Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«:
Kommt man in die Jahre, wird die Erinnerung an die frühe Jugend prägender und intensiver. Da geht es mir nicht anders als vielen anderen Menschen. So erinnere ich mich noch unglaublich gut an den Sommer 1977, an eine Zeit, in der alles noch beschwingt und einfach schien, in der mir die Welt offenstand und ich mit offenen Augen träumte – von Raumschiffen und Aliens, vom Mausbiber Gucky und der großen terranischen Expedition nach Andromeda.
Im Sommer 1977 entdeckte ich PERRY RHODAN für mich, und ich weiß noch sehr genau, wie sich das »anfühlte«. Und ich freute mich darauf, dass bald die vierte Auflage starten würde, damit ich von Anfang an mitlesen konnte.
Dabei fand ich PERRY RHODAN anfangs überhaupt nicht ansprechend. Im Frühjahr 1977 hatte ich angefangen, in Heftromane hineinzuschnuppern, wahrscheinlich deshalb, weil ich die öffentliche Bücherei in dem Schwarzwalddorf, aus dem ich stammte, bereits »durchgelesen« hatte und nach neuen Herausforderungen lechzte.
Die Western-Serie »Lassiter« sprach mich nicht an, auch wenn ich mit den Schulkameraden auf die Suche nach den damals noch sehr harmlosen Sex-Szenen in den Romanen ging - mit heißen Ohren, versteht sich. Ich erinnere mich noch sehr gut an das Vergnügen, das ich hatte, als Lassiter, der Held der Serie, einem Agenten von Well's Fargo, den er gefangen genommen hatte, die Hosen herunter zog und auf den blanken Hintern die Buchstaben »W« und »F« malte: auf jede Po-Backe einen Buchstaben und das in schwarzer Farbe. An solche Details erinnere ich mich 30 Jahre danach tatsächlich, der Rest ist grau oder verschwunden ...
Selbstverständlich las ich einige »Landser«-Hefte, nicht zuletzt deshalb, weil ich mehr wissen wollte über die Kriegserfahrungen meines Vaters, von denen er nie sprach. Doch die Abenteuer deutscher Soldaten an der Ostfront, die sich allein oder in kleinen Gruppen gegen angreifende Soldaten durchsetzen mussten, begeisterten mich nicht.
Und PERRY RHODAN? Ich saß im Schulbus oft hinter Thomas, einem Schüler, der auf dasselbe Gymnasium wie ich ging, aber eine Klasse höher. Einmal las Thomas einen PERRY RHODAN-Roman. Auf dem Cover war ein Kelosker zu sehen, es ging um den Kampf der Terraner gegen die Laren und Überschweren, und ich verkündete im Brustton der Überzeugung, »so einen Quatsch« nie lesen zu wollen. Ich war gerade mal 13 Jahre alt und fand mich sehr erwachsen.
Bis der Sommer kam ...
Mit zwei Brüdern, die im selben Dorf wohnten und mit deren Eltern meine Eltern sehr gut befreundet waren, wollte ich einige Tage zelten gehen. Die Eltern der Brüder verfrachteten uns mit ihrem großen Auto auf einen Campingplatz im Schwarzwald. Ich weiß nicht mal, wo genau der Platz lag und zu welcher Gemeinde er gehörte, aber ich habe noch sehr gut das Zelt im Gedächtnis, die anderen Zelte voller Jugendlicher in der »Nachbarschaft« und vor allem den Bach, auf dem wir mit einem Schlauchboot herumpaddelten.
Dummerweise hatte ich genau ein einziges Buch dabei, das am zweiten Tag »aus« war. Es war ein »erwachsener« Roman, einer von Will Berthold, und es gab viele Sex-Szenen, die für einen Jugendlichen am Anfang der Pubertät selbstverständlich sehr beeindruckend waren. Aber beim zweiten Versuch lasen sie sich nicht mehr so spannend wie beim ersten Mal – und dann blieb mir nichts anderes übrig, als mir die PERRY RHODAN-Hefte anzuschauen, die im Gepäck der zwei Brüder lagen.
Die waren nämlich eifrige PERRY RHODAN-Leser, nicht zuletzt dank ihres schon 18 Jahre alten Bruders, und besaßen einige hundert Romane. Mein erster Roman war »Feind aus fremder Galaxis«, Heftroman 229 aus dem Zyklus »Meister der Insel«, und ich verstand praktisch nichts. Immerhin ging es um einen kleinen Mausbiber, der sehr frech war, und um einen merkwürdigen Außerirdischen namens Grek-1. Perry Rhodan tauchte am Rand auf, aber er spielte nicht die Hauptrolle. Das war sehr unterhaltsam, wenngleich ich viele Anspielungen nicht verstand.
Am gleichen Abend griff ich zum zweiten Roman; instinktiv hatte ich kapiert, dass man zuerst mit den niedrigeren Nummern anfing, um sich dann zu den höheren Nummern voranzuarbeiten. Es war »Der Metaphysische Krieg«, Band 593 aus dem Zyklus »Die Altmutanten«, und mein Verständnis wuchs nicht unbedingt. Immerhin spielte auch hier der Mausbiber mit, das war eine Erleichterung.
Ich fragte meine Kumpels, was denn ein Haluter sei und wie so einer aussehe. Die beiden Brüder, die sich als sehr lockere Leser erwiesen, wussten das nicht genau und konnten es mir nicht erklären. Also schnappte ich mir den nächsten Roman, weil ich dachte, dann mehr zu verstehen. »Der Mann von Barkon«, Band 827 und mitten im »Bardioc«-Zyklus ... das war richtig starker Tobak, obwohl ich die Tragik des einsamen Barkoniden gut verstand. Nur ... so richtig den Durchblick hatte ich damit nicht erlangt.
Das war mein Einstieg ins Perryversum. Kaum waren wir zurück im Heimatdorf, marschierte ich zum großen Bruder der zwei Brüder, und dieser gab mir einen kurzen Einblick in die Serie. »Du musst die Zyklen lesen«, sagte er, und dann drückte er mir rund 25 Romane des »Blues«-Zyklus in die Finger.
Ab diesem Tag war ich Fan. Ich las im Sommer 1977 zeitweise zehn PERRY RHODAN-Heftromane pro Tag, und ich fuhr ständig mit dem Rad von der einen Seite des Dorfes zur anderen und wieder zurück, um Nachschub für meinen Lesehunger zu besorgen. Ich träumte nachts von Raumschiffen und hungerte nach weiteren Lese-Abenteuern.
Und als ich erfuhr, dass im Oktober endlich-endlich die vierte Auflage starten würde, freute ich mich riesig. Endlich würde ich mitfiebern können, endlich würde ich die Abenteuer Perry Rhodans von Anfang an verfolgen: die Mondlandung, die Begegnung mit den Springern, Topsidern und Ferronen, die Suche nach dem Ewigen Leben und der Vorstoß nach Arkon. Ich wartete auf den 12. Oktober 1977, ich hatte mir den Tag im Kalender rot angestrichen – und ab diesem Tag war ich ein regelmäßiger PERRY RHODAN-Käufer.
Ich hab's nie bereut.
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