogen und kamen erst nach einem sehr langen Spaziergang zurück auf die Straße und über diese bis zur Burg.

Dort setzten wir uns wieder an den Tisch, genossen Kaffee und Kuchen, Mineralwasser und Saft, und gingen an die Struktur unserer Arbeit. Wir fixierten die weiteren Abläufe im Detail.

Während Uwe Anton am Exposé für Band 2680 arbeite, solle schon das Exposé für den Jubiläumsband 2700 verschickt werden. Damit würden wir einen terminlich hervorragenden Vorlauf schaffen. Das sollte ausreichen, die Grundlagen für den neuen Zyklus zu erarbeiten. Wir wollten einen Auftakt schaffen, der auch dazu dienen konnte, neue Leser anzusprechen.

Ich formulierte eine Ideal-Vorstellung für den Start in den neuen Zyklus: Band 2700 sollte Andreas Eschbach schreiben, danach wollte ich gern einen Doppelband 2701/2702 von Hubert Haensel, haben, und Band 2703 könnte ein weiterer Gastautor verfassen.

Als nächsten Schritt musste ich aber das Autorenteam informieren; die Kolleginnen und Kollegen wussten ja nichts von unserer geheimen Besprechung. Ich notierte mir die Eckpunkte eines Informationsschreibens, dessen Inhalte ich mit Uwe, Christian und Wim absprechen würde. »Ich zeige euch die Mail, bevor ich sie rausschicke«, versprach ich.

Mit Rainer Castor, der seit Jahren die Hintergründe für die aktuelle Zyklusplanung erarbeitete, wollte ich zuvor noch telefonieren; diesen Kollegen musste ich als ersten Autor ins Boot holen. »Er ist für unsere Arbeit unverzichtbar«, argumentierte ich, und niemand widersprach.

Die Fans wollten wir frühestens im Herbst 2012 informieren. Das sollte ausreichen. Auch hier würde ich einen Text formulieren und mit den drei Autoren absprechen.

Wir gingen an diesem Tag nicht mehr spazieren; der lange Aufenthalt im Wald hatte durchaus angestrengt. Beim Abendessen diskutierten wir später wieder über die Inhalte, redeten uns die Köpfe heiß über Dunkelwelten und Atopische Richter, verschollene Monde und neue Raumschiffe.

Der nächste Morgen begann früh. In der Pension Jasber trafen wir uns um neun Uhr zum Frühstück, dann fuhren wir nach gemütlichem Beisammensein los. Ich war an diesem Samstag, 14. April 2012, am frühen Nachmittag wieder daheim, den Kopf voller neuer Ideen und Konzepte.

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