Aus der Reihe »Der Redakteur erinnert sich«
Nach ziemlich genau zwei Jahren, in denen wir allerlei Rückschläge erlitten, war es kurz vor dem 5. September 2002 endlich soweit: Der erste PERRY RHODAN-Comic der neueren Zeit sollte erscheinen! Wir hatten die Verlags- und die Geschäftsleitung von unserem Konzept überzeugt, und das, obwohl wir zwischendurch selbst nicht mehr daran geglaubt hatten.
Sogar unsere Verlagsleiterin im Zeitschriftenbereich ließ sich öffentlich zu begeistert klingenden Aussagen hinreißen: »PERRY RHODAN, der Comic, ist natürlich eine Verbeugung vor unserer Stammleserschaft, die immer wieder eine Visualisierung ihres Helden eingefordert hat. Uns geht es insbesondere darum, die junge Lesergruppe anzusprechen. Teenager werden mit PERRY RHODAN, dem Comic, einen schnellen, spannenden Einstieg in das ›Perryversum‹ finden.«
Das war tatsächlich unser Hauptaugenmerk: Wir wollten vom aktuellen Boom der amerikanischen Comic-Hefte profitieren, die zu dieser Zeit auf den Markt kamen. Relativ neue Verlage wie Infinity mit seinen Reihen »Spawn« und »Darkness« oder auch viele neue Übersetzungen amerikanischer Comic-Titel aus den DC- und Marvel-Universen brachten junge Leute zur Comic-Lektüre.
Mein Ziel, einen PERRY RHODAN-Comic zu publizieren, der die Massen ansprach und nicht nur einen hochspezialisierten Fan-Kreis, schien endlich zum Greifen nahe zu sein. Allerdings wussten diejenigen, die sich intensiv mit der Arbeit beschäftigt hatten, dass die Sachlage nicht so einfach war.
Verantwortlicher Redakteur war Frank Borsch, und er hatte in Monaten intensiver Arbeit ein möglichst gutes Produkt in den Handel bringen wollen. Ahnung hatte er in hohem Maße: Zu dieser Zeit übersetzte er selbst Comics und war unter anderem für die deutschsprachige Ausgabe des Erfolgstitels »Daredevil« verantwortlich.
»Es ist uns gelungen, die besten Könner ihres Fachs zu verpflichten«, so berichtete er in einem Interview. »Die Story stammt von Uwe Anton, einem der ganz Großen der deutschen Science-Fiction-Szene und darüber hinaus einer der beliebtesten PERRY RHODAN-Autoren; das Lettering übernimmt Dirk Schulz, der sich mit seiner Comic-Serie ›Indigo‹ einen Namen machte.«
Bewusst hatten wir auf einen amerikanischen Künstler gesetzt. um international durchstarten zu können. »Wir konnten den Kalifornier Karl Altstaetter als Zeichner für uns gewinnen«, äußerte sich Frank Borsch im eben erwähnten Interview.
Altstaetter, Gründer und Leiter des amerikanischen Studios Hyperwerks, galt zu der Zeit tatsächlich als der kommende Comic-Künstler in den Vereinigten Staaten. Mit »Deity«, einer aufregenden Mischung aus »Mythos, Hip-Hop und Anime« (so nannte es Karl Altstaetter) konnte er einen der Überraschungserfolge zu Beginn der Nuller-Jahre landen. Im persönlichen Gespräch hatten wir zudem gleich eine gemeinsame Basis gefunden, und ich fand den Mann sehr sympathisch.
Auch unsere Verlagsleiterin stimmte dem zu; zumindest ließ sie sich von mir in einem Pressetext die folgenden Aussagen in den Mund legen: »Meines Wissens ist das die erste deutsch-amerikanische Zusammenarbeit auf dem Comic-Sektor überhaupt. Und wir glauben, mit Uwe Anton und Karl Altstaetter ein kreatives Dream Team gefunden zu haben. Der Autor sorgt mit seiner Story dafür, dass der Comic ein echter PERRY RHODAN ist, während der Zeichner mit seiner Perspektive von ›außen‹ einen frischen, state-of-the-art-Look beisteuert.«
Auch Altstaetter selbst äußerte sich mehrfach positiv zum laufenden Projekt: »PERRY RHODAN hat mich auf den ersten Blick fasziniert!«, erinnerte er sich in einem Interview an die Frankfurter Buchmesse, auf der wir über das Projekt sprachen. »Ich spreche kein Deutsch, aber die Bilder, die Klaus mir vorlegte - ich habe später erfahren, dass sie von Johnny Bruck stammen - zogen mich sofort in ihren Bann. Ich spürte sofort, dass ist ein große Sache. Und da wollte ich unbedingt dabei sein!«
In den Tagen vor dem offiziellen Erscheinungstermin rotierte noch die Maschinerie in Sachen Werbung und Öffentlichkeitsarbeit. Wir schalteten Anzeigen in den unterschiedlichsten Comic-Heften, und wir gingen mit einer mutigen Druckauflage von 75.000 Exemplaren an die Verkaufsstellen. Es sollte klappen, es musste klappen, und ich war unterm Strich sehr optimistisch.
Dabei war mir selbst klar, dass die Qualität des Comics sehr durchwachsen war. Frank Borsch hatte mehrfach gefordert, den Erscheinungstermin zu verschieben. »Wir müssen bessere Seiten haben«, hatte er argumentiert. Aber zu diesem Zeitpunkt mussten wir den Termin halten, der mit dem Vertrieb vereinbart worden war - und ich bezweifelte, dass Karl Altstaetter seine Idealform finden würde. Es hatte sich als schwierig erwiesen, ihn auf die PERRY RHODAN-Linie einzuschwören, und wir hatten viel Zeit damit verloren, nicht optimale Bilder neu zeichnen und noch einmal neu zeichnen zu lassen.
Lange Diskussionen waren zu Beginn des Septembers 2002 aber unnötig: Wir hatten einen Termin, und wir mussten in den Handel. Alle zwei Monate sollte ein Heft erscheinen, sicherheitshalber hatten wir nur vier angekündigt. Für die 36 Seiten wollten wir einen Preis von drei Euro; das war teurer als andere Hefte, aber dafür boten wir exklusives Material und keine Übersetzung von bereits veröffentlichten Seiten.
Ich war gespannt auf die Resonanz, und ich drückte uns allen die Daumen. Und wie ein »echter« PERRY RHODAN-Fan war ich selbst sehr gespannt auf das zu erwartende Ergebnis ...
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen