Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Obwohl die Verlagsbranche mit dem »Roket-e-Book« gescheitert war, wollten wir in der PERRY RHODAN-Redaktion das Thema noch nicht aufgeben. Vor allem Miriam Hofheinz und Frank Borsch, die neu zu uns gestoßen waren, forcierten in den Jahren 2001 bis 2005 neue Geschäfte in Sachen E-Books.
Miriam Hofheinz wurde immer mehr zur treibenden Kraft. Sie schloss sich dem Arbeitskreis Elektronisches Publizieren (AKEP) an und knüpfte zahlreiche neue Kontakte. Ohne dass es manche der großen Verlage mitbekamen, entwickelte sich eine Infrastruktur aus kleinen Anbietern, die an das Thema E-Book glaubten. Unter Miriams Ägide entwickelte sich im Verlauf weniger Jahre für uns ein Geschäftsmodell, das seinerzeit wohl als einzigartig einzustufen war.
»Es war ein logischer Schritt, die Serie dorthin zu bringen, wo sich die technikbegeisterte Zielgruppe befindet«, stellte Miriam Hofheinz 2011 in einem Interview fest. »Für jede Serie ist es von existentieller Bedeutung, Nachwuchs zu rekrutieren. Es ist kein Geheimnis, dass der klassische Heftroman als angestaubt gilt. Besonders bei jüngeren Lesern liegt er alles andere als im Trend. Um diese dennoch auf den tollen Inhalt von PERRY RHODAN aufmerksam zu machen, mussten wir uns schlicht den Bereich der zukunftsweisenden E-Books zunutze machen.«
Die sechste Auflage
Nach intensiver Planung, Marktanalyse und Abstimmung wurde schließlich die sogenannte sechste Auflage geboren. Der Begriff entstammte einer Idee von Frank Borsch. »Wir werden nie wieder eine sechste Auflage in gedruckter Form in den Zeitschriftenhandel bringen«, argumentierte er. »Aber in digitaler Form können wir das schaffen.«
Fünfmal wurden die ersten Romane bereits im Heftformat publiziert, und wir orientierten uns an den vorangegangenen Printauflagen: Wir fingen also noch einmal bei Null an – oder vielmehr bei Band eins. So erschien bei readersplanet am 5. Dezember 2005 »Unternehmen Stardust« als E-Book. Die Zielgruppe waren Menschen, die Lust darauf hatten, unsere Romane als PDF zu lesen.
In der Folge arbeiteten wir mit anderen Partnern zusammen, die E-Book-Produktion wuchs. Die ATLAN-Serie kam auf diese Weise neu heraus, andere Zyklen folgten. Ab 2007 boten wir mithilfe unserer Partner auch die aktuellen Romane wöchentlich in der digitalen Version an; sogar die PERRY RHODAN-Silberbände 1 bis 20 wurden als E-Books veröffentlicht.
Noch waren die Zahlen nicht berauschend. Die Auflagen bewegten sich anfangs im dreistelligen Bereich. Wir stellten aber fest, dass es immer mehr Menschen gab, die das Display ihrer Telefone nicht nur zum Spielen benutzten oder Geld für Klingeltöne ausgaben – das Nokia- oder das Sony-Handy entwickelten sich trotz aller Probleme zu Lesegeräten für digitale Romane.
Eine App von Textunes
Mit Band 2500 änderte sich einiges. »Projekt Saturn« von Frank Borsch ebnete für uns den Weg zu den sogenannten Apps. Die Firma Textunes bot eine App an, mit der man die Serie auf dem damals immer noch neuen iPhone lesen konnte. Wir veranstalteten zu diesem Zweck im Juli 2009 eine Pressekonferenz in Hamburg; die Presse stieg begeistert auf das Thema ein.
Kein Wunder: Mit dem neuartigen Telefon waren ganz andere Möglichkeiten verbunden. Es war nun einfacher, auch längere Texte zu lesen, während man unterwegs war – man brauchte kein Buch mit sich herumzuschleppen, sondern konnte sein iPhone nutzen, das man ohnehin in der Tasche hatte.
Unser Ziel damals war klar: Wir wollten so einer völlig neuen Leserschaft den Zugang zum Perryversum ermöglichen – der Zuspruch wurde schnell größer.
Parallel dazu hatten einige Firmen bereits Geräte entwickelt, die reine E-Book-Reader waren. Vor allem das Sony PRS 505 und der Amazon Kindle sorgten ab 2008 für Aufsehen. Wir blieben in dieser Phase noch ein wenig zurückhaltend. Die App für das iPhone ab 2009 war eine echte Neuerung, bei den reinen Lesegeräten wollten wir abwarten.
Die technische Entwicklung ging aber weiter. 2010 wurde das iPad vorgestellt, andere Tablets kamen ab 2011 in den Handel. Gefühlt jeden Monat drängten weitere E-Book-Reader auf den Markt, die sich in Sachen Technik und Lesekomfort gegenseitig zu überbieten versuchten. Wir schlossen mit immer mehr Partnern einzelne Verträge ab, mit denen wir den Vertrieb von E-Books steuern konnten. Für uns wurde es langsam unübersichtlich.
Der Sprung zu Bookwire
Im Sommer 2011 kam dann der entscheidende Umbruch: Wir entschlossen uns nach einer langen Diskussion, alles zu vereinheitlichen, und entschieden uns für die Firma Bookwire, die in Frankfurt angefangen hatte, E-Books zu vertreiben. Das Unternehmen war zu der Zeit noch recht klein, bot aber etwas an, das wir nicht mehr leisten konnten: Wir würden ein fertiges E-Book an sie liefern, und sie würden dafür sorgen, dass es alle Shops gleichzeitig erhielten.
Bookwire war nicht die einzige Firma, die zu der Zeit mit ähnlichen Konzepten auf sich aufmerksam machte. Wir prüften die einzelnen Angebote – hier engagierte sich vor allem Bettina Lang –, und wir kalkulierten. Heidrun Imo vom Marketing erstellte Excel-Tabellen, die wir mit der Geschäftsführung diskutierten.
Ein wichtiger Punkt war tatsächlich: Bei Bookwire arbeitete zu jener Zeit eine Frau, die wir sehr gut kannten und schätzten. Es war Miriam Hofheinz, die PERRY RHODAN im Jahr 2008 verlassen hatte und nun – quasi von anderer Seite her – wieder für uns aktiv wurde.
Der Rest ist gewissermaßen Geschichte. »Wir sind sehr zufrieden mit der Entwicklung, aber noch lange nicht am Ende der Fahnenstange angekommen«, lautete im Herbst 2011 mein Resümee in einem Interview. »Das Ziel ist, unseren Lesern in naher Zukunft jeden jemals verfassten PERRY RHODAN-Roman auch als E-Book zugänglich zu machen.«
(Dieser Text wurde bereits im Oktober 2025 auf der Internet-Seite der PERRY RHODAN-Redaktion veröffentlicht. Hier wiederhole ich ihn aus dokumentarischen Gründen.)

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