Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Als Robert Feldhoff und ich im Mai 1999 in Prag unterwegs waren, wurde unsere Geduld nicht nur einmal auf eine harte Probe gestellt. Viele unserer Gastgeber gaben sich redlich Mühe, den Aufenthalt so schön wie möglich für uns zu gestalten, mit anderen hatten wir allerdings mehr Probleme. Das merkten wir am Morgen des 7. Mai 1999; wir wollten nach dem Frühstück die kleine Pension verlassen, in der man uns einquartiert hatte. Wir wollten nicht »weitab vom Schuss« wohnen, sondern eher im Zentrum der Stadt.
Als uns die »Reiseleiterin«, wie wir die nette, aber manchmal ein wenig unbeholfene Dame nannten, abholte, äußerten wir den Wunsch, in ein Hotel in der Stadtmitte umziehen zu können. Im Nachhinein hoffe ich, dass wir den Wunsch trotz aller Sprachprobleme freundlich und höflich formulierten. Nach einigen Diskussionen klappte es auf wundersame Art und Weise, nachdem ich klargemacht hatte, dass die Kosten selbstverständlich die PERRY RHODAN-Redaktion in Rastatt tragen würde: Wir wurden mit dem Taxi zu einem Hotel gefahren, das komplett im Zentrum lag, in direkter Nähe zum Wenzelsplatz und anderen Sehenswürdigen.
Erleichtert ließen Robert und ich uns auf das folgende Programm ein. Wir spazierten durch die Innenstadt und kamen direkt zum Wenzelsplatz. Dort residierte der Verlag Zelezny, der in den späten 90er und frühen Nuller-Jahren die PERRY RHODAN-Romane in Tschechien verlegte. Der Verleger persönlich, ein grauhaariger, aber dynamisch wirkender Herr, nahm sich für uns Zeit. Wir saßen mit ihm in seinem Büro, wir guckten hinunter auf den Wenzelsplatz, und er erzählte von den großen Demonstrationen, die sich dort vor zehn Jahren versammelt hatten und durch deren friedlichen Widerstand die kommunistische Regierung abgelöst worden war.
Der Verlag wirkte zwiespältig auf uns. In den kleinen Büros, deren Ausstattung noch an die 70er Jahre erinnerte, saßen unterschiedliche Menschen. Während manche sehr phlegmatisch wirkten, sahen wir andererseits junge Leute, die voller Euphorie und Aufbruchgeist schienen. Insgesamt aber, so Herr Zelezny, hätte man das Problem, dass rings um den Wenzelsplatz längst die Mieten steigen und man diese als kleiner Verlag kaum mehr bezahlen könnte. Andererseits hänge man an dem schönen Büro und dem wunderbaren Ausblick.
Danach nahm uns Dr. Hlavicka unter seine Fittiche. Er war als Redakteur für die tschechische PERRY RHODAN-Ausgabe verantwortlich, und er übersetzte die meisten Romane. Ich kannte ihn von gelegentlichen Faxen her, die er nach Rastatt schickte und in denen er von mir Details erfragte. In jener Zeit, als Internet noch nicht allgemein verfügbar war, nutzten wir vor allem das Telefax für die schnelle Kommunikation.
Nie werde ich seine Frage nach einem Planeten vergessen. »Ist Stiftermann III nur ein Name, den ich nicht übersetzen soll, oder handelt es sich um einen Stifter und um einen Mann? In diesem müsste ich tschechische Begriffe finden.« Dr. Hlavicka sprach ein sehr gepflegtes Deutsch, wahrscheinlich war es grammatikalisch besser als das von süddeutschen Muttersprachlern wie mir, wobei sich in sein Deutsch die Betonung mischte, die man eigentlich nur noch aus alten Filmen kennt.
Er war ein vorzüglicher Kenner der deutschen und der tschechischen Kultur, verstand sich politisch als Antifaschist, und er zeigte uns Prag bei einem kleinen Stadtrundgang. Gemeinsam besuchten wir das jüdische Viertel, und der Übersetzer und Redakteur wusste zu fast jedem Gebäude eine alte und interessante Geschichte. Wenngleich ich das meiste doch rasch wieder vergaß, empfand ich den Rundgang als spannend und informativ zugleich.
Zum Mittagessen bei tschechischem Bier und tschechischen Spezialitäten trafen wir uns wieder mit dem Verleger. Wir saßen in einem Kellerlokal, das urtümlich eingerichtet war, mit wuchtigen Holztischen und schweren Balken, die sich durch das Gewölbe zogen. Herr Zelezny, der Verleger, hatte zwar eine Übersetzerin dabei, war aber die meiste Zeit in der Lage, sich mit uns in einem sehr guten Deutsch zu unterhalten. Angesichts meiner Tschechisch-Kenntnisse, die sich nach einem Tag Aufenthalt gerade mal auf ein »Guten Tag« beschränkten, war mir das schon ein wenig peinlich.
Im Gespräch selbst ging es um weitere Lizenzen. Der Verlag wollte expandieren, obwohl er massive Geldprobleme hatte. Zelezny interessierte sich beispielsweise ernsthaft dafür, die »Landser«-Romane, die ja ebenfalls beim Pabel-Moewig Verlag erscheinen, in die tschechische Sprache zu übersetzen. Ich war verblüfft. »Und das angesichts der gemeinsamen, nicht einfachen Geschichte?«
Zelezny lachte. Man müsste natürlich auswählen, welche Romane man nehme. Wenn's um den Partisanenkrieg gehe, sei das nichts für das tschechische Publikum. »Wenn der Feind aber die Russen sind, finden das unsere Leser sicher gut.« Tatsächlich äußerte er aber vor allem sein Interesse an den Seefahrer-Romanen; diese seien politisch neutral. (Ich brachte sein Anliegen nach meiner Rückkehr in Rastatt vor. Die Verlagsleitung fand das damals aber nicht interessant genug.)
Der Rest des Freitags verging mit Interviews. Unsere Reiseleiterin tauchte wieder auf und schleppte uns auf eine echte Presse-Tour. Robert Feldhoff gab Interviews für Tages- und Wochenzeitungen, aber auch der Redakteur eines Musik- und Szene-Magazins interessierte sich für PERRY RHODAN – dieses Interview führten wir im »stylisch« ausgestatteten Café eines schon etwas betagten Kinos.
Am frühen Abend schüttelten wir unsere Reiseleiterin ab und setzten uns in einer Altstadtkneipe zusammen. Wir legten bei Knödeln und anderen Spezialitäten einige Eckpunkte der Handlung fest, die für PERRY RHODAN-Band 2000 wichtig werden sollten – solche Gespräche mit Robert Feldhoff schätzte ich stets, weil ich oft das Gefühl hatte, mit ihm auf einer Wellenlänge zu sein.
Später stürzten wir uns ins Nachtleben, nachdem wir den Portier unseres Hotels befragt hatten. Wir landeten in einer Keller-Diskothek namens »Roxy«, in der es laut, lustig und trotzdem preiswert war, und amüsierten uns dort stundenlang. Aber das ist eine ganz andere Geschichte ...
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