25 Juni 2010

Ein Monolith landet im Verlag

Aus der Serie: »Der Redakteur erinnert sich«

Im Januar 1992 war ich ziemlich gespannt, ob und wie sich meine »angedachte« Karriere als PERRY RHODAN-Autor entwickeln würde. Mein Manuskript sowie mein Exposé von »Der Monolith von Thalaton« lagen im Verlag und wurden hoffentlich von Dr. Florian F. Marzin, dem Chefredakteur, genauer betrachtet. Da ich regelmäßig die PERRY RHODAN-Clubnachrichten lieferte und auch darüber hinaus mit den Kollegen im Verlag im Kontakt stand, steigerte sich meine Spannung von Woche zu Woche.

Schaue ich mir das Manuskript mit dem Abstand von bald zwei Jahrzehnten an, fällt mir auf, welche Stärken und Schwächen es hat. So wollte ich beispielsweise meiner Hauptfigur eine Schwäche verschaffen. Ich kam auf die Idee, ihr aufgrund einer Krankheit eine leichte Abhängigkeit von Medikamenten zu verleihen – und diese Schwäche sollte später natürlich handlungstragend sein. Zitat aus der ersten Szene:

»Schräg gegenüber hing ein mannsgroßer Spiegel an der Wand. Santjan betrachtete sich: eine dürre, fast ausgemergelte Gestalt in einer grauen Kombination, ein kalkweißes Gesicht mit zwei roten Flecken am Kinn, darüber zersauste, schwarze Haare, die über die Ohren hingen, flackernde Augen. Mit unruhigen, schweißigen Fingern griff er in eine Beintasche seiner Kombination und zog ein kleines Päckchen heraus. Er entnahm eine kleine Tablette, schob sie in den Mund, schluckte sie trocken hinunter.«

Sieht man davon ab, dass ich es heute gar nicht so mag, wenn ein Autor seine Hauptfigur ausgerechnet dadurch beschreibt, dass diese in einen Spiegel oder dergleichen guckt, frage ich mich selbstverständlich auch, was »flackernde Augen« denn eigentlich sein sollen. Von der Tablette ganz zu schweigen – mein Leser- und Schreibergeschmack hat sich seit 1992 sehr stark verändert.

Bei der Beschreibung des Planeten orientierte ich mich stark an der australischen Wüste, die ich im Sommer des Vorjahres ein wenig kennengelernt hatte. Das sogenannte Outback hatte mich im Australien-Urlaub mehr fasziniert als die anderen Seiten des durchaus interessanten Landes, und das schlug sich auf die Beschreibungen im Roman-Manuskript durch. Auch hier ein unkorrigiertes Zitat, diesmal aus der zweiten Szene des Romans, die zugleich den Anfang des ersten »echten« Handlungskapitels bildete:

»Er schaute durch die vollverglaste Kuppel. Die Landschaft wirkte aus rund 800 Meter Höhe entsetzlich langweilig, fast tod: Sand, roter Sand, so weit das Auge reichte. Gelegentlich wurde das rote Bild von Felsformationen unterbrochen, die düster-grau aus dem Rot aufragten und einen noch trostloseren Eindruck hinterließen. Pflanzen konnte Santjan aus dieser Höhe nicht wahrnehmen; in der Nähe des kleinen primitiven Raumhafens und der miesen Siedlung, der die Gründer den großartigen Namen Thalaton-City verliehen hatten, war kleiner, buschiger Pflanzenwuchs zu sehen gewesen.«

Generell hatte ich das Problem, viele Informationen über einen neuen Planeten sinnvoll zu vermitteln. Ich wollte keine Informationsblöcke haben, wie sie damals für meinen Geschmack zu häufig in den Romanen auftauchten, sondern das ganze in die Handlung einbauen. Also erarbeitete ich einen Dialog zwischen der Positronik eines Gleiters und meiner Hauptfigur und hoffte, dass das gut funtkioniert.

Seien wir ehrlich: Das war ebenfalls ein Klischee, das war ebensowenig originell. Und es war erst recht ein Klischee, dass das nette Gespräch zwischen Positronik und Hauptfigur durch eine Action-Einlage beendet wurde. Auch hier ein Zitat aus dem Manuskript:

»In diesem Moment nahm Santjan das grelle Licht wahr, das von unten auf sie zuraste. Etwas schlug mit einem furchtbaren Geräusch in den Gleiter ein, der als planetengebundenes Gefährt natürlich nicht mit einem Schutzschirm ausgerüstet war. Santjan wurde zur Seite geschleudert, krachte mit der rechten Schulter gegen die Transparentscheibe, stürzte auf den Boden. Der Gleiter geriet ins Trudeln, kippte nach rechts ab, schaukelte hin und her, während er rasend schnell an Höhe verlor. Ein weiterer Schlag traf das Gefährt, wieder krachte es, wieder wurde Santjan herumgeschleudert.«

Danach, so dachte ich, würde sich die Handlung rasant beschleunigen. Santjan stürzt über dem Planeten ab, er wird bewusstlos – ein typisches Schicksal für eine Hauptfigur – und wird später von den Eingeborenen geborgen. Von diesen wiederum erfährt er mehr über den Planeten und die Machenschaften des Imperiums Dabrifa. Doch davor wollte ich es im geplanten Roman »Der Monolith von Thalaton« noch einmal richtig krachen lassen. Dazu erneut ein Zitat:

»Abwechselnd steuerte er die beiden Hilfsdüsen aus. In rasend schnellem Tempo heulte der Gleiter abwärts. Wie in großen Sätzen schien die Oberfläche des Planeten auf Santjan zuzuspringen. Er rasselte unter mißtönenden Geräuschen mit der Unterseite über seltsam verkrüppelte Bäume hinweg – Ich wußte gar nicht, daß die Pflanzen in dieser seltsamen Wüste so groß werden!, dachte Santjan vollkommen sinnlos –, schleuderte zwischen zwei Buschgruppen hindurch und schlitterte heulend über den roten Wüstenboden.«

Als ich endlich dazu kam, mit Dr. Florian F. Marzin über mein Manuskript zu sprechen, lobte er es durchaus. Sein abschließendes Zitat war allerdings eindeutig: »Das liest sich ja so, als wolltest du in dem Taschenbuch alle Action unterbringen, die dir sonst in den PERRY RHODAN-Taschenbüchern fehlt.« Ich gestehe ... so falsch lag er mit dieser Vermutung im Frühjahr 1992 dann doch nicht.

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