Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Im Sommer 2003 war ATLAN ein Dauerthema für mich. Die ATLAN-Bücher, die bei Moewig als sogenannte Blaubände erschienen, liefen nicht mehr so gut wie fünf Jahre zuvor. Es fiel den Vertriebskollegen deutlich schwerer, die Bücher in die Buchhandlungen zu bringen, und so ging die Auflage auffallend zurück.
Vor allem »die Backlist schwächelte«, um es mit den Worten des Buchvertriebs zu sagen. Das hieß: Die älteren ATLAN-Bücher verkauften sich nicht mehr gut, sie wurden in den Buchhandlungen schon gar nicht mehr angeboten und konnten nur auf Bestellung geliefert werden.
Bei einer internen Tagung des Moewig-Verlages wurde ernsthaft und laut darüber nachgedacht, die ATLAN-Buchreihe einzustellen und vor allem keine Bücher mehr nachzudrucken. Das sei schließlich billiger, als die Reihe lieferbar zu halten und ständig neue Bände zu produzieren. Ich argumentierte damals mit den Sammlern, die schließlich jeden Band kauften und denen man nicht vermitteln könnte, wenn die Reihe »mitten im Zyklus« eingestellt würde.
Auch auf der Frankfurter Buchmesse im Oktober 2003 war ATLAN ein Thema, das in unterschiedlichen Gesprächsrunden diskutiert wurde. Uns war klar, dass wir etwas tun mussten - und zwar auf unterschiedlichen Gebieten. Innerhalb der Abteilung dachten wir uns mehrere Möglichkeiten aus; ich sprach oft mit Sabine Kropp über das Thema und überlegte mir Wege aus der laufenden Krise.
Auch mit der Verlagsleiterin des Zeitschriftenbereiches führte ich sehr konstruktive Gespräche, bei denen es um mögliche neue Wege ging. Am 31. Oktober 2003 stand schließlich ein Konzept, das ich für sehr sinnvoll hielt und das wir im Folgejahr zu einem großen Teil umsetzen konnten.
Wir taten etwas, bei dem ich dachte, von den Fans ein wenig »Prügel« zu erhalten: Die ATLAN-Jugendabenteuer, die sonst nicht offiziell in Zyklen unterteilt waren, erhielten von uns jetzt einen Zyklen-Charakter. Mit Band 24, der im Frühjahr 2004 erscheinen würde, sollte ein neuer Handlungsabschnitt starten.
Ich definierte »Die Varganen« als neuen Zyklus und argumentierte gegenüber den Vertriebsleuten: »Dieser neue Handlungsabschnitt erfordert für Neuleser keine besonderen Vorkenntnisse. Der neue Zyklus wird in den PERRY RHODAN-Heftromanen sowie den anderen Informationsmedien beworben.«
Darüber hinaus schlugen wir eine neue Optik vor: »Die Gestaltung der ATLAN-Bücher wird oft als sehr altmodisch betrachtet«, schrieb ich in meinem Konzept. Wir wollten »leichte Veränderungen des Covers« haben, zu denen Sabine Kropp um diese Zeit bereits zahlreiche Entwürfe hatte anfertigen lassen - und mit diesen wollten wir für frischen Wind im Handel sorgen.
Darüber hinaus schlugen wir etwas vor, was möglicherweise die Stammleserschaft nicht lieben würde: »Die klassischen ATLAN-Titelbilder sind häufig nicht so attraktiv«, sagte ich offen. »Aus diesem Grund kommt künftig ein neuer Zeichner zum Einsatz, der für etwas modernere Cover sorgen wird.« Dieser Zeichner war Arndt Drechsler, der seitdem die Titelbilder der ATLAN-Bücher und ATLAN-Taschenbücher prägt.
Zum Start des neuen Zyklus »Die Varganen« wollten wir einen speziellen Prospekt produzieren. Zielgruppe sollten Händler ebenso sein wie Endverbraucher. Im Prospekt wollten wir zudem stärker auf die Autoren eingehen, weil das einen deutlichen Bezug im Handel schafft - Hanns Kneifel und Rainer Castor als Aushängeschilder.
Selbstverständlich planten wir Aktivitäten im Internet, was im Jahr 2003 immer noch kein Massenmedium war. Auf der PERRY RHODAN-Homepage würden wir der Start des neuen ATLAN-Zyklus ausführlich präsentieren, unter anderem wollten wir die einzelnen Bücher, den Bearbeiter und die klassischen Autoren vorstellen.
Was ich für am wichtigsten hielt, war aber eine Aktion außerhalb der Buchreihe. Dafür brachte unsere Zeitschriften-Verlagsleiterin großes Interesse auf, während die Buchverlagskollegen eher passiv blieben. Wir verknüpften diese Aktion mit einem Gewinnspiel und diversen Aktionen innerhalb der Fan-Szene.
Wir stellten den Start einer neuen ATLAN-Miniserie vor, die ab Mai 2004 laufen sollte. Ich kündigte ein zweiwöchentliches Erscheinen an, ebenso die Publikation von zwölf Romanen. In jedem dieser Romane wollten wir redaktionell sowie durch Werbung auf die ATLAN-Buchreihe hinweisen. Mein Hintergedanke, den ich nicht in mein offizielles Konzept schrieb, war natürlich, die ATLAN-Miniserie hinterher in Buchform erneut zu publizieren.
Ironischerweise war die ATLAN-Miniserie danach relativ erfolgreich, so dass wir später eine fortlaufende ATLAN-Serie veröffentlichen konnten. Und die vielen Aktionen rings um ATLAN, die wir uns ausgedacht hatten, führten im Jahr 2004 tatsächlich dazu, dass sich die Auflage stabilisierte. Die Aktion »Rettet Atlan« vom Oktober 2003 brachte somit den Fortgang der Reihe mit sich - allerdings um den Preis, dass die PERRY RHODAN-Redaktion sich noch stärker um vertriebliche sowie werbliche Aktivitäten des Buchverlages zu kümmern hatte. (»Wenn ihr wollt, dass eure Bücher gut laufen, müsst ihr in euren Heften dafür trommeln.«)
Ein Vorschlag in meinem Aktivitäten-Konzept wurde übrigens nicht umgesetzt: eine Vertriebsaktion nämlich, bei der wir die Buchhändler aktivieren wollten. Die Idee war schlicht: Ein Buchhändler sollte Pakete kaufen und dafür ein »Extra« erhalten. Würde ein Buchhändler beispielsweise je einen Band des ATLAN-Zyklus »Jugendabenteuer« (Bücher 17 bis 23) sowie drei Stück des Bandes 24 zum Start des »Varganen«-Zyklus in seine Regale stellen, würde es über PERRY RHODAN eine zusätzliche Belohnung geben.
ATLAN wurde durch die Aktion in der Tat »gerettet« und läuft nach wie vor; wir publizierten 60 zusätzliche Heftromane und seither mithilfe unseres Partners Fantasy Productions mehrere Taschenbuchzyklen. Im Nachhinein waren das Arbeitspapier sowie die vielen Gespräche mit den Vertriebsleuten also erfolgreich ...
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