12 März 2010

Mein TERRA ASTRA-Versuch

Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«

Im Sommer 1983 beschloss ich, als Autor endlich so richtig durchzustarten: Im Verlauf der letzten drei Jahre hatte ich zahlreiche Kurzgeschichten publiziert, nicht nur in Fanzines, sondern durchaus auch in professionellen Büchern, und ich fühlte mich nun »reif« für ein größeres Werk. Zudem hatte ich keinerlei Lust, nach der Schule eine Lehre oder ein Studium zu beginnen, und entschloss mich deshalb, einen Science-Fiction-Heftroman zu verfassen.

Zu jener Zeit sah die normale Karriere eines deutschsprachigen SF-Autoren so aus: Man publizierte erste Kurzgeschichten in Fanzines oder auf der Leserseite der PERRY RHODAN-Romane, bevor man bei TERRA ASTRA einen ersten Roman unterbrachte. Später kam der Einstieg bei der ATLAN-Heftromanserie oder bei den PERRY RHODAN-Taschenbüchern – und wenn man sich dort überall bewährt hatte, landete man irgendwann bei der PERRY RHODAN-Erstauflage.

Der damalige Jungautor Arndt Ellmer – mir auch unter dem bürgerlichen Namen Wolfgang Kehl aus diversen Fanzines bekannt – hatte es vorgemacht, und ihm wollte ich nachfolgen. Andere Vorbilder waren Andreas Brandhorst oder Thomas Ziegler, die allerdings den Weg nicht über PERRY RHODAN, sondern über die Serie »Die Terranauten« gewählt hatten und mittlerweile für Verlage wie Heyne, Bastei oder Corian schrieben.

Mein Roman nannte sich »Jenseits der Kuppel« und war ein ziemlich action-geladenes Abenteuer, eine Mischung aus klassischem K.H. Scheer und einem Schuss »1984«. So zumindest habe ich das Werk in Erinnerung, das seit vielen Jahren verschollen ist – womöglich ist das ohnehin besser so.

Ich tippte den Roman im Verlauf des Sommers 1983 mithilfe meiner alten Reiseschreibmaschine auf hellgraues Umweltschutzpapier, wie man das damals gerne tat, und bearbeitete ihn kritisch. Daraufhin tippte ich ihn noch einmal ab, diesmal in der von den Verlagen gewünschten Norm: 30 Zeilen pro Seite, 60 Zeichen pro Zeile, insgesamt also rund 1800 Anschläge pro Seite. Dann schickte ich die Leseprobe plus ein Exposé mit einem freundlichen Anschreiben an die Romanheft-Redaktion in Rastatt.

Am 5. Dezember 1983 verfasste Günter M. Schelwokat - »die SF- und Fantasy-Redaktion von MOEWIG/PABEL« unterzeichnete er – das Manuskript an mich zurück. Im ersten Absatz entschuldigte er sich dafür, dass er sich »erst heute« mit der Leseprobe befasst habe.

»Ganz allgemein möchte ich Ihnen sagen, daß Ihre Probe aus den meisten der vielen anderen Neulings-Einsendungen, die der Verlag erhält, positiv herausragt«, lobte mich der Lektor. Dennoch wies er mich auf einen kritischen Umstand hin: »Allerdings ist es so, daß wir seit der Zeit, da TERRA ASTRA nicht mehr wöchentlich, sondern nur 14täglich erscheint, einen großen Engpaß haben, was die Annahme von Werken neuer Autoren betrifft.«

Das war selbstverständlich ein großer Dämpfer für mich, und der zweite Schlag kam im abschließenden Absatz des Briefes: »Um also eine Annahme Ihres Manus zu bewirken, müßten Sie in jeder Beziehung besser sein als unsere Stammautoren. Und das ist bei Ihnen leider nicht der Fall.« Aus diesem Grund schickte er mir meine Leseprobe zurück.

Ich war gebührend beeindruckt. Klar erschütterte mich die Ablehnung, hielt ich mich zu jener Zeit doch für einen richtig guten Autor, andererseits freute mich, dass Schelwokat immerhin eine Begründung lieferte. Das kam in meinen Augen fast einem Ritterschlag gleich, und aus diesem Grund hielt ich das Ablehnungsschreiben jahrelang in Ehren.

Über einen Freund bekam ich später die Privatadresse des gestrengen Lektors mitgeteilt; er selbst hatte sie »im Vertrauen« von einem Mitarbeiter der PERRY RHODAN-Redaktion erhalten und gab sie mir »unter der Hand« weiter. Mein zweites Manuskript sollte ich doch direkt an die Schelwokat-Adresse schicken, nicht über den Verlag bei ihm einreichen. Das sei sicher sinnvoller und erbrächte garantiert einen größeren Erfolg.

Ich tat es nie, und längst bin ich froh darüber: Nichts können Verlagslektoren weniger leiden als diese unerwünschte Vermengung von Privatsphäre und Beruf. Schelwokat hätte sich garantiert nicht darüber gefreut, von mir einen geschäftlichen Brief an seine private Adresse zu erhalten. Verlagspost wurde beim Verlag in Rastatt gesammelt und nach Straubing zu ihm nach Hause geschickt, so sollte das in all den Jahren bleiben.

Der Briefwechsel vom Jahr 1983 sollte der einzige zwischen mir und Günter M. Schelwokat bleiben. Ich war einer von vielen Jungautoren, die versuchten, ihre fehlerbehafteten Manuskripte bei einem professionellen Verlag zu veröffentlichen – er war seit Jahrzehnten einer der wichtigsten Lektoren im deutschsprachigen Science-Fiction-Geschäft. Dass ich nur neun Jahre später Günter M. Schelwokats Nachfolge als PERRY RHODAN-Lektor antreten sollte, konnte ich zu diesem Zeitpunkt selbstverständlich nicht voraussehen ...

Keine Kommentare: