Ein Logbuch der Redaktion
Wolfenbüttel in Niedersachsen ist eine sehr nette, ein wenig gemütlich wirkende Stadt. Wer es nicht weiß, kommt nicht auf die Idee, dass sich hier eine wichtige Bildungseinrichtung verbirgt: Die Bundesakademie für kulturelle Bildung residiert standesgemäß im Schloss der Stadt, besitzt aber auch ein Gästehaus, die Schünemannsche Mühle, in der ich mittlerweile Stammgast bin. Bei geschätzten zwei Dutzend Seminaren durfte ich dort schon übernachten.
Als ich am Montag, 1. Oktober, in Wolfenbüttel eintraf, merkte ich recht schnell, dass etwas nicht stimmte. Die Feuerwehr düste immer mal wieder mit Blaulicht durch die Stadt, und der Fluss, der um das Gästehaus herumfließt, trug sehr viel Wasser. Kein Wunder, dass ich beim Eintreffen mit freundlichem Lächeln gefragt wurde, ob ich sicherheitshalber Gummistiefel dabei hätte ...
Kein Witz: Die starken Regenfälle in den letzten Tagen hatten dazu geführt, dass die Gewässer der Region Hochwasser führten, teilweise über ihre Ufer traten und dann konsequenterweise für überschwemmte Keller sorgten. Wir hatten Glück: Die Oker, so der Name des kleinen Flusses, blieb mit ihrer Oberfläche knapp unter dem Erdgeschoss der Schünemannschen Mühle.
Und so konnte das Science-Fiction-Seminar in diesem Jahr seinen Anfang nehmen: Als Dozent wirkte zum letzten Mal Andreas Eschbach, ein wenig unterstützt von mir und von Dr. Olaf Kutzmutz, dem literarischen Leiter der Bundesakademie. Uns gegenüber saßen 16 Autorinnnen und Autoren, die unter dem wagemutigen Seminartitel »Wir schreiben das Jahr 3765 ...« mehr über das Verfassen von Romanen erfahren wollten.
Dem Anlass entsprechend – Andreas Eschbach gestaltete sein letztes Wolfenbüttel-Seminar – wollten wir uns diesmal mit dem Ende eines Romans beschäftigen. Wobei wir das von zwei Seiten angehen wollten: Erstens einmal geht es ja darum, dass ein Autor seinen Roman irgendwie überhaupt zu Ende bringen soll, und zweitens geht es ebenso darum, dass das Ende gelungen sein sollte.
Andreas brachte es dabei auf den Punkt: »Der Anfang verkauft das erste Buch, das Ende das nächste Buch.« Anders gesagt: Nur wenn der Autor (oder die Autorin) es schafft, sein (oder ihr) Buch so gut abzuschließen, dass sie Leser nach »mehr« hungern, besteht die Chance, dass es ein zweites oder drittes Buch geben wird.
»Leider« schafften wir es nicht so ganz, dieses Thema erschöpfend zu behandeln. Der Grund lag darin, dass der Diskussionsbedarf der Autorinnen und Autoren ausgesprochen groß war. Auch nicht schlimm: Letztlich geht es bei einem solchen Seminar darum, dass die Teilnehmer nicht nur etwas über die eigenen Texte lernen, sondern auch ein Gefühl dafür bekommen, wie man andere Texte beurteilt und damit etwas für sich selbst erfahren kann.
So hatten die Teilnehmer für das Seminar drei Texte einreichen müssen: ein Exposé für ihr Romanprojekt, das sie vorstellen möchten, einen Brief, mit dem sie sich bei einem Verlag bewerben können, sowie die ersten fünf bis zehn Seiten aus dem geplanten Roman. Und über all das sprachen wir. Interessant dabei wie immer: die Vielzahl an Ideen, stilistischen Ausrichtungen und Handlungsvorschlägen. Es gab Military-SF ebenso wie Fantasy, sogar ein historischer Roman und ein literarisches Experiment befanden sich in den von den Teilnehmern präsentierten Texten.
Drei Tage spannender Diskussion also, die in den Pausen ebensowenig aufhörte wie »nach Feierabend«: Wir unterhielten uns in diesen »Leerzeiten« über die Schreib-Praxis und über PERRY RHODAN oder über Science Fiction im Allgemeinen, aber auch über Arbeitslosengeld und Religionen, Kindererziehung und Afrika-Reisen, Berufswahl und »Gender«-Unterschiede.
Übrigens sind dies alles Themen, die in Romane einfließen können und sogar für Science-Fiction-Themen durchaus spannend sein dürften – ein Schriftsteller benutzt letztlich seine gesamte Umwelt als Vorlage, als Hintergrund für Romane und als Inspirationsquelle für Ideen, Figuren und Handlungsverläufe.
Ich fuhr am Mittwoch, 3. Oktober, mit einer gewissen Trauer zurück von Wolfenbüttel: Mehrere Jahre hat Andreas Eschbach mit seiner Art, Seminare zu führen und zu begleiten, die Science-Fiction-Schreibkurse in der Bundesakademie geprägt. Es ist zwar nachvollziehbar, dass er für sich den Entschluss gefasst hat, damit aufzuhören, aber es ist ebenso festzustellen, dass er »uns allen« sehr fehlen wird.
1 Kommentar:
Ich kann Klaus nur nochmal zustimmen: Wirklich schade, dass Andreas nicht weiter machen will. Er ist ein wirklich kompetenter und angenehmer Lehrer.
Aber wenigstens du machst ja weiter, und das ist schön!
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