23 August 2022

Der zweite Seminartag in Ahrensburg

Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«

(Vorbemerkung: Der folgende Text ist bereits in der Zeitschrift »SOL« veröffentlicht worden. Wir reichen ihn hier zur Dokumentation nach.)

Im Verlauf des 5. Dezember 2000 wurde die Veranstaltung immer stärker zu einem Seminar, das ich meist interessant fand.

Das Bild wurde bei anderen Vorträgen vertieft. Ich erfuhr, wie die Arbeit an einer Fernsehserie ablief, und vor allem bekam ich vermittelt, dass man sich bei den Sendern auf mancherlei Absprachen nicht verlassen konnte. Manche Serien waren in der jüngsten Vergangenheit nicht in der »richtigen Reihenfolge« ausgestrahlt worden – die Folge 10 vor der Folge 8 und ähnliches.

Das hatte direkten Einfluss auf die Konzeption einer PERRY RHODAN-Fernsehserie: Man durfte keine Folgen drehen, die zu direkt aufeinander aufbauten, weil man sich nicht auf die Sender verlassen konnte. Zudem sollte jede Folge für sich verständlich und in sich abgeschlossen sein. Manche Argumentation, die ich in diesem Zusammenhang hörte, kam mir bekannt vor; ähnlich wurde immer wieder im Verlag argumentiert.

Man zeigte uns Statistiken zu Sehgewohnheiten, zur Altersverteilung und zu den Geschlechtern. Wieder stellte sich heraus, dass sich Frauen ebenso für Science Fiction interessierten wie Männer. Das alte Klischee, Science Fiction sei ein reines Männer-Genre, schien überhaupt nicht zu stimmen. Wie würde sich das auf die Produktion und die Drehbucharbeit der geplanten Fernsehserie auswirken?

Der Plan sah vor, eine Serie mit 13 Folgen vorzubereiten. Idealerweise sollte eine Folge 45 Minuten lang sein, damit man sie – falls nötig – mit Werbung auf eine Stunde bringen konnte. Parallel wollte man aber auch eine Serie mit 26 halbstündigen Folgen konzipieren.

Den Produzenten war klar, dass die Haupt- und Nebenfiguren »liebevoll« – wie sie es nannten – ausgewählt werden mussten. Man wollte sowohl die bisherigen PERRY RHODAN-Kenner als auch viele andere Interessierte mit der Serie ansprechen.

Wir sahen uns an diesem Tag vermehrt Ausschnitte aus bekannten Fernsehserien und Filmen an, um zu vergleichen, wie bei diesen beispielsweise die Raumschiffe dargestellt wurden. Wie zeigte man in »Star Trek« das Innere eines Raumschiffs, was erfuhr man in »Event Horizon« über die verwendete Technik?

Am Ende und nach mehreren Diskussionen war klar: Der »Look« einer PERRY RHODAN-Serie sollte unverwechselbar sein. Alle Raumschiffe, die man entwickeln wollte, müssten eigenständig sein.

Gelegentlich mischte ich mich in die Diskussion und verwies auf die Arbeit unserer Risszeichner. Es gab zahlreiche Raumschiffe und technische Details, die in hervorragender Qualität vorlagen. Mit diesen konnte man doch arbeiten, so argumentierte ich.

Immerhin fand die Runde die Solare Residenz stark; diese Optik empfanden alle als einen »Hingucker«. Auch die SOL als Raumschiff wurde als originell empfunden. Ansonsten hatte ich bald das Gefühl, dass man unsere Grafiken und Illustrationen höchstens als Ideengrundlage betrachten, sie aber sicher nicht ernsthaft übernehmen würde. Man wollte überall ein neues Design entwickeln.

Diskutiert wurde über die Freundschaft zwischen Perry Rhodan und Atlan: Wieviel Rivalität war gut für eine solche Serie, oder würden sich die beiden Figuren gegenseitig den Raum wegnehmen? War Reginald Bull als »zweiter bester Freund« überhaupt sinnvoll? Klar war, dass Gucky eine Rolle spielen sollte.

Der Dienstag verstrich mit Vorträgen und Diskussionen, die ich alle als spannend und zielführend einschätzte. Alle Teilnehmer in der Runde waren höflich, alle diskutierten engagiert. Wenngleich ich bei manchen Aussagen das Gesicht verzog, hatte ich doch das Gefühl, dass alle mit großem Engagement an die Verfilmung der PERRY RHODAN-Serie gingen.

Als ich an diesem Abend ins Bett ging, schwirrte mein Kopf von vielen neuen Begriffen und zahlreichen Ideen. Wie würde sich das alles umsetzen lassen?
Am Abschlusstag wurden vor allem Festlegungen zum weiteren Ablauf getroffen. Die Produzenten wollten mit PERRY RHODAN-Autoren in die Detailarbeit gehen; Robert Feldhoff sollte dies koordinieren. Dabei sollten möglichst viele Exposé-Anregungen aufgegriffen und später auch in die Tat umgesetzt werden.

Wir legten grundsätzlich fest, welche Figuren in der Serie mitspielen sollten. Ein erstes Handlungskonzept des Produzenten wurde vorgestellt, das meiner Ansicht nach zu wenig mit unserer Serie zu tun hatte, von dem ich aber glaube, dass man es noch »rhodanifizieren« konnte. Es war sehr frei, griff keinen Zyklus und keinen Einzelroman auf, hatte aber die SOL und die Erde als Schauplätze.

Ein Plan für die nächsten Monat wurde verabschiedet. Ich fand ihn wieder sehr ambitioniert. Gleichzeitig fand ich es gut, dass man mit Tempo an die Angelegenheit heranging.

Bis zum April 2001 wollte man ein fertiges Booklet haben, das unter anderem ein Exposé von fünf Seiten enthalten würde. »Figurenbibel und Backgroundstory, Visualisierungshilfen (Zeichnungen, Skizzen, Kostümentwürfe« sollte das Booklet enthalten. Damit wollte man die bereits bestehenden Kontakte zu nationalen wie internationalen Fernsehsendern weiter ausbauen.

Es herrschte eine gewisse Euphorie im Raum, die auch dann anhielt, als wir uns trennten. Die PERRY RHODAN-Fernsehserie war auf Kurs, ein nächstes Treffen wurde angedacht.

Irgendwann saß ich an diesem sechsten Dezember 2000 im Zug und fuhr zurück nach Karlsruhe. In der Hand hielt ich ein PERRY RHODAN-Manuskript, das ich las und auf das ich mich nicht konzentrieren konnte.

Immer noch schwirrte mein Kopf. Wurde der Traum endlich wahr? Ich hoffte und wünschte es, und vor allem hoffte ich, dass die Fernsehserie auch der PERRY RHODAN-Serie mit ihren vielen Ideen gerecht werden würde …

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