Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Es gibt die eine oder andere »eiserne Regel«, an die man sich im
Geschäftsleben zu halten hat. Dazu gehört, dass man nicht mit einer
Arbeit für eine andere Firma beginnt, bevor man nicht einen Vertrag in
den Händen hat, den beide Seiten unterzeichnet haben und der alle
Rechten und Pflichten eindeutig festlegt.
Dummerweise hatten wir
einen solchen Vertrag noch nicht einmal ausgehandelt, als wir mit der
Arbeit begannen, eine Taschenbuch-Staffel für den Heyne-Verlag zu
entwickeln. Meine Argumentation: »Heyne ist ein seriöses Verlagshaus,
und Sascha Mamczak wird sich an seine mündliche Zusage halten.« Meine
geheime Überlegung: »Und wenn's völlig schiefgeht, müssen wir die sechs
Bücher eben im eigenen Buchverlag veröffentlichen.«
Aber selbstverständlich ging ich davon aus, dass die Zusammenarbeit mit Heyne erfolgreich sein würde. Ähnlich dachte Robert Feldhoff.
Während wir an der laufenden PERRY RHODAN-Serie weiter arbeiteten und
jede Woche wegen aktueller Romane und Exposés telefonierten, sprachen
wir immer wieder über sechs Taschenbücher für Heyne. Welche Autoren
sollten wir nehmen, welche Themen auswählen?
Robert griff in den
Gesprächen immer wieder die Aussage von Sascha Mamczak auf, dem
verantwortlichen Lektor im Heyne-Verlag: »Wenn wir den Kinofilm zur
Fernsehserie machen wollen, müssen wir etwas Großes schaffen«,
argumentierte er. »Wir können da keine kleinen Brötchen backen.« Er
argumentierte vor allem, dass wir ein Terrain für die sechs
Taschenbücher wählen sollten, das die Stammleser sehr gut kannten, das
aber auch ein Neuleser sofort einzuordnen wüsste. »Wir nehmen Andromeda,
da spielt gerade sowieso nicht die aktuelle Erstauflage, und das mögen
die Leser.«
Bei den Autoren war eines klar: Der einleitende Roman
musste von jemandem geschrieben werden, der die Serie sehr gut kannte
und der trotzdem einen »Blick von außen« hatte, ein Autor zudem, den die
Heyne-Kollegen auch ihren Vertriebsleuten vermitteln konnten.
Schließlich ging es irgendwann ja darum, einem Vertrieb, der ansonsten
mit PERRY RHODAN nichts zu tun hatte, klarzumachen, dass er die neuen
Taschenbücher in eine Buchhandlung verkaufen sollte.
Wir
entschieden uns für Uwe Anton als Autor des ersten Romans: Er kannte
PERRY RHODAN perfekt, und den Vertriebsleuten konnten wir ihn als
erfahrenen Schriftsteller und Übersetzer empfehlen, der »nicht nur diese
Heftromane« schrieb. Den Abschlussband sollte Ernst Vlcek
schreiben – schließlich sollte es in diesem Roman um die »kosmische
Dimension« des Sechsteilers gehen, und Ernst als ehemaliger Exposéautor
war für dieses Thema prädestiniert.
Leo Lukas bot sich deshalb
an, weil er den Heyne-Vertriebsleuten bereits durch seinen
»Shadowrun«-Roman bekannt geworden war. Bei Frank Böhmert wollten wir bewusst experimentieren, während wir bei Hubert Haensel und Frank Borsch wussten, dass beide Autoren sehr gut schrieben: sowohl für Stamm- als auch für potenzielle Neuleser.
Das
beste bei unseren Überlegungen war: Die Autoren hatten genügend Zeit.
Wir wollten nämlich alle sechs Taschenbücher im Juni 2002 vorliegen
haben, um sie idealerweise gleichzeitig redigieren zu können. Das Ziel
war, alle Termine halten zu können. Robert und ich waren sehr
optimistisch, dass dies ausnahmsweise klappen würde.
Um die
Autoren stärker in die Arbeit einzubinden, ließ ich eine Mailing-Gruppe
einrichten. Robert stellte inhaltliche Schwerpunkte vor, die Autoren
diskutierten über Ideen und Vorschläge. Figuren wurden gemeinsam
entwickelt, und den Figuren wurden teilweise sehr individuelle Elemente
verliehen: Ein Maahk beispielsweise sollte ein T-Shirt über seinem
Raumanzug tragen, und er sollte ein Musik-Fan sein. Das klang in der
Diskussion ein wenig schräg, kam aber gut an.
Ähnliches galt für
Liebesbeziehungen zwischen den Haupt- und Nebenfiguren oder dem
Verhalten eines Haustieres – des Klonelefanten Norman –, das mit dabei
sein sollte.
Wir fingen Ende 2001 mit den vielen Diskussionen an;
Hunderte von Mails wurden gewechselt, und zeitweise diskutierten wir
vor allem über Details sehr ausführlich. Robert versuchte, das alles
irgendwie aufzugreifen und zu berücksichtigen. Dass bei alledem der
»normale Betrieb« einer wöchentlichen Heftromanserie weiterlaufen
sollte, machte das ganze zeitweise kompliziert.
Immerhin hatten
wir bereits einen Arbeitstitel: Die sechs Taschenbücher sollten als
»Schattenspiegel-Zyklus« erscheinen, da die unbekannte Superintelligenz
einen sogenannten Schattenspiegel zum Schutz ihrer Unternehmungen
aufbauen sollte. Ebenso hatten wir einige Titel definiert. Uwe Anton
hatte für seinen Roman den Titel »Schatten über Andromeda«
vorgeschlagen, den ich gut fand. Die Bände zwei und drei sollten »Der
Weltraumbahnhof« und »Der Schwerelose Zug« heißen, was geheimnisvoll
klang.
Beim vierten Band wussten wir noch nicht so recht, ob wir
den ursprünglichen Vorschlag von Robert Feldhoff, nämlich »Die Retter
von Andromeda« oder den Vorschlag von Frank Böhmert nehmen sollten.
Frank hatte sich für »Die Sternenhorcher« ausgesprochen. Beim fünften
Band war nicht sicher, ob »Die Glücksritter von Tefrod« oder »Der
Schattenspiegel« besser waren, während der sechste Band mit »Die
Zeitstadt« recht früh definiert war.
Mir war sowieso eines
bewusst: Der Heyne-Verlag würde entscheiden, wie die Romane endgültig
hießen. Dabei waren die Überlegungen des Heyne-Lektorats um Sascha
Mamczak ebenso wichtig wie die Gedanken der Vertriebsleute. Auch wenn in
vielen Verlagen eine natürliche Rivalität zwischen Vertrieb und
Redaktion herrschte, wusste ich doch sehr gut, dass man ohne die
Kollegen in diesem Bereich schlicht kein Buch verkaufte ... und wer
Bücher macht, der hat es gern, wenn sie ihre Kunden finden.
Unsere
Vorarbeiten gediehen bis zum Beginn des Februar 2002. Dann hatte Robert
Feldhoff sein Rundschreiben fertig, mit dem er den offiziellen
Startschuss zum gemeinsamen »Schattenspiegel«-Projekt gab.
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