Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«:
Ich kannte Claus Landgrebe aus der Fan-Szene. Er gehörte dem PERRY RHODAN-Briefclub Bullys Schreibtisch an, in dem ich auch seit Anfang der 80er-Jahre Mitglied war. Wir hatten uns gelegentlich auf Cons gesehen, hatten miteinander geplaudert, und ich fand den quirligen Koch extrem unterhaltsam und kreativ. Er veröffentlichte Kurzgeschichten in Fanzines, und er träumte – so vermutete ich – klammheimlich davon, PERRY RHODAN-Autor zu werden.
Was er beruflich machte, wusste ich gar nicht so genau. Mir war aber bekannt, dass er eine Fernsehsendung hatte, die im sogenannten Offenen Kanal Mainz lief. Dort brachte er regelmäßig eine Sendung ans Licht der Öffentlichkeit, bei der zwar gekocht wurde, das Ganze aber nicht sonderlich ernstzunehmen war. Die Sendung nannte sich »Mainzissimo – Kochen ohne Biolek«, und das war natürlich eine freche Anspielung auf den populären Fernsehkoch Alfred Biolek.
Claus Landgrebe und seine Hobbykoch-Freunde bereiteten gerne Rezepte zu, die nicht unbedingt jedermanns Geschmack waren, und sie brachten durchaus grobe Sprüche vor laufender Kamera. Das erfreute den Fernsehprofi und seine Rechtsanwälte nicht, und sie gingen gerichtlich gegen die Mainzer Fans vor. Wie das Ganze letztlich ausging, bekam ich gar nicht mit – die Geschichte wurde in einigen Fanzines erwähnt, spielte aber in der Fan-Szene keine große Rolle.
Unser gemeinsamer Kontakt waren schließlich die Science Fiction im Allgemeinen und PERRY RHODAN im Besonderen. Claus kam zu einem Seminar an die Bundesakademie in Wolfenbüttel, und wir unterhielten uns am Rand der PERRY RHODAN-Tage Rheinland-Pfalz im beschaulichen Sinzig sowie bei den »Weltraumtagen« in Garching bei München. Er erzählte mir, dass er Hunderte von Rezepten hätte, die er auch schon »vorgekocht« hätte und von denen er wisse, dass sie gut funktionierten.
Wir seien doch »Europas größter Kochbuchverlag«, zumindest behaupte das die Werbung des Moewig-Verlages. Ob das stimmte, wusste ich nicht – aber mit Buchreihen wie »Dr. Oetker« oder »Kochen & Genießen« erreichte Moewig in der Mitte der 90er-Jahre tatsächlich Millionenauflagen. Was also lag näher, als PERRY RHODAN und Kochen zu verbinden, aus den zwei Vorlieben des Claus Landgrebe also ein gemeinsames Projekt zu entwickeln?
Wir wechselten einige Briefe – es war die Zeit, bevor das Internet seinen Durchbruch erlangte, und ich erhielt erst drei Monate später meinen offiziellen E-Mail-Anschluss –, und langsam kristallisierte sich eine Idee heraus: Wir würden tatsächlich ein PERRY RHODAN-Kochbuch machen. Dieses könnte beim PERRY RHODAN-WeltCon in zwei Jahren endgültig fertig sein, es könnte bei der »Erlebnis-Gastronomie« eine Rolle spielen, für die unser Marketingleiter Eckhard Schwettmann zu der Zeit schwärmte, und wir könnten – ganz allgemein – viel Spaß damit haben.
Am 28. November 1997 schickte Claus schließlich ein Konzept an den Verlag. »Ich arbeite schon eifrig am PR-Kochbuch und möchte Dir vorab schon mal ein paar konkrete Vorstellungen vermitteln.« Er hatte sich während der Weltraumtage in Garching ein wenig geärgert: »Dort wurde zwar mit phantasievollen Namen ein Space Menue angeboten, was dabei herauskam, hatte allerdings nur Kantinenniveau.«
Er wollte »solide, nicht allzu komplizierte Gerichte« kochen und anbieten. »Welcher SF-Fan hat schon stundenlang Zeit, in der Küche zu stehen?«, war die Frage, die er sich stellte. Zudem war ihm eines wichtig: Die Gerichte sollten »auf einer soliden Basis von frischen Produkten bestehen« und »leicht verständlich erklärt« werden.
Wichtig war ihm von Anfang an, dass die Rezepte einen klaren Bezug zum Perryversum haben sollten. »Beispiele wären Gucky's Möhren-Sahne-Cremesuppe oder Melbar Kasoms Ochsenviertelchenragout«. Damit PERRY RHODAN-Fans einen Anreiz hätten, ein solches Kochbuch zu kaufen, wollte er jeweils eine Geschichte schreiben, die zeigt, »wie denn die betreffende PR-Figur zu dem Rezept kam«.
Gucky hätte beispielsweise auf sein Rezept kommen können, »als er auf Tramp gefunden wurde und bei seinem ersten Raumflug Gucky über den Kesseln der Bordküche schweben ließ«. Der Bordkoch sei so begeistert gewesen, dass er für Gucky die genannte Suppe kreierte. Man merkt schon an dieser Anekdote, dass Claus Landgrebe einen Sinn für Humor hatte, der nicht jeden Leser begeistert hätte. An Ideen mangelte es ihm nicht, und seine Begeisterung für sein eigenes Kochbuch zeigte sich in jeder Zeile seines Konzepts.
Er schlug vor, im Buch dann selbst die Zeichnungen der PERRY RHODAN-Illustratoren zu verwenden, darüber hinaus »tolle Fotos von Gerichten«, die er von seinen Kochbuch-Aktivitäten besaß. Das klang alles ziemlich unterhaltsam, wenngleich ich mir zu dem Zeitpunkt nicht vorstellen konnte, wie das aussehen sollte.
Immerhin war ich so neugierig, dass ich einen Termin mit der Lektorin unserer Kochbücher vereinbarte. Ich ließ mir von ihr erklären, wie die sogenannte Food-Fotografie funktionierte: mit welchen Mitteln die Fotografen dafür sorgten, dass das Essen überhaupt »echt« aussah, weil ein »normal« fotografiertes Essen einfach nicht appetitanregend wirkte.
Aber alles in allem klang das Ganze so, als ließen sich die Ideen durchaus umsetzen. Ob allerdings ein solches Buch zu verkaufen war, konnte niemand sagen ...
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