Aus der Reihe: »Der Redakteur erinnert sich«
Im Frühjahr 1986 besuchte ich zum ersten Mal Horst Hoffmann. Der PERRY RHODAN-Autor war damals nicht als Schriftsteller für die größte SF-Serie der Welt tätig, sondern als Chefredakteur – er war also mein Vor-Vorgänger im Amt.
Und der Grund meines Besuches war schlicht, dass ich mit ihm ein Interview für mein damaliges Magazin SAGITTARIUS führen wollte. Dies geschah auch, aber das ist eine ganz andere Geschichte, die zu einem anderen Zeitpunkt erzählt werden soll ...
Schon bei dieser ersten Begegnung erzählte mir Horst Hoffmann etwas, das ich für sehr interessant hielt. »Was fehlt«, so argumentierte er, »ist ein aktualisiertes PERRY RHODAN-Lexikon, eins, das nicht so schnell veraltet wie das letzte.«
Er hatte nicht unrecht, das war mir selbst klar. In den 70er Jahren hatte es ein einbändiges PERRY RHODAN-Lexikon gegeben, zusammengestellt von H. G. Ewers, und in den 80er Jahren folgte ein zweibändiges Lexikon, das im Aussehen den erfolgreichen Silberbänden glich. Publiziert wurde dieser Doppelband bereits 1983, verantwortlich für den Inhalt waren die damaligen Jungautoren Horst Hoffmann und Peter Terrid.
Doch der neue Ansatz war ein ganz anderer. Horst Hoffmann ging davon aus, dass ein gewöhnliches Lexikon bereits am Tag des Erscheinens veraltet sei, und das fand er nicht gerade überzeugend.
»Ich möchte im Prinzip etwas machen, das dem holländischen Vorbild ähnelt«, sagte er mir gegenüber. »Die holländischen Fans haben nämlich auch ein PERRY RHODAN-Lexikon, das erscheint aber in Form einer Loseblattsammlung.«
Seine Idee: Das Ganze sollte man mit den Feiern zum 25jährigen Geburtstag der Romanserie im Jahr 1986 kombinieren. Das Lexikon sollte eine sogenannte Einstiegsaktion sein und im Herbst 1986 erscheinen. Horst Hoffmann hatte bereits ein Konzept erarbeitet, das er im November 1985 der Verlagsleitung, dem Vertrieb, der Öffentlichkeitsarbeit und der Werbung präsentierte – ich bekam es bei meinem Besuch mündlich erläutert.
Zitat aus dem Konzept: »Ein PR-Kompendium soll jedem Leser als praktisches Nachschlagewerk Antwort auf die wichtigsten Fragen geben können, die sich bei der Beschäftigung mit der Serie stellen. Anders als beim Lexikon, sollte es in mehrere Konzepte untergliedert sein, wobei das Hauptgewicht auf einem chronologischen, ausführlichen Abriß der Handlung liegt.«
Horst wollte den Lesern eine Erstausstattung bieten, der sich dann eine regelmäßige Aktualisierung durch Ergänzungslieferungen anschließen sollte. »Das ist auch für die Sammler interessant«, sagte er mir augenzwinkernd, »die müssen das auf jeden Fall haben. Und alle anderen freuen sich ebenfalls, wenn sie eine regelmäßige Lieferung bekommen.«
Enthalten sollte das Kompendium, das Horst so nannte, weil es eben kein Lexikon sein sollte, unter anderem einen Handlungsabriss, ausführliche Darstellungen der Hauptfiguren, Beschreibungen der Zyklen und vieles andere mehr. Den Personenteil stellte sich Horst in Form von Datenblättern vor, ebenso die Darstellungen von Völkern, Raumschiffen, Waffen oder »anderem technischen Gerät«, wie er es nannte.
Der Frage, was denn eigentlich »Kanon« sei oder nicht, wich Horst in seinem Konzept aus. Er wollte Taschenbücher beispielsweise nur dann berücksichtigen, wenn in ihnen Abenteuer geschildert wurden, die zum jeweiligen Zyklus gehören. Kurzgeschichten und anderes tauchten in seinem Konzept nicht auf; die gehörten nicht zum engen Serieninhalt, der nun einmal durch die Heftromane bestimmt wurde und immer noch wird.
Sein strukturelles Konzept überzeugte mich, wohl aber nicht die damalige Verlagsleitung. Zur damaligen Zeit dachte man in Rastatt in zwei Bahnen, die beide von dem ursprünglichen Verlagskern weg führten, also weg von den Heftromanen: Man entwickelte auf der einen Seite bereits neue Zeitschriften – im Jahr 1986 erschien mit »mini« eine Frauenzeitschrift ganz neuer Art – und arbeitete auf der anderen Seite daran, den Moewig-Buchverlag weiter auszubauen.
Moewig sollte einer der großen Mitspieler im deutschsprachigen Buchmarkt werden, und da fügte sich eine Loseblattsammlung, wie Horst Hoffmann sie vorschlug, einfach nicht mehr ins Konzept ein. So starb eine gute Idee, weil sie nicht den Planungen der Zeit entsprach.
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