Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Im Sommer 1991 flog ich mit meiner damaligen Freundin nach Australien; es wurde ein langer, sehr interessanter und abwechslungsreicher Urlaub. Unter anderem reisten wir von Darwin mit dem Bus nach Alice Springs, die mitten im Land gelegene Stadt. Von dort fuhren wir an die Küste weiter und danach über Townsville und Brisbane bis nach Sydney.
Doch um die Tour durch Australien soll es in diesem Rückblick nicht gehen – das wäre eine andere Geschichte –, sondern um eine PERRY RHODAN-Idee, die dabei entstand und irgendwann in einem ATLAN-Zyklus gipfelte ...
Australien begeisterte mich in diesem Sommer 1991. Die Landschaft war grandios, die Freundlichkeit der meisten Menschen umwerfend, das Leben in den Städten teilweise sehr gemütlich, teilweise auch spannend. Aber was mich tatsächlich schockierte, waren die sozialen Verhältnisse mancher Ureinwohner, der sogenannten Aborigines. Wobei ich als Reisender ohnehin nur Ausschnitte aus dem alltäglichen Leben mitbekam.
Ich sah Aborigines, die in Darwin auf dem Brachland unweit eines Spielcasinos saßen und dort beteten, weil das Casino genau auf einem ihrer Friedhöfe errichtet worden war. Ich erlebte Aborigines, die in einem ausgetrockneten Flussbett in Alice Springs zusammensaßen, Schnaps tranken und seltsame Lieder sangen; den Schnaps bekamen sie in einem Bretterverschlag unweit davon, der zu einem Restaurant gehörte.
Und ich überlege mir irgendwann, was wäre, wenn ein solches Szenario im PERRY RHODAN-Universum glaubhaft umgesetzt würde. Wie wäre es, wenn man ernsthaft schildern würde, was passiert, wenn eine Kultur, die anderen Grundsätzen folgt, mit einer technischen Zivilisation konfrontiert würde? Was würde wirklich geschehen, wenn Menschen von den Sternen kämen und auf Wesen treffen würden, die eine steinzeitliche Kultur hätten?
Als wir vor dem Ayers' Rock ankamen, dem heiligen Berg vieler australischer Ureinwohner, erfuhr ich dort ein wenig über die Geschichte des Berges und die Religion der umliegenden Völker. In diesen Tagen kristallisierte sich in meinem Kopf langsam eine Geschichte heraus. Diese wiederum, so dachte ich, wäre es wert, erzählt zu werden.
Nachdem ich wieder daheim in Deutschland war, hatte ich erst einmal andere Probleme. Doch wenn ich Zeit hatte und mich auf eigene Texte einließ, schrieb ich an einem Konzept, dem ich einen Arbeitstitel gab. Ich nannte es »Der Monolith von Thalaton«, und ich wollte daraus ein PERRY RHODAN-Taschenbuch machen ...
Da ich vom »Tausend-Jahres-Sprung« schon immer fasziniert gewesen war, weil man als Leser über diesen Handlungszeitraum so wenig wusste, überlegte ich mir, die Geschichte in jener Zeit anzusiedeln. Das Imperium Dabrifa, die Tarey-Bruderschaft oder die Zentralgalaktische Union empfand ich als faszinierende Gebilde, und Agentengeschichten mochte ich ebenfalls. Was also lag näher, als die Geschichte meiner Reise nach Australien mit meinen persönlichen PERRY RHODAN-Interessen zu verknüpfen?
Mein Roman sollte im Jahr 3431 spielen, und als Helden wollte ich einen USO-Spezialisten nehmen, der drogenabhängig ist. Im weitergehenden Konzept wurde daraus ein Agent der Solaren Abwehr, der Tabletten zu sich nahm. Ich gab ihm einen Namen: Evren Santjan, und ich setzte ihn ins Imperium Dabrifa. Von dort aus sollte er zum Planeten Thalaton kommen.
Zitat aus meinem Exposé: »Thalaton ist ein wüstenhafter Planet, der von humanoiden Eingeborenen, den Thalans, bewohnt wird – die wiederum stammen wohl von Lemurern ab. Der Planet enthält eine Unmenge an seltenen Transuranen, so daß sich der Abbau für das Imperium Dabrifa lohnt. Im Lauf von 300 Jahren haben sich auf Thalaton rund 120.000 Menschen angesiedelt, dazu kommen einige Millionen Thalans.«
Nachdem ich die ersten Eckpunkte der Handlung festgelegt hatte, skizzierte ich die ersten Figuren und fing recht schnell mit dem Schreiben an. Im Herbst und Winter 1991 entstanden rund zehn Manuskript-Seiten von »Der Monolith von Thalaton«. Ich stellte die Hauptfigur vor, zeigte ihren Flug nach Thalaton und schilderte den Absturz eines Gleiters über der Planetenoberfläche. Damit, so dachte ich, hätte ich die wesentlichen Elemente der Handlung sinnvoll zusammengefasst.
Und da ich die Kollegen innerhalb der damaligen Verlagsunion Pabel-Moewig gut kannte, druckte ich die Manuskriptseiten sauber aus – mit einem mühsam ratternden Nadeldrucker –, packte das Exposé dazu und schickte alles in einem Kuvert nach Rastatt. Mein Ziel war, einen PERRY RHODAN-Roman zu veröffentlichen, und ich wusste aus Gesprächen, dass die Redaktion immer wieder einen Mangel an guten Taschenbuch-Manuskripten hatte. Vor allem war ich mir hundertprozentig sicher, dass ich Erfolg haben würde.
Und dann, so überlegte ich in gelegentlichen, sehr kühnen Träumen, wäre es vielleicht auch einmal möglich, dass ich ins PERRY RHODAN-Autorenteam einsteigen könnte. (Das aber sagte ich niemanden, davon träumte ich noch nicht einmal richtig. Aber ich dachte gelegentlich darüber nach, wie es denn wäre, wenn ... wie man das eben so macht, wenn man manchmal in seinem Beruf unglücklich ist und sich vorstellt, dass eine andere Tätigkeit doch viel ausfüllender wäre.)
Aber jetzt musste ich in diesem Januar 1992 erst einmal darauf warten, wie der Verlag in Rastatt auf mein Exposé und meinen Romananfang reagieren würde.
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