21 Juni 2007

Der Francis-Klassiker schlechthin


Den meisten Lesern ist H. G. Francis heutzutage vor allem durch seine PERRY RHODAN-Roman bekannt, viele kennen darüber hinaus seine Hörspiele, für die er zahlreiche Auszeichnungen erhielt, und vielleicht noch seine »Rex Corda«-Serie. Eher weniger bekannt ist die Tatsache, dass der bei Hamburg lebende Autor eine Reihe von außergewöhnlichen Science-Fiction-Romanen schrieb, von denen »Die vom fünften Hundert« sicher einer der herausragenden war.

Umso besser, dass dieser Roman jetzt vom kleinen, aber feinen Mohlberg-Verlag nachgedruckt worden ist: in einer schönen Paperback-Ausgabe und innerhalb der Reihe »Utopische Welten Solo«, in der auch andere klassische Werke von PERRY RHODAN-Autoren erschienen sind. Zuletzt wurde »Die vom fünften Hundert« übrigens 1986 als Taschenbuch in der damaligen Taschenbuchreihe Moewig-SF publiziert – und damals las ich den Roman zum erstenmal und fand ihn klasse.

Das Werk, ursprünglich 1970 als Heftroman und unter dem Pseudonym R.C. Quoos-Raabe innerhalb der Reihe »Zauberkreis SF« erschienen, wurde für die aktuelle Ausgabe vom Autor noch einmal bearbeitet, modernisiert und erweitert. An der grundsätzlichen Story wurde allerdings nichts geändert – was auch nicht nötig war. Die wirkt nämlich heute noch.

Die Zukunftswelt, die H. G. Francis in diesem Buch schildert, ist nämlich eine düstere: Der Held, ein gewisser Kasteron, wohnt in einem gigantischen Haus, das 800 Stockwerke hoch ist und in der Nähe von San Francisco liegt. Die Außenwelt ist streng abgeschirmt, denn sie ist angeblich lebensfeindlich; dort kann niemand leben, wie es heißt. Kasteron gehört zu jenen vom fünften Hundert, also den Bewohnern der Stockwerke 400 bis 499, die zwischen den Elendsquartieren der Unterschicht und den komfortablen Appartements der Oberschicht leben und arbeiten.

Eigentlich wäre er ganz glücklich, doch dann ändert sich auf einmal alles: Kasteron verliebt sich in die falsche Frau, er fängt Streit mit ihrem Ex-Liebhaber an, der zu allem Überfluss ein Polizist ist, und damit gerät er in eine Spirale aus Auflehnung und Rebellion, die ihn letztlich in die tiefsten Stockwerke des riesigen Hauses führt, dorthin, wo die Menschen unter fürchterlichen Bedingungen dahinvegetieren ...

»Die vom fünften Hundert« ist ein Roman, der 1970 zur absolut gesellschaftskritischen Science Fiction zählte. Auch heute noch sind die Fragen, die sich Kasteron stellt – und die der Autor damit dem Leser vor Augen hält –, von Bedeutung: Ist es richtig, dass eine Oberschicht über die Welt herrscht, die keinerlei Kontakt zu »denen da unten« hat, und wer bestimmt denn eigentlich, wem es in der Welt gut und schlecht geht?

Natürlich mussten diese Fragen im Jahr 1970 und im Rahmen eines Heftromans mit einem relativ guten Ende beantwortet werden. Doch dieses Ende ist komplett offen, denn Kasteron beginnt zwar mit einer Rebellion, die wohl weiter ihre Kreise ziehen wird, aber er verweigert sich dem endgültigen Aufstand gegen die Machthaber, indem er sich ins Private zurückzieht und sein eigenes Leben wählt. Diesen grundsätzlichen Ansatz behält natürlich die aktuelle Version des klassischen Romans bei; trotzdem merkt man an zahlreichen Passagen, dass der Autor »modernisiert« hat. (Leider wurde vom Verlag nicht lektoriert, wie es scheint, denn es finden sich immer wieder ärgerliche Kleinstfehler im Text.)

Ein spannender Roman ist »Die vom fünften Hundert« allemal, und mit 168 Seiten hält sich die aktualisierte Druckfassung an eine erfrischende Kürze. Wer H. G. Francis anhand seiner PERRY RHODAN-Romane beurteilte, wird sich nach Lektüre dieses Werks möglicherweise die Augen reiben. Einen Blick in den Roman möchte ich jedem Freund »erdnaher« Science Fiction empfehlen, der abseits der Space Opera und des Weltraumabenteuers einen interessanten Roman lesen mag.

Erschienen ist das Paperback im Mohlberg-Verlag, wo es auch bestellt werden kann. Ebenso kann das Buch für 12,90 Euro mit Hilfe der ISBN 978-3-936229-71-4 im Buchhandel gekauft werden; selbstverständlich haben es auch Versender wie amazon.de in ihrem Angebot.

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